Zeraphine - Blind Camera

Die Berliner Jungs von ZERAPHINE werfen mit "Blind Camera" bereits ihr drittes Silberscheibchen auf den Markt - war das Debüt "Kalte Sonne" aus 2002 noch komplett mit deutschen Texten versehen, wechselte Sänger Sven Friedrich mit dem Nachfolger "Traumaworld" nur ein Jahr später fast vollständig zur englischen Sprache.
2005 bieten die fünf eine gesunde Mischung aus beidem und entscheiden von Song zu Song, welche Sprache besser passt - auch was die Stilrichtung angeht, haben sich Sven & Co. vielseitiger entwickelt - zeitweise recht elektrisch und synthetisch geraten, meist jedoch unter dem Deckmantel des alternativen Gitarrenrocks mit diversen Anleihen aus dem Gothic-Bereich präsentieren sich ZERAPHINE in bester Analogie beispielsweise zu THE MISSION und ein wenig SISTERS OF MERCY.

Der Opener "I Never Want To Be Like You" ist erfreulich schnell und rockt eingängig, könnte zwischenzeitlich allerdings durchaus ein wenig elanvollere Vocals vertragen - danach ist "Die Macht In Dir" sehr melodiös und frisst sich mit dem Refrain regelrecht ins Gedächtnis des Hörers.
Insgesamt drei kurze Instrumentals namens "Blind Camera I, II & III" ziehen sich durch das Album - vor "I Feel Your Trace" setzt sich das sehr synthetische Plätschern als nette, aber nicht nachhaltige Überleitung vor einem weiteren eingängigen ruhigen und gitarrenlastigen Track.
Dass ZERAPHINE den Dreh raus haben, Melodien und Songs aus dem Ärmel zu schütteln, die auf das erste Hören ein wenig einfach gestrickt erscheinen, deren Eingängigkeit und Charme man sich aber kaum entziehen kann, beweisen sie erneut mit dem sehr gemäßigten Rocker "Die Welt Kann Warten". Auch das zeitweise noch ruhigere "Kaltes Herz" schlägt in die gleiche Kerbe und zeigt, dass die Songs zwar alle ähnlich wirken, aber durchaus ihre eigene Seele besitzen - einzig zu bemängeln ist Svens Stimme, die fast durchgängig einen Hauch zu schwermütig, ja fast ein wenig uninteressiert wirkt.
"Hollow Skies" entpuppt sich als veritabler Rocker und "I'm Numb" spielt besonders deutlich mit den unterschiedlichen Instrumentierungen zwischen Refrain und Strophe, die der eigentlich etwas sterilen synthetischen Nummer ihren speziellen Reiz verleihen.
ZERAPHINE gelingt allerdings in fast jedem Song das kleine Kunststück, mit diesen Instrumentierungen zu variieren, ohne dass es dem Hörer "so nebenbei" überhaupt bewusst auffällt.
Mit "Jede Wahrheit" kommt dann wieder etwas Schwung in die Bude, die mit dem zweiten Instrumental zwar kurzzeitig wieder unterbrochen, jedoch durch "Falscher Glanz" unmittelbar weiter geführt wird.
Kaum zu glauben, aber wahr - denn mit "River Of You" bringt das Quintett doch tatsächlich noch eine Ballade zum Besten - die hätten sie sich allerdings doch besser gekniffen, kennzeichnet sie doch deutlich den Schwachpunkt auf "Blind Camera".
Da überzeugt "When Walls Arise" doch deutlicher, auch wenn der Song nicht wirklich "flotter" angelegt ist. Bleiben das dritte Instrumental und der letzte Track "Until I Finally Drown" - der einen würdigen, fast majestätischen Abschluss bildet.

ZERAPHINE liefern ein nettes Album mit vielen gelungenen Kompositionen ab, die aber fast allesamt das Manko haben, kaum "aus dem Quark" zu kommen und zudem an dem deutlich gelangweilt wirkenden Gesang schwächeln - dagegen kann auch das beste Songwriting kaum ankommen. Potential haben Sven, Norman (Gitarre), Manuel (Gitarre), Michael (Bass) und Marcellus (Drums) durchaus - und die Variation Englisch/Deutsch hat durchaus ihren Charme - aber ein wenig mehr Pepp könnte trotz des Gothic-Charakters sicher nicht schaden.
Übrigens - wem das herkömmliche Album alleine nicht reicht, kann die limitierte Version erwerben, die eine DVD mit 45 Minuten Video enthält.

Anspieltipps: "Die Macht In Dir", "Kaltes Herz", "Until I Finally" (Naglagor)

Bewertung: 7,0 / 10



Anzahl der Songs: 15
Spielzeit: 47:03 min
Label: Drakkar
Veröffentlichungstermin: 17.01.2005
Kategorie: CD-Reviews