Enslaved - E

enslaved eKaum eine andere Band hat sich so viele Spielwiesen erarbeitet wie die norwegischen Düsterheimer. Als Black Metalband ausgezogen, gehörten sie zu den Initiatoren des Pagan Metal, doch auch dieses Korsett wurde ENSLAVED bald zu eng. Spätestens mit "Vertebrae" waren sie im progressiven Sektor angekommen, um da mit "Axioma Ethica Odini" 2010 ihr Meisterwerk abzuliefern. Die folgenden Veröffentlichungen gingen ähnliche Wege, wobei vor allem "In Times" überzeugen konnte. Im Anschluss an jene Veröffentlichung legte Herbrand Larsen nach zwölf Jahren seinen Job an den Tasten und Reglern nieder und wurde von Hakon Vinje ersetzt. Nun liegt mit "E" das erste Album in der neuen Besetzung vor, gibt es auch sonstige Veränderungen?

Schon die ersten Naturtöne lassen erahnen, dass sich die Männer aus Bergen weiter entwickelt haben. Wo bisher atmosphärische Art Rockeinflüsse standen, driften diese nun auseinander, auf der einen Seite herrscht klassischer Prog Rock, auf der anderen Seite wird die Stimmung nun eher von Ethnoklängen erzeugt. Natürlich war man mit Naturmystik schon immer etwas vertraut, doch hier geht man einen Schritt weiter und ersetzt so manchen Wikingerchor durch schamanenhafte Vocals. Das erinnert an die Herangehensweise von WARDRUNA, wenn auch deutlich mehr im Metal behaftet.

Auch spacige Töne mischen sich, wie im Opener "Storm Son" immer wieder unter, trotz des Weggangs von Larsen bleiben die Siebziger-Referenzen weiterhin erhalten. Der Titel braucht etwas, um Fahrt aufzunehmen, viele akustische Gitarren übernehmen die Führung, wobei deren Motive später von der elektrischen abgelöst werden.
Die Riffs kommen zu Beginn ebenso clean daher wie die Vocals, während sich Drummer Cato Bekkevold nicht das einzige Mal bemerkbar macht. Erst spät geraten die Riffwalzen ins Rollen und werden von fiesem Gekeife unterstützt, bevor die Nummer von rockig akzentuierten Riffs ausgeleitet wird, welche über Keyboardschwaden gleiten.

Dabei geraten die rockigen Referenzen, für die vor allem Arve Isdal zuständig ist, ein bisschen in den Hintergrund, ebenso wie seine Soli. Wenn dann mal gerockt wird, dann umso unvorhersehbarer, "Axis Of The World" legt mit seinen Progabfahrten zum Auftakt erst einmal geschickt eine falsche Fährte. Hier frickeln die Herren Isdal und Björnson nach allen Regeln der Kunst um die Wette, bevor sich aus dem schweren Riff ein cleaner Refrain mit packendem Riff heraus schält, der sogar ein wenig an das sagenumwobene Debüt von MASTERS OF REALITY denken lässt.

Noch ein Spur progressiver geht es auch "Feathers Of Eolh" zu, in welchem das Riff unterschwellig unter dem spacigen Überbau umher schwirrt und Erinnerungen an KING CRIMSON weckt. Mit der Zeit setzt es sich durch, der cleane Gesang dazu endet sehr oft im Ethnosektor, der auch in den Abfahrten seine Präsenz hat. Das macht "E" noch offener, fast weltmusikalischer, als man es ohnehin gewohnt ist. In "Sacred Horse" gibt es orientalische Motive zu hören, und auch der Folk klingt hier verwaschener, was den Zugang weiter erschwert, wobei man hier mit Galoppstrophe und Orgelsolo ohnehin vielschichtig agiert.

Und am Ende gibt man sich sogar dem Doom hin, "Hiinsiight" weckt nicht nur vom Namen her Assoziationen an "Riitiir", sondern auch in Sachen Sperrigkeit die hier sogar noch übertroffen wird. Ambiente Flächen geben diesem zähen Batzen zusätzliche Nahrung, während Kjellson seine tiefsten Stimmlagen des Albums auspackt. Von der Idee her sind die Saxophonklänge auch gut gemeint, doch überfrachten sie ebenso wie die gregorianischen Chöre.
Was dem nunmehr vierzehnten Longplayer abgeht, sind die ganz großen Hymnen, ENSLAVED bauen mir hier zu sehr auf Atmosphäre. Das könne sie zwar, doch irgendwie liegt ein Schleier über dem Ganzen, der das aufbrausende Element erstickt. Einzig "The River´s Mouth" treibt unnachahmlich nach vorne, während man sich den Refrain nicht erst erarbeiten muss, doch der Swing ist ein ebenso schwerer wie der Genuss der gesamten Scheibe. (Pfälzer)


Bewertung:

Pfaelzer7,0 7 / 10


Anzahl der Songs: 6
Spielzeit: 49:58 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 13.10.2017

Kategorie: CD-Reviews