Moonspell - 1755

moonspell 1755MOONSPELLx neuestes Album wird von der Plattenfirma großmundig als „Magnum Opus“ angekündigt. Da bin ich dann immer etwas vorsichtig. Denn je größer etwas angekündigt wird, desto schlechter ist es meistens. Und das letzte Album, „Extinct“, war für meinen Geschmack zwar nicht schlecht, aber doch ein wenig poppig geraten. In welche Richtung geht dann also „1755“?

Grundsätzlich handelt es sich um ein Konzeptalbum über das Erdbeben, das im Jahr 1755 Lissabon wortwörtlich in Schutt und Asche legte. Bei einem gewaltigen Erdbeben am 01.11.1755 starben durch das Beben selbst, die anschließenden Feuersbrünste sowie einen Tsunami bis zu 100.000 Menschen, nahezu die Hälfte der damaligen Bevölkerung der Stadt. Da ist es eigentlich selbstverständlich, dass die Texte des Albums, das beinahe am Jahrestag des Unglücks erscheint, ausschließlich in Portugiesisch gehalten sind.

Wie ich eingangs schon sagte, habe ich ja so meine Probleme mit großspurigen Versprechungen. Aber schon beim ersten Hördurchgang denkt man: Wow. Was haben MOONSPELL da erschaffen? Und je öfter man die Scheibe hört, desto mehr Details und Feinheiten entdeckt man – und desto besser gefällt das Album. Die Portugiesen haben wahrhaft ein Meisterwerk geschaffen, eine perfekte Symbiose zwischen Band und Orchester. Jetzt haben sie mit dieser Idee ja beileibe nicht das Rad neu erfunden, aber meiner Meinung nach funktioniert diese Kombination auch einfach hervorragend. Nichts schlägt die Erhabenheit und Kraft eines Orchesters und wenn sich ein solches mit einer Metalband verbindet, dann entstehen daraus Bombast und Kraft wie sie beide alleine niemals aufbringen könnten.

Das Album wird eingeleitet vom neu mit Orchester eingespielten „Em Nome Do Medo“, das man schon vom Album „Alpha Noir“ kennt, das durch die Neueinspielung aber nur noch besser geworden ist. Auch der letzte Song, „Laterna Dos Afogados“ hat schon einige Jahre auf dem Buckel, geschrieben wurde er vom Brasilianer Herbert Vianna. Und diese beiden Stücke rahmen den Rest des Albums wunderbar ein.

„1755“ ist ein mächtiges, monumentales, bombastisches Album geworden, das über große Strecken wie Filmmusik wirkt und in dem MOONSPELL die Schrecken und das Grauen jenes Ereignisses in Perfektion vertonen. Fernando Ribeiros Stimme passt einfach perfekt zu diesem Thema und er setzt sie sehr vielfältig ein. Mal singt er sehr sanft, flüstert, mal schreit er fast, brüllt die Verzweiflung der Einwohner Lissabons in die Welt. Unterstützt wird er dabei von zahlreichen Chören, die sehr pointiert eingesetzt werden und den Songs gut tun.

Bei „In Tremor Dei“ wird er zusätzlich unterstützt vom portugiesischen Fado-Sänger Paulo Bragança und liefert sich mit ihm ein herrliches Duett, das durch Paulo einen deutlichen portugiesischen Touch erhält. Aber auch orientalische Klänge hört man auf „1755“. Zum Beispiel im Titelsong, beim dem auch nordafrikanische Bendir zum Einsatz kommen, was einen dann kurz an ACYL erinnert. Immer wieder baut man auch sakrale Elemente, sei es nun der Einsatz von Orgeln oder sakral anmutender Chöre, wie z.B. in „Abanão“. Und alles fügt sich zu einem perfekten Bild zusammen.

Zu den Höhepunkten des Albums gehören für mich „1 De Novembro“, bei dem Fernando viele Facetten seines Gesangs zeigt und das doch eine etwas metallischere Schlagseite als die meisten anderen Stücke hat und das dramatische „Ruínas“, in dem die Not der Lissabonner Bevölkerung perfekt vertont wird. Und dennoch ist es ein Song mit einer Dynamik, bei der man einfach nicht stillsitzen kann.

„Laterna Dos Afogados“, das das Album beschließt, ist noch einmal ganz anders, beginnt nur mit Klavier und ist insgesamt eher getragen. Die MOONSPELL’sche Interpretation dieses alten Liedes lässt das Album ruhig, aber dennoch dramatisch ausklingen. Und damit kann ich mich hier nur den eingangs erwähnten großmundigen Versprechungen anschließen. „1755“ ist das Mangum Opus von MOONSPELL, es ist eine ihrer besten Scheiben und ich bin einfach nur begeistert von diesem Album. Da brauche ich wohl nicht zu erwähnen, dass ich kaum abwarten kann, die Band nächste Woche live in Portugal zu sehen, oder? (Anne)

Bewertung:

Anne9,0 9 / 10

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 47:42 min
Label: Napalm Records
Veröffentlichungstermin: 03.11.2017

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