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gotthard tourflyerJubiläen wollen gefeiert werden und so begehen die Schweizer Hardrocker ihr fünfundzwanzigjähriges standesgemäß mit einem neuen Album und der dazugehörigen Tour. Dabei ist das silberne, welches sich auch im Titel ihres aktuellen Longplayers widerspiegelt, im Musikbusiness ein eher kleines. Man muss aber auch bedenken, dass die Protagonisten der Band zuvor in anderen Bands unterwegs waren, bevor sie unter der Ägide ihres alten Managers Chris von Rohr zusammen fanden. Ebenso lange im Geschäft sind die Dänen von PRETTY MAIDS, die lange vor dem GOTTHARD-Debüt als heißestes Eisen im Hard´n´Heavy-Sektor gehandelt wurden. Warum sie an dem Abend dennoch nur Support sind, dafür gibt es sicher Gründe, das Geschäft meinte es nicht immer gut mit den Dänen. Für Freunde des harten Rock wurde da aber ein sehr lohnenswertes Paket geschnürt, welches auch in der Saarbrücker Garage Station machte.

PRETTY MAIDS
Dabei sollte man annehmen, dass die Vorband im Kreise der Anhänger der Eidgenossen durchaus ein Begriff sind. Gespräche vor Konzertbeginn widerlegten dies allerdings, nicht ganz so musikverrückte konnten mit dem Namen nichts anfangen. Was den Herren natürlich die Möglichkeit eröffnet, genau diese abzuholen und auf ihre Seite zu ziehen, bei vielen anderen brauchten sie dies nicht mehr zu tun. Durch dieses schöne Pendel zwischen Interesse und Abfeiern war natürlich die Stimmung von Beginn an gut, selbst wenn die Männer aus dem Norden erstmal neues Material unter das Volk streuten.
Das wirkte sich aber nicht negativ auf den Zuspruch aus, viele ihrer anwesenden Fans wussten auch jene Songs mitzusingen und die Band gab von Beginn an Vollgas. Dazu klangen die Stücke ansprechender als auf Platte, die Gitarren waren nicht so stark nach unten getunt und klanglich kann man live zum Glück wenig komprimieren. Hier muss man gleich mal den oft gescholtenen Sound in der Garage loben, denn an dem Abend war der trotz hoher Lautstärke in Ordnung. Alles war sehr differenziert zu vernehmen, sogar die bei den PRETTY MAIDS nicht unwichtigen Keyboards kamen zur Geltung.

Die Fünf wissen mit all ihrer Erfahrung natürlich, wie man eine Rockshow bietet, alleine die schon aufgebaute Produktion des Headliners hinderte sie ein wenig in ihrem Spielraum. Vor allem, dass der weniger bewegliche Ken Hammer, dem das Alter schon zusetzte, den meisten Platz hatte, war etwas unglücklich. So mussten sich Bassist Rene Shades und Keyboarder Chris Laney auf ihrer Seite mit geringem Aktionsspielraum zufrieden geben. Vor allem den agilen Viersaiter müsste das etwas genervt haben, immer wieder sprang er hibbelig herum, konnte aber nicht die weiten Wege wie auf Open Air-Bühnen gehen. Vor allem wenn sich Laney seine Ibanez umhängte, um bei härteren Stücken Ken Hammer zu unterstützen. Das tat aber ihrer Spielfreude offensichtlich keinen Abbruch, denn die Mucker schienen bester Laune und alberten auf den Brettern herum.

Dazu gab es auch allen Anlass, denn das Feedback des Publikums fiel fast schon euphorisch aus, mit so viel Engagement hatte man dieses schnell gepackt. Als dann natürlich die ersten Klassiker eingestreut wurden, gab es ohnehin kein Halten mehr und die Truppe wurde mit Sprechchören gefeiert. Eigentlich hätte man sich das kurze Anstimmen von „Another Brick In The Wall“ sparen können, man hat genug eigenes Material in der Hinterhand. Allerdings konnte man damit die weniger mit der Band vertrauten vor der Bühne aus der Reserve locken. Wobei die Setlist einen kleinen Schönheitsfehler zu bieten hatte, wieso zur Hölle gab es vom „Future World“-Album die Kitschnummer, während „Yellow Rain“ im Köcher blieb. Womöglich verlegte man sich im Vorprogramm von GOTTHARD dann doch eher auf Partytaugliches Material ohne textlichen Tiefgang.

Für Party war auf jeden Fall gesorgt, speziell am Ende als es die absoluten Mitsinghymnen die Meute mobilisierten und die Fan-Fraktion sich lautstark bemerkbar machte. Ein bisschen Unterstützung beim Gesang hatte Ronnie Atkins allerdings auch nötig, ähnlich wie bei seinem langjährigen Partner gingen die Jahre nicht spurlos an ihm vorüber. Gerade die hohen Lagen musste er immer wieder gekonnt umschiffen, und so mancher Phrasierung fehlte der nötige Druck in der Lunge. Natürlich konnte sich der Frontmann auf sein charakteristisches Timbre und seinen Bühnenpräsenz verlassen, doch einige merkliche Abstriche musste man schon machen. Da brachte Drummer Allan Tschicaya etwas mehr für das Auge, seine weit ausholenden Bewegungen und sein harter Schlag boten schon ein hohes Unterhaltungspotential. Dazu trieb er seine Mitstreiter mit vielen kraftvollen Breaks immer wieder nach vorne.

Bei einem Song ging er kurz von der Bühne, um eine junge Dame namens Jessica, welche den Herren optisch sowas von die Show stahl, hoch zu holen. Diese stellte sich als Merchandiseverkäuferin der Band heraus, die zudem auch mit Drumsticks umzugehen wusste, was man nicht alles bei Gesprächen im Tourbus herausfindet. Da konnte sie dem erst jüngst genesenen Drummer eine kleine Verschnaufpause gönnen. Nach anfänglicher Nervosität gab sie am Ende richtig Gas, haute die Breaks mit richtig Laune heraus und stand den erfahrenen Recken in Sachen Spielfreude in Nichts nach. So ein kleines Intermezzo sieht man nicht alle Tage, normal steht ja der Typ, der nicht spielen kann am Merch. Das war dann der Startschuss zum großen Finale ihrer großzügigen Stunde, mit dem die Dänen jeden der Anwesenden überzeugen konnten.

 

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Setlist PRETTY MAIDS:
Mother Of All Lies
Kingmaker
Face The World
Rodeo
I.N.V.U.
Bull´s Eye
Little Drops Of Heaven
Back To Back
Red, Hot And Heavy
Love Games
Future World

GOTTHARD
Damit war natürlich die Meute schon gut angewärmt für den Hauptact, der sich eine halbe Stunde später auf die Bühne bequemte. Dass Nic Maeder zu Beginn ganz alleine heraus kam, war ein Zeichen, wie sehr der Mann mittlerweile im Bandgefüge als auch bei der Anhängerschaft akzeptiert ist. Sein Publikum liegt ihm mittlerweile ebenso zu Füßen, wie sie es schon bei seinem Vorgänger taten. Bereitwillig ließ sich die Menge von ihm diktieren, selbst so manche bewegungsunwillige Person sang mit dem Handy in der Hand mit. Die hagere Erscheinung hat sich zu einem echten Frontmann gemausert, der lässig in Rockstaroutfit mit Schal und Hütchen an vorderster Front herum spazierte.

Die Stimmung innerhalb der Formation ist ausgesprochen gut, die Laune der Musiker blendend, überall nur fröhliche Gesichter, in denen der Spaß am eigenen Vortrag abzulesen. Dabei musste man kurzfristig den etatmäßigen Schlagzeuger Hena Habegger ersetzen, der wegen gesundheitlichen Problemen die Tour nicht bestreiten konnte. Aber mit Dani Löble von HELLOWEEN hat man sich einen echten Profi ins Boot geholt, der sich prima einzufügen verstand. Der war froh darüber, während seine Stammkapelle ihre Reunionstour vorbereitet, ein wenig spielen zu dürfen.
Wenn dann Musiker miteinander proben und jammen, dann kommen sie mitunter auch auf verrückte Ideen. Während des Bass-Solos kam er nach vorne und bearbeitete die Saiten von Marc Lynns Langholz mit seinen Sticks, während der an den Bünden die Töne vorgab. Dabei erzeugten die beiden eine eigentümliche Rhythmik, die Reaktionen von bloßem Staunen bis zum Jubel hervor rief. So etwas habe ich auch noch nie gesehen, definitiv eine der besseren und interessanteren Einlagen.

Da war es selbstverständlich, dass die Formation wie gewohnt fast blind zusammen spielte, und einen druckvollen, kantigen Sound durch die Boxen jagte. Der fiel auch hier gut aus, vielleicht noch ein Stückchen lauter als beim Opening Act. Neben dem tighten instrumentalen Spiel saßen auch die mehrstimmigen Gesänge, vor allem in den Refrains, perfekt auf den Punkt. Dabei hatten die Saitenartisten oft Mühe, sich rechtzeitig zu ihrem Einsatz an einem der Mikrofone einzufinden. Der sich nach Abbau der PRETTY MAIDS-Backline bietende Platz wurde ausgiebig genutzt, GOTTHARD könnten noch weit größere Bühnen mit ihrer Ausstrahlung füllen..

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Allen voran der immer wieder mit dem Publikum flirtende Leo Leoni, ein sympathischer Kumpeltyp, der seine Soli zelebriert. Dabei hielt er die Gitarre immer so, dass man ihm möglichst gut auf die Finger schauen konnte. Außer natürlich, wenn er seine Gibson hoch nahm und hinter seinem Kopf spielte, was ihm jedes Mal Szenenapplaus einbrachte. Auf der anderen Seite mimte Freddy Scherer mit Bärtchen, Bandana und Mütze den Coolen, poste immer mit Marc Lynn, der seinen wieder gewonnen Haarpracht zum ausgiebigen Matte schütteln nutze. Optisch war man mit viel Jeans und Karowesten stark an den Anfangstagen orientiert, was den langjährigen Fans auch ein Gefühl von Vertrautheit bietet.

Die Schweizer spielen ohne Netz und doppelten Boden, ein pure Rockshow ohne allzu viel Schnickschnack. Der Fan stand im Vordergrund und wurde immer wieder in das Geschehen integriert, wenn es sein muss, auch direkt auf der Bühne. Durften bei der letzten Tour ein paar Zuschauer einen Backing Chor geben, so bat Nic Maeder dieses Mal eine Dame zum Tanz nach oben. Dieser schien die heiße Sohle auf dem Parkett zu gefallen, trotz höherer Absätze bewegte sie sich sicher.
Und wo wir schon beim Tanzen waren, wurde es noch heißer, die Ansage des nächsten Songs ließ vor allem die Jünger des härteren Stoffs freudig aufhorchen. Und tatsächlich bekam der Verfasser dieser Zeilen endlich den Klassiker des Debüts livehaftig zu hören. Nicht nur bei ihm sorgten die schweren Riffs der Nummer für erhöhten Hüpfalarm und besonders lautes Mitsingen. Überhaupt standen wieder deutlich mehr Songs aus den ersten beiden Alben auf der Speisekarte, welche damals so erfolgreich den Grungewirren trotzen.
Im Vergleich zum letzten Mal wurden die jüngsten Werke nicht so sehr beachtet, die Zeichen standen auch bei der Setlist schon klar auf Jubiläum. Die mittlere Karrierephase geht mit Ausnahme des famosen „Lipservice“ immer etwas unter, doch auch da bewiesen GOTTHARD an dem Abend ein gutes Händchen. In der Mitte nahm man gewohnt ein wenig das Tempo heraus und präsentierte auf Barhockern gleich vier Mal Lagerfeuerromantik. Doch hinten heraus wurde dann nur noch gerockt, so dass der Beifall nach einhundert Minuten lange nicht abklingen wollte. (Pfälzer)

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Setlist GOTTHARD:
Silver River
Electrified
Hush
Stay With Me
Mountain Mama
Remember It´s Me
Feel What I Feel
-Basssolo-
Sister Moon
What You Get
One Life, One Soul
Let It Be
Angel
Heaven
Miss Me
Firedance
Top Of The World
-Drumsolo-
Lift It Up
----------------------------------------------------------------
Standing In The Light/Come Together/All We Are
Anytime Anywhere

(Fotos: Pascal)

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