Tonbandgerät + Domi, Bade! (24.11.2015, Saarbrücken)

live 20151124 01Auf die Band TONBANDGERÄT bin ich zum ersten Mal im April 2013 aufmerksam geworden, als die Band aus dem hohen Norden der Republik den Opener für BOSSE gemacht hat, und schon damals dachte ist, seltsamer Name, seltsame Band. Zwei junge Damen (Gitarre, Bass), zwei junge Herren (Gesang, Schlagzeug), gut ins Ohr gehender deutschsprachiger Indierock, irgendwie nett, irgendwie unscheinbar und irgendwie ganz merkwürdige Lyrik. So etwas wie WIR SIND HELDEN in der Light-Variante. Standen TONBANDGERÄT 2013 noch am Anfang ihrer Karriere, so hat man sich inzwischen stetig weiterentwickelt, gewann einige Musikpreise, erreichte beim BuViSoCo 2014 ein Millionenpublikum und kratzte mit dem zweiten Album „Wenn Das Feuerwerk Landet" an den Top 10 der Albumcharts. Also alles in Butter für die Band, auch die dazugehörige Tour lief gut und das Konzert in Saarbrücken wurde aus dem kleinen Club der Garage in die Haupthalle verlegt. Eine gute Entscheidung, denn erstens ist diese weitaus komfortabler und zweitens hatte man so die Möglichkeit bekommen, sich zusätzlich am ursprünglichen Termin zwei Tage vorher beim totalen Kontrastprogramm mit CARCASS und NAPALM DEATH die Rübe abzumontieren.

DOMI, BADE!
Auf die Minute pünktlich zum einheimischen Support DOMI, BADE! war ich dann in der Garage zugegen, um mir eine halbe Stunde lang eine Band zu Gemüte zu führen, die deutschsprachige Musik macht, irgendwo zwischen JUPITER JONES und JUPITER JONES, rockt also mal ordentlich, mal gemächlich, die Texte wie es sich gehört mit viel Liebe zum Detail gestaltet, fast logisch, dass der Sänger und Namensgeber der Kapelle, Dominik Bade, im Mittelpunkt steht. Ist das nun eine Band oder ein Singer/Songwriter mit Band als Anhang? Man weiß es nicht genau, für Domi war dieses hier bereits der letzte Supportgig für TONBANDGERÄT und die Band schien auf jeden Fall Bock zu haben, und die geschätzt 400 Nasen hatten zumindest eine halbe Stunde lang Lust, sich die Musik anzuhören. War das nun weltbewegend? Ich glaube nicht. Kann man das trotzdem haben? Ja! Eigentlich schade, dass ich es an diesem Abend verpasst habe, mir die beiden EPs „Im Schatten Der Stadt" und „Der Horizont Ist Nicht Genug" zuzulegen.

TONBANDGERÄT
Für das Quartett aus Hamburg, das durch die personelle Erweiterung mit einem zweiten Gitarristen (Marcel Rainer), die dringend notwendig war, live zu einem Quintett wurde, war es bereits mindestens der dritte offizielle Gig in Saarbrücken (2013, 2014, 2015), im Laufe des Jahres spielte man bereits im Rahmen der Promoarbeiten zum „Wenn Das Feuerwerk Landet" Album ein Radiokonzert in der saarländischen Landeshauptstadt. Betrachtet man die Entwicklung der Zuschauer, dann scheint die Band noch nicht überpräsent zu sein, man muss allerdings sagen, dass die Band es trotz der allgemein nicht besonders euphorischen Stimmung im November schaffte, für 90 Minuten gut zu unterhalten, ohne dass man anschließend das Gefühl hatte, das Konzert des Jahres erlebt zu haben. Auch genau so etwas tut zwischendurch einmal gut.

Die Band, die nach wie vor wie so eine Art Anti-Band wirkt, machte auf jeden Fall an diesem Abend nicht so viel verkehrt, man ordnete alles der Musik unter, verzichtete auf eine ausgefeilte Bühnendeko oder ganz spezielle Spezialeffekte. Das höchste der Gefühle war der Einsatz einer Papierschnipselkanone, mit etwas Weitblick kann man hierbei sogar ein politisches Statement ableiten. Man kann es auch einfach lassen und sich an den nachdenklichen Texten der Band erfreuen, nachdenklich im doppelten Sinne, zerlegt man die Band in ihre Einzelteile, dann sind die Texte die stärkste Komponente, die Songs selber sind größtenteils in Ordnung, zuweilen auch richtig stark, bei den Grundlagen der kompositorischen Fähigkeiten hat die Band allerdings nach wie vor mit Defiziten zu kämpfen, was gut auffällt, wenn man längere Zeit beobachtet, was Isa Poppensieker am Bass oder Jakob Sudau am Schlagzeug spielen. Viel mehr als das 1 Mal 1 des Musizierens ist das nicht, komplizierte Formen werden gänzlich ignoriert, auf Platte fällt das gar nicht so sehr auf, weil hier die Songs selber mehr im Mittelpunkt stehen. Wenn man live direkt auf die Finger blinzeln kann, eben schon.

Also gehe ich wieder zurück zu den Texten der Band, denn es ist schön zu sehen, dass die Band nicht nur auf Platte viel mit Metaphern und Wortspielen arbeitet, sondern auch bei der Konzeption des Gigs. Das Abschlussdoppel „Raus Hier" / „Für Immer Da", mit den Musikern von DOMI, BADE! zusammen gespielt, ist doch auch ein schöner Widerspruch. Abgesehen von „Auf Drei", das mit Absicht oder vielleicht auch aus Versehen, ich weiß es nicht, mit einem etwas anderen Text gespielt wurde, orientierten sich TONBANDGERÄT bei der Liveumsetzung an den Originalversionen, wie man sie von den beiden Alben kennt, da bleiben große Überraschungen naturgemäß aus, dass man fast das komplette „Wenn Das Feuerwerk Landet" Album gespielt hat, liegt ebenso auf der Hand.

TONBANDGERÄT versuchen auch live mit dem Unspektakulären zu überzeugen, was nicht immer so einfach ist, wenn da eigentlich lediglich fünf unscheinbare Gestalten auf der Bühne stehen, die Musik für Studenten und Nerds machen, mit der man eigentlich keinen Blumentopf gewinnen kann, aber irgendwie scheint es zu funktionieren, weil TONBANDGERÄT „irgendwie anders" sind. So lautete damals der Opener des Debütalbums und dieser Slogan passt wie der A. auf den E..

Wenn die Band in Zukunft noch etwas das brave Korsett ablegt und etwas mehr in Richtung Revolution schielt, dann könnte da auch noch einiges mehr gehen und Zeilen wie „Jetzt sind wir hier fremd und andere nehmen jetzt unsere Drogen" würden auch glaubhafter wirken. Wobei man sich unweigerlich die Frage stellen muss, wie man ohne Drogen solche Textzeilen wie „Deine Tasche riecht nach Schwimmbad im April, obwohl du eigentlich nicht mehr abtauchen willst. Und verschwommen wirfst du die Sterne in die Nacht zurück. Hinter uns die Ewigkeit und vor uns das Glück" oder „Und mit dir kann man Kugelschreiber klaun. Ich mein so ein Pferd ist doch viel zu groß für unseren Kofferraum" oder „Auf Hollywoodschaukeln die Träume begraben, Terracottascherben verstreut auf Rollrasen. Und alles hier wirkt so vertraut. Lass die Dioden leuchten" oder später im gleichen Song „Und irgendwo versteckt hinter Buchsbaumhecken, hinter Milchglasscheiben und Geheimratsecken wird irgendwo noch ein Fünkchen Leben stecken" zustande bekommt. Ist das nicht großartige Poesie? Das Augenzwinkern darf man sich jetzt gerne hinzudenken. oder auch das sein lassen.

Wie auch immer, irgendwie mag ich diese seltsame Band, weil ich selber auch irgendwie seltsam und anders bin und als Konzert so zwischendurch war dieser Dienstag Abend durchaus angenehm. (Maik)

Kategorie: Konzerte