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live 20160402 0001 avantasiaEigentlich habe ich AVANTASIA ja auf dieser Tour schon gesehen. Aber eigentlich gucke ich mir AVANTASIA auch immer in Fulda an. Was also tun? Natürlich einfach zweimal AVANTASIA gucken. Einmal in meiner Heimat und einmal in Tobias Sammets Heimat. So einfach kann das sein. Ich komme mehr als rechtzeitig in Fulda an und hoffe auf einen guten Platz im Parkhaus. Doch vor Ort findet sich schon eine unglaubliche Schlange vor der Esperantohalle und im Parkhaus bekomme ich auch noch gerade so einen Parkplatz. Naja. Immerhin habe ich schnell raus, wo der Presseeingang ist (im Gegensatz zu vielen Konzertbesuchern, die sich immer wieder am Presseeingang sammeln und dann zum Ende der langen Schlange geschickt werden müssen).

Als sich die Türen öffnen, spielen sich Szenen ab, die man sonst nur von Boygroupkonzerten kennt. Mädchen stürmen kreischend nach vorne, und sprinten in die Halle, um die besten Plätze zu erhaschen. Und dabei lassen geschätzte 99,9% der Zuschauer Herbie Langhans, der im Eingangsbereich herumsteht und mit dem ein oder anderen ein Schwätzchen hält, im wahrsten Sinne des Wortes links liegen. Nun denn. Der Einlass im Presse- und Gästebereich verzögert sich und läuft auch später nur stockend, trotzdem schaffen wir es alle rechtzeitig neben die Bühne. Was unter anderem auch daran liegt, dass AVANTASIA nicht wie angekündigt um 19:00 Uhr anfangen, sondern erst um 19:30. Wobei ich mir vorstellen könnte, dass dies der Tatsache geschuldet ist, dass schlicht und einfach noch gar nicht alle Zuschauer in der ausverkauften Esperantohalle sind.

AVANTASIA
Zu den Klängen von „Also sprach Zarathustra“, einem Intro, das man auch schon auf der letzten Tour benutzt hat, betreten die einzelnen Bandmitglieder die Bühne, bevor zum Opener „Mystery Of A Blood Red Rose“ (und ich muß sagen, nach Single-Auskopplung, Albumtrailer und ESC-Gedöne kann ich den Song – obwohl er nicht schlecht ist – langsam nicht mehr hören) unter tosendem Jubel auch Tobias Sammet auf der Treppe erscheint. Passend zum Songtitel fliegen auch gleich die ersten Rosen auf die Bühne, wo sie ein eher trauriges Dasein fristen. Dafür ist die Bühne aber auf dieser Tour erstmals richtig aufwändig, angelehnt an das Cover der aktuellen Scheibe „Ghostlights“, gestaltet und macht ordentlich was daher. Auch Michael Kiske, der bei „Ghostlights“ zum ersten Mal in Erscheinung tritt, wird mit tosendem Applaus bedacht, genau wie Ronnie Atkins, der zu „Invoke The Machine“ die Bühne betritt und sich wie schon auf der letzten Tour packende Gesangsduelle mit Tobi liefert. Als ich aus dem Fotograben komme, will ich mir erst mal was zu trinken gönnen. Aber obwohl nur einer vor mir ist, dauert das Unterfangen doch einen halben Song (recht schnell für Fuldaer Verhältnisse). Die Häässe sind eben gedieesche unn lasse sich net hetze.

Besonders viel Applaus bekommt auch Bob Catley, das Rockurgestein, das mal locker Tobis Vater sein könnte, die Bühnen diese Welt bereits rockte, als klein Tobi noch mit der Trommel um den Christbaum gerannt ist und hier trotzdem seinen jüngeren Kollegen in nichts nachsteht. Und auch Jorn Lande wird begeistert begrüßt und muss dann erstmal unter Tobis Ansagen leiden. Der erzählt dem Publikum – wie wohl auf allen Konzerten der Tour – die Legende vom standhaften Wikinger Jorn Lande, der auch nach einer durchzechten Nacht morgens um 8:00 Uhr im Tourbus noch so engelsgleich norwegische Volkslieder intoniert, dass es niemand wagt, ihm zu sagen, dass er mal die Fresse halten soll. Jorn, der wohl nur die Hälfte davon versteht ermahnt den Sänger „Tobi! Be nice!“ Der geht dann aber dazu über, seine Heimatstadt über den grünen Klee zu loben und sich zu freuen, dass so viele Fuldaner (nicht Fuldarer, wie Jorn vermutet – wieder was gelernt) erschienen sind, als es offenbar „Ruhrgebiet!“-Zwischenrufe gibt. Was Tobi dann nur mit „Ruhrgebiet? Was hast du denn für ein scheiß Navi?“ kommentiert.

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Doch für seinen Sangespartner Jorn hat er am Ende nur lobende Worte übrig, auch wenn die im Tobistyle vorgetragen werden. „Hammer! Und neben sowas muss man dann den ganzen Abend singen!“ wird das großartige „Lucifer“ vom aktuellen Album von ihm kommentiert.

Vor lauter Gelaber und wenn man dann auch noch so nahe an Oliver Hartmann mit dem 3,0-er Abi und dem enormsten Selbstbewusstsein der ganzen Band steht, da kann man als Tobias Sammet schon mal aus dem Konzept kommt und „The Watchmaker’s Dream“ kurzerhand als „The Great Mystery“ ansagen. Aber die Wuselgedanken von Wuseltobi merken das sofort und so gibt es schnell die korrekte Ankündigung. Eric Martin macht Fulda kurzerhand zu Tobitown und ist ganz begeistert von den vielen Familienmitgliedern und Freunden von Tobi, die erschienen sind. Und natürlich von den vielen, vielen Kindern, sprich Fans (ein Königreich für einen Platz in der ersten Reihe und ein Schild "Tobi, ich bin ein Kind von dir" in just diesem Moment!). Und weil er selber so glücklich ist, beglückt Eric Martin anschließend die Stadt mit „The Wicked Symphony“ bei dem Oliver Hartmann, Jorn Lande, Amanda Somerville, Eric Martin und Herbie Langhans ganz ohne Tobi singen. Herbie Langhans, der sonst als Backgroundsänger eher im Hintergrund steht, kann da gleich vorne bleiben, denn mit „Draconian Love“ gibt es nun den einzigen Song, bei dem er Leadsänger ist. Schade eigentlich, denn live gefällt mir Herbie Langhans noch besser als auf Platte, den dürfte man in Zukunft gerne öfter einsetzen, wenn es nach mir ginge.

Großartig intoniert ist auch „Farewell“ vom ersten AVANTASIA-Album, bei dem Tobias Sammet behauptet, es von CELINE DION geklaut zu haben. Aber: „eigene GEMA-Nummer, eigener Song, Arschlecken“. Hier hat Amanda Somerville dann ihren größten Auftritt; auch sie wird meiner Meinung nach zu selten eingesetzt. Über Tobias Sammets Heldenverehrung von Michael Kiske kann man auch streiten, aber da er laut Tobi ja eigentlich „für diesen ganzen Zirkus“ verantwortlich ist, wollen wir das mal noch grade so durchgehen lassen. Nachhilfe in Fuldaer Stadtgeschichte gibt es ja auch noch gratis dazu. Denn anscheinend befand sich an der Stelle der heutigen Esperantohalle wohl mal der Jugendclub von Fulda, wo ein Michael Kiske vor vielen Jahren auch schon einmal auf der Bühne stand („Du hast schon hier gespielt, als hier noch nicht hier war!“). Zu „Shelter From The Rain“ greift sich Bob Catley das Mikro und eröffnet dem Publikum, dass dies vorerst eine seiner letzten Shows mit AVANTASIA ist, da er sich jetzt erstmal mehr um seine eigene Band MAGNUM kümmern muss, bei denen auch ein neues Album und eine neue Tour angedacht sind.

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„Jetzt sind wir an dem Punkt der Show angekommen, an dem normale Bands nur noch 30 Jahre alte Songs spielen“ beginnt Tobi seine Ansage. Und ja, auch ich bin fest davon überzeugt, dass, sollte es AVANTASIA in 30 Jahren noch geben, „Let The Storm Descend Upon You“ immer noch auf der Setlist stehen wird. Einfach ein großartiger Song, der von Anfang an begeistert und live fast noch besser ist als auf Platte. Da merkt man gar nicht, wie die Zeit verfliegt. Und die ist wirklich wie im Flug vergangen, nach „Avantasia“, „Twisted Mind“ und „Dying For An Angel“ ist das Konzert auch schon zu Ende. Aber es gibt ja auch noch die Zugabe. „Lost In Space“ ist der bisher kommerziell erfolgreichste Song des Projektes, dennoch sind AVANTASIA nach wie vor ein „No-Hit-Wonder“, wie Tobias lachend feststellt. Nichtsdestotrotz wird er aber auf der nächsten Tour, so es denn eine geben sollte, auch wieder in Fulda spielen, denn „Ich hab‘ ja nicht so weit.“. Zum großen Finale, dem Medley aus „Sign Of The Cross“ und „The Seven Angels“ stehen dann alle auf der Bühne und singen die Song gemeinsam, bevor mehr als drei großartige Stunden Konzert zu Ende gehen.

AVANTASIA haben mal wieder nicht gekleckert, sondern geklotzt. Die Bühne macht, auch wenn sie architektonischer Kokolores ist, ordentlich was daher und sieht doch deutlich besser aus als die Bühne der letzten Tour. Das Backdrop wird mehrfach während der Show gewechselt, drei verschiedene gibt es insgesamt. Mein großer Respekt geht insbesondere an Felix Bohnke, der da knallhart mehr als drei Stunden durchgedrumt hat. Das muss man auch erstmal leisten. Begeistern konnte auch immer wieder Sascha Paeth, der meist mit geschlossenen Augen seine Gitarre bearbeitete, bis er hinterrücks von seinen singenden Kollegen belästigt wurde. Und sicher, in der Zeit, in der Tobi seine mal mehr, mal weniger intelligenten Laberanfälle, getarnt als Ansagen, hatte, hätte man auch noch zwei bis drei Songs unterbringen können. Aber hey, ein Konzert mit Tobias Sammet wäre kein Konzert mit Tobias Sammet, wenn nicht mindestens 15 Minuten für Dummgelaber draufgehen würden. Man mag mich ja für einen Masochisten halten, aber ich hör das ganz gern. Leider war er in Fulda nicht ganz so lustig wie in Saarbrücken, wo er doch einige Brüller rausgehauen hat. Vielleicht muss er in der Heimat ja den Feinen machen…

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Einziger Wermutstropfen: „Master Of The Pendulum“ hat es nicht in die Setlist geschafft. Jetzt mal ernsthaft, Tobi, der Jorn hätte das singen können! Alles in allem war das Konzert jedoch – wie auch eigentlich gar nicht anders zu erwarten – sehr, sehr großartig. (Anne)


Setlist AVANTASIA:
Intro: Also sprach Zarathustra
Mystery Of A Blood Red Rose
Ghostlights (mit Michael Kiske)
Invoke The Machine (mit Ronnie Atkins)
Unchain The Light (mit Ronnie Atkins, Michael Kiske)
A Restless Heart And Obsidian Skies (mit Bob Catley)
The Great Mystery (mit Bob Catley)
The Scarecrow (mit Jorn Lande)
Lucifer (mit Jorn Lande)
The Watchmakers' Dream (mit Oliver Hartmann)
What's Left Of Me (mit Eric Martin)
The Wicked Symphony (mit Oliver Hartmann, Jorn Lande, Amanda Somerville, Herbie Langhans, Eric Martin, ohne Tobias Sammet)
Draconian Love (mit Herbie Langhans)
Farewell (mit Amanda Somerville, Michael Kiske)
Stargazers (mit Michael Kiske, Jorn Lande, Ronnie Atkins, Oliver Hartmann; ohne Tobias Sammet)
Shelter From The Rain (mit Michael Kiske, Bob Catley)
The Story Ain't Over (mit Bob Catley)
Let The Storm Descend Upon You (mit Jorn Lande, Ronnie Atkins)
Promised Land (mit Jorn Lande)
Reach Out For The Light (mit Michael Kiske)
Avantasia (mit Michael Kiske)
Twisted Mind (mit Eric Martin, Ronnie Atkins; ohne Tobias Sammet)
Dying For An Angel (mit Eric Martin)
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Lost In Space (mit Amanda Somerville)
Sign Of The Cross / The Seven Angels (Medley)

 

 

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