Boykott gegen Týr - ein Erfolg?

vorbericht SireniaDie Tour mit SIRENIA, XAON und RELICSEED ist zu Ende, die Band ist wieder Zuhause und schreibt (hoffentlich) fleißig am neuen Album, die Wogen haben sich geglättet. Das Thema, das die gesamte Tour beherrscht hat, war der Boykott gegen die färöische Band TÝR, da deren Frontmann Heri Joensen offen dazu steht, an der Jagd auf Grindwale teilzunehmen, was auf den Färöern auch legal ist. Im Zuge dessen mussten insgesamt sieben Konzerte der Tour abgesagt werden, drei Konzerte  entfielen komplett, bei vier Konzerten durften nur TÝR nicht auf die Bühne, die restlichen Bands spielten jedoch. Die Walfanggegner feierten dies als großen Erfolg. Doch war der Boykott wirklich erfolgreich?

 

Proteste gegen Fußballspieler
Dabei konzentrierten sich die Walfanggegner nicht nur auf die Band TÝR. Zur gleichen Zeit, als die Europatour der Band stattfand, spielte auch die färöische Fußballnationalmannschaft im Zuge der WM-Qualifikation in Luzern gegen die Schweiz. Da laut Aussage der Walschützer auch Mitglieder der färöischen Nationalmannschaft, namentlich Páll Klettskarð und Sørmundur Kalsø an der Grindwaljagd teilnehmen, wurde auch zu Protesten im Vorfeld des Länderspiels aufgerufen. Das Wal- und Delfinschutz-Forum (WDSF) berichtete anschließend als Erfolgsmeldung1, dass die beiden Spieler beim Spiel gegen die Schweiz aufgrund der Proteste nicht aufgestellt wurden und beruft sich dabei auch auf eine Schweizer Sportwetten-Seite2. Hierbei übersieht man jedoch völlig, dass Páll Klettskarð in den letzten 26 Länderspielen der Färöer nur 12mal zum Einsatz kam und dreimal auf der Bank saß, er also nur in rund der Hälfte der Spiele überhaupt zum Kader gehörte. Im Jahr 2016 stand er insgesamt lediglich 23 Minuten für die färöische Nationalmannschaft auf dem Platz3. Es ist daher meines Erachtens wesentlich wahrscheinlicher, dass hier sportliche Gründe vorliegen, weshalb Páll Klettskarð nicht zum Einsatz kam. Noch extremer stellt es sich bei Sørmundur Kalsø dar. Dieser spielte lediglich bis 2014 in der U21 Nationalelf der Färöer, kam in der eigentlichen Nationalmannschaft jedoch noch nie zum Einsatz4. Hier zu behaupten, er sei aufgrund der Proteste nicht aufgestellt worden, ist schon mehr als zweifelhaft.

Das WDSF hatte in diesem Zusammenhang sogar die UEFA eingeschaltet, und gefordert, die beiden Spieler dauerhaft für internationale Spiele zu sperren. Diese hat die Sache jedoch nur mit dem „färöischen Mitgliedsverband geteilt“ und weiter keine Schritte unternommen.5 Alles andere wäre auch ein Skandal, immerhin haben die beiden Spieler völlig legal gehandelt und gegen Spieler anderer Nationalitäten, die in ihrer Freizeit auf die Jagd gehen, wird ja auch kein Antrag auf Sperrung gestellt.

Was in diesem Zusammenhang übrigens äußerst interessant ist: Dem WDSF wurde schon öfter vorgeworfen, stets nur auf die eigene Seite, äußerst selten jedoch auf externe Seiten zu verlinken. In diesem Fall wird nun auf die Seite your-first-way.com verlinkt, in anderen Fällen auf die Seite presseportal.de. Schaut man sich diese Seiten jedoch einmal genauer an, so stellt man fest, dass es sich hierbei um Plattformen handelt, die dem Nutzer Platz zur Verfügung stellen, auf dem dieser Artikel/Newsmeldungen einstellen kann. Das können Journalisten sein, aber auch Organisationen und Privatautoren. Auf der Plattform presseportal.de gibt es einen sogenannten „Newsroom“ des WDSF und auf Rückfrage bestätigt das Presseportal, dass alle Meldungen, die im Newsroom von WDSF stehen, auch vom WDSF eingestellt wurden. Auch die Seite your-first-way.com gibt zwar als Autor das WDSF an, das sieht man aber nur, wenn man ganz zum Ende des Artikels scrollt, was sicher nicht jeder Leser machen wird. Das WDSF verlinkt hier also wieder nur auf sich selbst, versucht aber den Anschein zu erwecken, auf eine externe Seite zu verlinken um glaubwürdiger zu erscheinen. In meinen Augen ist das ein Versuch, die eigenen Leser und Anhänger zu täuschen und wirkt nicht gerade seriös.

Auch Schweizer Zeitungen berichteten über die geplante Demonstration vor dem Stadion, die Luzerner Zeitung zeigte dabei sogar ein von der Sea Shepherd Conservation Society produziertes, widerwärtig populistisches Video über die beiden oben genannten Fußballer, das ich hier nicht verlinken werde (wer es sich trotzdem ansehen möchte wird ja sicher im Netz fündig). Durch die Zurschaustellung und Herabwürdigung der „Täter“ wird geradezu zu Selbstjustiz aufgerufen. Als jemand, der in einem Land lebt, in dem selbst Verbrecher wie Kinderschänder ein Recht darauf haben, dass ihre Namen und Wohnadressen nicht veröffentlicht werden (und das ist auch richtig so!) finde ich es befremdlich und äußerst bedenklich, Menschen, die Tiere legal töten, dermaßen an den Pranger zu stellen und zu Hetzjagden gegen sie aufzurufen. Der Artikel ist mittlerweile von der Seite der Luzerner Zeitung verschwunden. Auf Rückfragen, warum der Artikel gelöscht wurde, wurde leider nicht geantwortet.

Interessant ist hierbei auch, dass die Demonstranten die Teilnehmerzahl mit „mehr als 20“ angeben. Einige Besucher des Spiels gaben an, nur 7 Demonstranten gesehen zu haben, auf Videoaufnahmen, die vom WDSF selbst gepostet wurden, sind 17 Demonstranten zu sehen. Die Zahl von „mehr als 20“ ist somit wohl übertrieben.

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Proteste gegen TÝR
Auch vor einigen der Konzerte, auf denen TÝR spielen durften, wurde protestiert. Zum Beispiel vor der Galvanik in Zug. Der Club gehört zu denen im deutschsprachigen Raum, die sich nicht vom Druck der Walfanggegner, ihren erpresserischen Methoden und dem Shitstorm einschüchtern ließen, sondern sich selbst Gedanken zum Sachverhalt machten und zum Schluss kamen, dass man gerade wegen des Verhaltens der Walfanggegner das Konzert durchführen wolle. An dieser Stelle auch mal mein Respekt an die Kollegen von centralplus.ch, die nicht nachbeten, was ihnen von Organisationen wie dem WDSF und anderen vorgesetzt wird, sondern sich ihre eigenen, kritischen Gedanken machen und versuchen, mit beiden Seiten in Dialog zu treten6 (sehenswert sind auch die Screenshots von Kommentaren auf der Facebookseite der Galvanik in diesem Artikel). Vor der Galvanik in Zug fanden sich ganze 9 Demonstranten ein, vier zusätzliche Sicherheitskräfte musste die Galvanik aufgrund der angekündigten Demonstration als Auflage der Behörden einsetzen und 8 Polizisten sollen vor Ort gewesen sein (auch wenn ich selber weniger gesehen habe). Die neun Demonstranten verschwanden jedoch schon, während die erste Band noch spielte und berichten, es seien nur 20 Konzertbesucher aufgetaucht. Dass die meisten später kamen und am Ende fast zehnmal so viele vor Ort waren, ging an den Demonstranten vorbei. Dennoch zieht man ein positives Fazit. Und hofft, dass man für Negativwerbung gesorgt, dem Club also geschadet hat.7 Dass man eventuell sogar Werbung für Band und Club gemacht hat, das sieht man nicht so. Die Galvanik ist dennoch zufrieden, es wurden mehr Tickets verkauft als erhofft.

In Dänemark, zu Beginn der Tour, spielte die Band im Rahmen eines mehrtägigen Metalfestivals im Studenterhuset in Aalborg. Im Vorfeld wurde der Club mit einem massiven Shitstorm überzogen8, vornehmlich von Deutschen und anderen Ausländern, die das Konzert sowieso nie besucht hätten. Sowohl Club als auch Band wurden beschimpft, gerne auch mit Nettigkeiten wie „Ich wünsche der Band Krebs!“ garniert. Doch das Studenterhuset brach nicht ein. Die Band spielte wie geplant. Der Leiter Lars Hellerup gab an, dass ein solches Vorgehen einem Club wirklich schaden kann, und dass die Walfanggegner sie viel Zeit gekostet haben, sieht aber nicht ein, warum er einem solchen Shitstorm nachgeben sollte. Wenige Tage vor dem Konzert wendete sich dann das Blatt und, wie die dänische Newssite „TV2Nord“ meldet, verwandelte sich der Shitstorm in einen Lovestorm.9 Massen von Usern loben den Club für seine Haltung, die tolle Atmosphäre und die gute Musik, die man dort hören kann. Das Lob kommt vor allem von Leuten, die regelmäßig den Club besuchen und Lars Hellerup ist über diese Wendung natürlich sichtbar erleichtert und froh. „Das bedeutet uns wirklich viel!“ sagte er. Proteste vor Ort gab es von den Walfanggegnern keine.

In Oberhausen traf dann die geballte Kraft der Walfanggegner auf den Club. Nachdem das Konzert in der Kölner Essigfabrik abgesagt wurde, wurde eine Ersatzshow im Helvete in Oberhausen organisiert. Daraufhin liefen die Walfanggegner gegen das Helvete Sturm. Die in Köln geplante Demonstration wurde ebenfalls nach Oberhausen verlegt. Dummerweise gehört der Bürgersteig vor dem Helvete zum Grundstück, so dass Betreiber Gregor Woitzik den Demonstranten auf der Stelle Hausverbot erteilte und sie auf die andere Straßenseite ausweichen mussten. Dort standen sie dann, 22 Mann stark, die vereinigten Kräfte von Be A Voice For The Voiceless, WDSF und Sea Shepherd, aufgereiht vor einem Bauzaun, an den sie das Foto von Heri Joensen beim Zerlegen eines Wales gepinnt hatten, verteilten Flyer, machten Megaphondurchsagen und schauten vorwurfsvoll zu uns herüber, in den Händen selbstgebastelte Plakate mit fragwürdigen Sprüchen und gemalten Färöern mit Bäumen. Sogar ein Holzkreuz hatte man mitgebracht. Diversen Konzertbesuchern knöpfte man das Versprechen ab, während TÝR spielten, den Saal zu verlassen, nachdem man diese über die unglaublichen Machenschaften des Sängers aufgeklärt hatte. Auch der Fernsehsender Arte war vor Ort, um über die Demonstration und das Konzert zu berichten. Der voraussichtliche Sendetermin ist der 24.02.2017 (in der arte-Sendung „Tracks“). Von Seiten der Walfanggegner wurde die Aktion als voller Erfolg gewertet.10 Die Walschützer behaupten, dass die meisten Besucher sowieso nicht wegen TÝR vor Ort waren (was auch stimmen mag) und deren Frontmann Heri Joensen nicht kennen würden (auch das mag richtig sein). Die offizielle Besucherzahl, die der Veranstalter mit 154 angibt, wird schlichtweg geleugnet, dass bei TÝR die meisten Leute vor der Bühne gestanden hätten, ebenso. Dabei war keiner der Walfanggegner auf dem Konzert. Tatsächlich hatten UNLEASH THE ARCHERS und TÝR die meisten Zuschauer, danach verließen viele Zuschauer das Konzert. Aber das sieht man dann hoffentlich auch auf den Bildern von Arte. Ansonsten beweihräuchert man sich selber und lässt sich darüber aus, wie tief das Helvete und sein Betreiber gesunken sind. Dessen Freundin arbeitet wohl in einem Zoogeschäft, der Mann muss also ein Tierhasser sein (ein Hoch auf Sippenhaft!). Auch hier wird wieder behauptet, Heri Joensen propagiere „fortlaufend“ die Grindwaljagd. Nachweise bleibt man wie immer schuldig. Man behauptet, die üblen Beschimpfungen seitens der Walfanggegner seien eine „unschöne Ausnahme“. Im Zusammenhang mit der Demo behauptet man auch triumphal, durch die Konzertabsagen seien TÝR 10.000 Besucher entgangen. Einen Nachweis, wie man auf diese Zahl kommt, wird nicht geliefert und auf wiederholtes Nachfragen reagiert man pampig. Sehr seriös.

Auch vor dem Konzert in London fanden sich einige Demonstranten ein, die genaue Zahl ist nicht bekannt, laut TÝR-Drummer Tadeusz Rieckmann sollen es gerade einmal zwei einsame Demonstranten gewesen sein, über die aber weiter nichts bekannt ist, als dass sie einen blutbeschmierten aufblasbaren Wal mit sich herumschleppten.

Auffallend ist auch, dass sich deutlich mehr Demonstranten über Facebook anmeldeten als dann tatsächlich erschienen sind. Für die Demonstrationen in Luzern und Zug meldeten sich 25 Personen an, 71 interessierten sich dafür und am Ende erschienen 17 bzw. 9 (und das waren zum größten Teil die gleichen Personen). In Oberhausen meldeten sich 74 an, 308 interessierten sich für die Veranstaltung und erschienen sind 22. Es stellt sich also schon die Frage, wie ernst es den „Tierschützern“ wirklich ist oder ob es sich nur um Sofa-Aktivisten handelt.

Man muss sämtlichen Demonstranten allerdings zugestehen, dass sie ausgesprochen friedlich waren. An den meisten Orten standen sie einfach nur mit ihren Plakaten und Kreuzen vor den Konzertsälen bzw. vor dem Stadion und sprachen allenfalls einmal vorbeikommende Leute an. In Oberhausen ging man etwas aggressiver vor, sprach Leute aktiv an, verteilte Flyer und machte Lautsprecherdurchsagen, aber auch hier blieb alles friedlich. Wer nicht wollte, der musste nicht mit den Demonstranten in Kontakt treten. Wenn man davon ausgeht, dass das auch in Zukunft so ist, dann brauchen sich Clubbesitzer und Veranstalter wohl keine Gedanken zu machen. Zu Ausschreitungen oder Gewalt wird es da eher nicht kommen.

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Der Boykott – ein Erfolg?
Aber war der Boykott denn nun ein Erfolg? Wurden die Ziele der Walfanggegner erreicht? Wenn die Demonstranten glaubten, damit Wale zu retten, dann haben sie ihr Ziel verfehlt. Kein einziger Wal wird durch Demonstrationen gegen einzelne Fußballspieler (die noch nicht einmal antreten) oder eher unbekannte Metalbands gerettet. Wie beeindruckt die Färinger von den Boykottaktionen in Deutschland sind, das zeigten sie am 07.11.2016, als in Leynar 41 Wale getötet wurden. Man wolle mit den Aktionen die Färinger zum nachdenken bringen, behauptet man. Nur: Die Demonstrationen fanden kaum einen Weg in die färöischen Medien, waren dort gerade einmal einen Artikel wert. Dann behauptet man auch, man wolle darauf aufmerksam machen, wolle die Öffentlichkeit aufrütteln. Nur, was die aufgerüttelte, aufmerksame Öffentlichkeit dann tun soll, das wird auch nicht kommuniziert. An die Organisationen spenden? Färöische Produkte boykottieren? Wenn ja, welche? Oder einfach eine unbekannte Band boykottieren? Selbst wenn das nun der aufgebrachte deutsche Verbraucher alles macht, was ist denn dann die Folge davon? Angenommen, die Walschützer hätten Erfolg und würden den Färingern wirtschaftlichen Schaden zufügen. Was würden diese dann wohl tun? Vermutlich auf die Ressourcen zurückgreifen, die ihnen kostenlos zur Verfügung stehen. Z.B. Wale. Ist das dann wirklich ein Erfolg? Ich glaube nicht.

Die Walschützer brüsten sich nun damit, der Band TÝR einen wirtschaftlichen Schaden zugefügt zu haben, da ihnen durch die abgesagten Konzerte angeblich 10.000 Zuschauer „entgangen“ seien, wie vom WDSF behauptet.11 Einen Nachweis, wie man denn auf diese Zahl kommt, liefert Jürgen Ortmüller jedoch auch auf Nachfrage nicht. Diese Zahl ist jedoch völlig aus der Luft gegriffen und kann schon alleine aufgrund der Kapazitäten der betreffenden Clubs nicht erreicht werden. Bei 10.000 Zuschauern hätte jedes Konzert von 1.428 Zuschauern besucht werden müssen. Die meisten Clubs weisen jedoch lediglich Kapazitäten weit unter 1000 Zuschauern auf. Also selbst unter der Annahme, dass jedes Konzert ausverkauft gewesen wäre, kann die Zahl von 10.000 Zuschauern schon rein rechnerisch nicht erreicht werden.

Schauen wir uns doch einmal die Zahlen im Detail an. Im Postbahnhof Club in Berlin durften TÝR nicht spielen, der Rest der Bands spielte. Bei einer Kapazität von 400 fanden sich gerade einmal 100 zahlende Gäste ein. Auch in der Alten Zuckerfabrik in Rostock wurde nur TÝR vom Konzert ausgeschlossen. Bei einer Kapazität von 200 fanden nur magere 20 Zuschauer ihren Weg in den Club. Verdammt bitter. Im Logo in Hamburg wurde die komplette Show abgesagt, keine der Bands durfte spielen. 450 Personen hätten in den Club gepasst. Als Ersatztermin sollte das Konzert dann am gleichen Tag im Tivoli in Bremen stattfinden, aber auch hier wurde das komplette Konzert abgesagt. 700 hätten es hier sein können. Da jedoch Bremen auf der ursprünglichen Tour gar nicht vorgesehen war und nur der Ersatz für die aufgrund der Boykottaktionen der Walschützer abgesagte Show in Hamburg gewesen wäre, sind hier natürlich die Zahlen für Hamburg anzusetzen. Im Café Central in Weinheim durften ebenfalls nur TÝR nicht spielen, das Konzert wurde von ca. 100 zahlenden Gästen besucht. Beim Konzert in Köln gab es ziemliche Verwirrungen. Erst sollte das Konzert in der Essigfabrik stattfinden (geschätzte Kapazität: 1000), dann sollte das Konzert abgesagt werden, dann sollte es im MTC-Club (Kapazität: 300) stattfinden. Hier stellt sich speziell die Frage, ob das Konzert nicht auch aus organisatorischen Gründen in den MTC-Club verlegt werden sollte, da die Essigfabrik für die Tour im Vergleich mit den anderen Spielstätten doch etwas überdimensioniert erscheint. Letztendlich wurde jedoch auch das Konzert im MTC-Club abgesagt und eine Ersatzshow am gleichen Tag in Oberhausen im Helvete organisiert. Hier durften TÝR spielen und es gab 154 zahlende Gäste. Die einzige weitere abgesagte Show war in Leiden im Gebr. de Nobel. Die Kapazität des Clubs ist mir unbekannt, nehmen wir einfach mal an, er hätte eine Kapazität von 1000 (auch wenn das in Anbetracht der übrigen Clubs der Tour vermutlich etwas zu hoch ist).  Das Konzert in der Galvanik in Zug (CH) wurde von 169 Gästen besucht. Man sieht also schon auf den ersten Blick, dass die Konzerte, auf denen TÝR spielen durften, offenbar durchweg besser besucht waren als die Konzerte, auf denen die Band nicht auftreten durfte. Auch konnte man vor Ort bei allen Konzerten feststellen, dass TÝR und UNLEASH THE ARCHERS deutlich mehr Zuschauer hatten als der eigentliche Headliner SIRENIA.

Und jetzt rechnen wir mal. Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass die komplett abgesagten Konzerte ausverkauft gewesen wären (auch wenn dies unwahrscheinlich ist). Dann gingen der Band folgende Zuschauer „verloren“:

Berlin – Postbahnhof               100
Rostock – Alte Zuckerfabrik      20
Hamburg - Logo                       450        
Weinheim – Café Central        100
Köln – Essigfabrik                   1000         
Oberhausen – Helvete          - 154
Leiden – Gebr. de Nobel        1000
Summe                                      2516

Frei nach Adam Riese kommt man dann also auf eine Summe von 2.516 Zuschauern, die der Band „entgangen“ sind. Nach der Konfrontation mit diesen Zahlen (bzw. sogar den Zahlen unter Berücksichtigung der Maximalbelegung) leugnet das WDSF bzw. Herr Ortmüller diese Zahlen und behauptet nach wie vor, es handele sich auf jeden Fall um „über 8000 verlorene zahlende Zuschauer“. Gleichzeit betont man, es sei ja auch egal, wie viele Zuschauer die Band verloren habe, und dass das Interesse an der Band ohnehin schwer nachgelassen habe. Auch wieder ohne Nachweise. Dass die Band TÝR schon seit Jahren in Clubs dieser Größenordnung spielt, das sagt man seinen Anhängern natürlich nicht.

Natürlich entgingen der Gruppe die Gagen für die abgesagten Konzerte. Die Band äußert sich dennoch zufrieden über den Verlauf der Tour. Auch der Merchandiseverkauf lief hervorragend, am Ende war kaum noch etwas übrig. Wirklich beindruckt zeigt man sich nicht von den Boykottaktionen.

Und auch hier trifft wieder das oben angesprochene Argument. Was, wenn die Walschützer wirklich ihr Ziel erreicht und der Band einen nennenswerten finanziellen Schaden zugefügt hätten? Würde die Band sich dann weinend im Kämmerlein verkriechen und auf ewig dem Walfang abschwören? Das Gegenteil wäre doch eher der Fall. Durch finanzielle Verluste in wirtschaftliche Not geraten, würde man an noch mehr Waljagden teilnehmen, um sich kostenlos mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Wäre das ein erfolgreicher Boykott?

Hinzu kommt, dass die Gruppe durch den massiven Shitstorm auf einmal auch Leuten unterkam, die sich eigentlich noch nie mit der Band beschäftigt hatten. Mehr als einmal konnte man lesen „Ich kannte diese Band bisher überhaupt nicht, aber mir gefällt, was sie machen.“ Auf einmal waren TÝR in aller Munde. Ebenso die Clubs, in denen die Band spielte bzw. spielen sollte. Die Walfanggegner verkünden natürlich, man habe Negativwerbung gemacht. Aber: Werbung ist Werbung, die Band ist jetzt bekannter als vorher. Vielleicht sollte sie sich sogar für die kostenlose Werbung bedanken. Auch ich habe mich bei den „Walschützern“ zu bedanken, denn durch die ganze Aktion habe ich viele nette und interessante Gespräche geführt, Freunde und Bekannte hinzugewonnen, die ich sonst wohl nie getroffen hätte. Ein aufrichtiges Danke dafür!

Die Walfanggegner sehen ihre Aktionen auf jeden Fall als Erfolg, sind fest davon überzeugt, ein Zeichen gesetzt und Menschen zum Nachdenken gebracht zu haben. Darum werden sie ihre Aktionen wohl auch auf der nächsten Tour wiederholen. Auch Paul Watson von der Sea Shepherd Conservation Society hat Boykottaktionen für die nächste US-Tour angekündigt. Einen tatsächlichen Erfolg kann ich dagegen nicht erkennen. Auch keinen Nutzen für die Wale. Dieser Boykott hat niemandem genutzt, er hat lediglich für finanzielle Verluste bei der Band sowie – und das sollte man nicht vergessen – bei den lokalen Veranstaltern gesorgt. Sei es jetzt, dass weniger Zuschauer kamen, da TÝR nicht spielten, sei es nur der erhöhte Aufwand, den man mit der Moderation der eigenen Seiten in den sozialen Netzwerken aufgrund des Shitstorms hatte. Und kleine Clubs ihrer Einnahmen zu berauben hat in meinen Augen nichts mit Tierschutz zu tun.

Dabei ist ein Boykott an sich ja nicht unbedingt schlecht. Wer meint, die Band boykottieren zu müssen, weil er ein Problem mit dem färöischen Walfang hat, der kann das ja gerne tun. Ich boykottiere in dem Sinne auch die ein oder andere Band, da ich mit dem, was Band oder Mitglieder von sich geben, absolut nicht mitgehen kann. Aber deshalb Shitstorms auf Clubs loszutreten kann nicht der richtige Weg sein. (Anne)

 

Quellen:

1 https://www.facebook.com/delfinschutz/posts/10154187043258736
2 http://www.wettbasis.com/sportwetten-news/schweiz-vs-faeroeer-13-11-2016-wm-qualifikation-2018.html

3 http://www.transfermarkt.de/pall-klettskard/nationalmannschaft/spieler/62547
4 http://www.transfermarkt.de/jumplist/nationalmannschaft/spieler/202195
5 http://your-first-way.com/uefa-weist-verantwortung-der-teilnahme-von-faeroeer-nationalspielern-an-walmassaker-zurueck-auswaertiges-amt-warnt-faeroeer-touristen/  bzw. http://www.presseportal.de/pm/111206/3388610
6 http://www.zentralplus.ch/de/news/gesellschaft/5510976/Wegen-Walen-Tiersch%C3%BCtzer-planen-Demo-gegen-Zuger-Club.htm
7 http://www.zentralplus.ch/de/news/gesellschaft/5515013/%C2%ABHoffentlich-haben-wir-Negativwerbung-gemacht%C2%BB.htm
8 http://www.tv2nord.dk/artikel/studenterhuset-ramt-af-shitstorm
9 http://www.tv2nord.dk/artikel/fra-shitstorm-til-lovestorm
10 https://www.facebook.com/delfinschutz/posts/10154210779498736?comment_id=10154211619313736&reply_comment_id=10154278464053736
11 https://www.facebook.com/delfinschutz/posts/10154210779498736?comment_id=10154211619313736&reply_comment_id=10154278464053736

Kategorie: Kolumne