20150817 Frontcover Scott Ian smallScott Ian wird noch dieses Jahr im Verlag Nicole Schmenk seine Autobiografie "Scott Ian: I'm The Man. Die Geschichte dieses Typen von Anthrax" veröffentlichen. Nicht nur ANTHRAX-Fans dürften daran interessiert sein. Vorab erhaltet ihr hier schon mal einen kleinen Einblick ins Buch mit Auszügen daraus.

Meine Laufbahn mit Anthrax kennzeichnen Entschlossenheit, Hingabe und manchmal Zufälle, glückliche wie unglückliche. Diese Story erzählt von den Errungenschaften und Herausforderungen, aber es war kein ständiges Drama. Ich hatte verboten viel Spaß und bin zu dem Schluss gelangt, dass das Musikgeschäft die irrste, unvorhersehbarste Branche überhaupt ist. Buchstäblich alles kann passieren. Indem ich über 30 Jahre lang Alben veröffentlicht und Tourneen bestritten habe, konnte ich eine Fülle erheiternder, bezaubernder Erfahrungen sammeln, was meine Band, Freunde, Kollegen und Bekanntschaften betrifft, die ich machen durfte. Ausgehend von dem Tag, als ich zum ersten Mal eine akustische Gitarre in die Hand nahm, bis zu dem Moment, da ich die Bühne des Yankee Stadium beim Big 4 Festival betrat. Geht es um Anthrax, weiß ich am besten Bescheid, und das ist meine Geschichte.

Von mir hört ihr keine tragischen Geschichten über Missbrauch, Rabeneltern und Obdachlosigkeit, die Wahl zwischen dem nächsten Schuss und der nächsten Mahlzeit oder Verstrickung in Bandenkriege und Schlägereien mit leeren Bierflaschen. Wie meine Mom zu sagen pflegt, bin ich im Herzen ein guter jüdischer Junge. [...]

Auszüge aus dem Buch:

Als wir dann auf der Bühne [in Großbritannien] loslegten, wünschte ich mir noch mehr, wieder in der Wohnung meiner Mutter zu sein. Wir spielten überdurchschnittlich gut und begeisterten das Publikum, wurden aber die ganze Zeit über bespuckt. „A.I.R." diente als Einstieg, und schon regnete es Rotz – nicht nur auf Joey und mich, sondern auch die anderen drei. Ich schlussfolgerte: ‚Oh nein, die hassen uns, verdammt!', doch als das Lied ausklang, brach die Meute in Jubel und Applaus aus. So legten wir gleich mit dem nächsten Stück nach, doch tatsächlich: Die Speichelei ging weiter. So lief es während jedes Songs. Wir fragten uns, ob es sich um eine Art Streich handelte, den man Vorgruppen spielte, doch nach der Hälfte unseres Sets erklärte einer der Jungs aus Metallicas britischer Crew: „Die rotzen drauflos, weil sie euch total geil finden! Das ist eine alte Tradition, die aus der Punkrock-Szene stammt und ‚gobbing' heißt." Ich dachte nur: ‚Würden sie uns bloß nicht so geil finden ...'

Zum ersten Mal hatten wir im Mai 1986 in Großbritannien gespielt, und zwar im Londoner Hammersmith Palais, wo wir nicht bespuckt, aber trotzdem mit offenen Armen empfangen worden waren. Anscheinend handelte es sich bei diesem Gerotze um eine relativ neue Mode, die englische Punk-Fans Mitte bis Ende der Siebziger bei Konzerten eingeführt hatten. Im Metal hielt sie sich nicht lange – Gott sei Dank –, doch wir standen zufällig in der Schusslinie, als es in war wie nie. Wie gut, dass Billy Milano nicht mit uns reiste; er hätte sich das ganze Publikum vorgeknöpft. Metallica wurden doppelt so nass gemacht wie wir.

Während des Basssolos stand Cliff allein im Scheinwerferlicht. Sein Kopf ging auf und nieder, sodass man nur noch Haare sah, während er von Speichel getroffen wurde, sodass man sich an Motten erinnert fühlte, die im Sommer um eine Straßenlaterne schwirrten. Zahllose Rotzklumpen landeten in seinem Haar, und es stank wie schlechter Atem. Man durfte echt froh sein, dass diese Clubs mit Duschen ausgestattet waren. Uns bespuckte man später nur einmal wieder, 1989 in Irland als Headliner. [...]

Meine Mutter meinte, sie freue sich für mich, und nahm mich in die Arme. Ich glaubte, ich war stolz darauf, dass wir als Hauptattraktion im Madison Square Garden spielten und meine Eltern dort waren, um uns zu sehen. Unsere Umkleide platzte vor Besuchern, und wir einigten uns darauf, sie nicht vom Tourmanager nach draußen bitten zu lassen, wie wir es sonst eine halbe Stunde vor Konzertbeginn taten; dieser Moment musste gefeiert werden. Fünf Minuten vor Beginn der Show verließen wir den Raum und machten uns auf den Weg zur Bühne. Ich konnte nur daran denken, dass ich in Gene Simmons Fußstapfen trat. Unsere Intro-Musik setzte ein, darüber hörte ich die schrille Stimme meiner Mutter: „Scott!" Ich ging davon aus, sie wolle mir noch einmal gratulieren und mich umarmen oder küssen, um mir Glück zu wünschen. Lächelnd drehte ich mich um.

„Ich habe meine Jacke drinnen vergessen! Wie soll ich die je wiederbekommen? Überall diese Sicherheitsmänner, und ich weiß nicht mehr genau, welche Tür es war. Kannst du sie bitte für mich holen?"

Ich musste tatsächlich laut lachen, weil diese Situation aberwitzig war. Da hatte ich mit einer Szene gerechnet, die einen Schnappschuss wert gewesen wäre, von wegen Mom würde mir gestehen, wie hoch sie mich achtete, doch statt diesem kleinen Zusatzsieg mit auf die Bretter zu nehmen, musste ich vor meiner großen Stunde zurücktreten, um wieder in die Umkleide zu hetzen, die Jacke der Frau zu beschaffen und rechtzeitig zum Einstieg in unser Programm auf die Bühne gelangen.

Zum Glück bekam ich es pünktlich hin, und die Show im Madison Square Garden lief genau so, wie ich es mir erhofft hatte, vor allem wegen Chuck D und Flav, die sich für „Bring The Noise" zum ersten Mal überhaupt vor ein ausverkauftes Haus in New York stellten. Wir kamen so gut an, dass wir ahnten, das Ding sei Gold wert. [...]

Einige Tage später erhielt ich einen Anruf von VH1, die mir anboten, The Rock Show zu moderieren. Da sie entschieden hatten, Canes Vertrag nicht zu verlängern, wollten sie, dass ich nach New York flog, um die Sendung versuchshalber zu übernehmen. Die Macher erklärten mir, ich würde Rock- und Metal-Videos vorstellen, Nachrichten aus der Szene vortragen und Gäste interviewen. Letzteres machte mich ein wenig beklommen; ich bin kein Talkmaster und fühlte mich ausdrücklich nicht wohl dabei, derjenige zu sein, der die Fragen stellte. Ich sollte Kollegen verhören – Freunde. Allein beim Gedanken daran lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Ich bat darum, das Programm ohne Gäste abzuwickeln, doch sie verneinten, also schluckte ich die Kröte und machte mich auf das Schlimmste gefasst. [...]Meine liebste Episode von allen ist jene, in der ich zu Halloween mit Ozzy Osbourne plaudern durfte. Ironischerweise fing es katastrophal an, aber dass wir ihn an Land ziehen konnten, war ein beachtlicher Coup – eine kleine Sensation! Er machte gerade in New York Promotion für sein Album Down To Earth, und mein Interview sollte sein letztes an dem Tag sein. Er hatte morgens um sechs in der Howard Stern Show begonnen und sich bis zu unserer Sendung um 16 Uhr belabern lassen. Ich konnte sehen, dass er erschöpft war. Man hatte das Studio anlässlich Halloween geschmückt, und ich trat komplett als Gene Simmons kostümiert mit vollständiger Schminke, aber trotzdem Glatze und Kinnbart auf.

Ozzy und ich waren seit jener gemeinsamen Tournee 1988 miteinander befreundet, also freute ich mich sehr darauf, mit ihm dazusitzen und Anekdoten auszutauschen. Nach mittlerweile Dutzenden Gästen legte ich genügend Selbstbewusstsein an den Tag, was meine Fähigkeiten als Interviewer betraf. Der Produzent meinte, Ozzy sei im Vorfeld darauf hingewiesen worden, dass ich mich zu Halloween als Gene Simmons herausputzte, aber als er mit Sharon eintrat, erkannte ich von der gegenüberliegenden Seite des Saales aus, dass er ernsthaft missfällig dreinschaute. Schließlich kam der Gesprächsteil. Ozzy kam, und ich spürte, dass ihm etwas nicht passte. Nachdem er mich schief angesehen hatte, suchte er Sharons Blick. Er war fahrig, und man bemerkte eindeutig, dass er am liebsten nicht dagewesen wäre.

Wir begannen die Unterhaltung, wobei ich die wesentlichsten Fragen zu seiner neuen Scheibe stellte, etwa wie sich der Aufnahmeprozess gestaltet habe und so weiter. Ozzy antwortete knapp und kurz angebunden, derweil er mich anschaute wie jemanden, den er nicht kannte. Ich geriet nunmehr in Panik, weil ich glaubte, mit Ozzy Osbourne Scheiße zu bauen. Die gesamte Vorfreude auf mein größtes Interview verflüchtigte sich sogleich durch meine Demon-Schminke. Der Regisseur rief „Schnitt!" und bat alle, fünf Minuten zu warten, damit man für eine andere Einstellung umbauen konnte. So kam es, dass Ozzy und ich in spürbar ungemütlicher Stille sitzenblieben. Die Visagistin kam herüber und nestelte an meinem spitzen Haaransatz, während ich versuchte, meine Beunruhigung nicht nach außen dringen zu lassen, aber mir war wirklich schleierhaft, was ich als nächstes sagen sollte.

Ich verstand einfach nicht, warum Ozzy keinen Wert auf eine Unterhaltung mit mir legte. Der Regisseur sagte „Action", und bevor ich eine weitere Frage stammeln konnte, fiel mir auf, dass mich mein Gast absichtsvoll anstarrte. Er kam näher mit dem Gesicht heran, um mich besser zu sehen. Just als ich eine Kopfnuss erwartete, lächelte er aber und sagte: „Du bist es ... Du, Mann. Scott, du bist es doch, oder? Jawohl. So was, das ist Scott!" Ich war zutiefst erleichtert und entgegnete: „Genau, Ozzy, ich bin es. Ich dachte, du wüsstest das.

Da rief Sharon: „Mensch, ich sagte dir doch, dass sich Scott Ian unter der Schminke verbirgt", und er erwiderte. „Ich dachte, du seist irgendein Penner, der einen auf Kiss macht, und konnte die Glatze nicht zuordnen. Warum ich so ein blödes Interview hier machen soll, leuchtete mir nicht ein." Er umarmte mich herzlich und fuhr fort: „Fangen wir wieder von vorne an." Eine Viertelstunde später waren wir fertig. Es hatte uns beiden viel Spaß gemacht, und ich freute mich darüber, dazu gekommen zu sein, mich im Rahmen der Sendung mit einem meiner Idole hingehockt und gesprochen zu haben – auch als Penner mit Gene Simpsons Kriegsbemalung. [...]

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(Quelle: Verlag Nicole-Schmenk)

 

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