fish tourplakatVor dreißig Jahren veröffentlichten MARILLION ihr legendäres Konzeptalbum "Misplaced Childhood", welches den großartigen Dreier beschloss, mit dem die Neo Progfürsten gleich zu Beginn ihrer Karriere Meilensteine ablieferten. Ähnlich wie bei PINK FLOYD mit "The Wall" war das lyrische Konzept sehr stark von persönlichen Eindrücken des Frontmanns geprägt. Die Spannungen dieser Arbeit führten ebenso ein Album später zum Split mit Sänger FISH, welcher seitdem solo unterwegs ist. Wobei sich das Ende seiner Karriere abzeichnet, denn der Mann will sich nach einem weiteren Studiodreher 2016 verabschieden. Verabschieden tat er sich auch zum Jubiläum von seinem Werk mit seiner alten Band, welches er im Rahmen der "Farewell To The Childhood"-Tour nochmals komplett auf die Bühne brachte. Beim letzten Deutschlandtermin machte er in der Saarbrücker Garage halt. Im Vorfeld war nichts über einen möglichen Support durchgesickert, an dem Abend sollte der Verfasser dieser Zeilen freudig überrascht werden.

LAZULI
Nachdem sich die Toplocation der Landeshauptstadt schnell füllte und am Ende bis ins hinterste Eck gefüllt war, stieg die Spannung. Eine Menge aufgebauter, teils eher exotischer Instrumente ließ auf eine Vorband schließen. Als dann pünktlich mit Claude Leonetti der erste Musiker auf seinem Hocker Platz nahm, war mir das Bild vertraut. Schon öfter sah ich Photographien mit ihm und seiner Léode, einem von ihm konzipierten Instrument. Beim Blick auf das Backdrop lachte mich der Name der Franzosen an. LAZULI sind eine jener Bands, mit denen ich mich schon länger beschäftigen wollte, nun hatte ich eine dreiviertel Stunde die Gelegenheit dazu.

Schon mit den ersten Tönen von "Déraille" konnte der Zuschauer tief in die Klangwelten des Fünfers eintauchen, welche sie gekonnt entstehen ließen. Musikalisch ging es im ganzen Set sehr atmosphärisch zu, die Nähe zum New Art Rock war gegeben, doch LAZULI tragen diese Vorgaben weiter und ergänzen ihren Kosmos durch viele weltmusikalische und Ethnoklänge. Gegen Ende einiger Stücke steigerte man geschickt die Dynamik und stieß in Post Rockdimensionen vor. Vorne gaben Dominique Leonetti und Gédéric Byar den Ton an, während der andere des Brüdergespanns als Sänger mit seiner sanften Stimme überzeugen konnte, gab sein ins Spiel vertiefte Nebenmann viele feine Leads und Soli zum Besten.

Eigentlich wären die Jungs im klassischen Rockformat schon eine starke Formation, doch sie verstärken ihr exotisches Potenzial noch mit sehr ungewöhnlicher Instrumentierung. Die Léode von Claude Leonetti erinnerte an eine Mischung zwischen Gitarre und Sitar, bei der man stufenlos in die einzelnen Töne gleiten konnte, was die tiefe Atmosphäre unterstützte. Beim zweiten Song "Le Miroir Aux Alouettes" nahm, der mit einem tollen warmen Ton agierende, Schlagzeuger Vincent Barnavol hinter der Marimba, einem dem Xylophon ähnlichen Instrument Platz und sorgte damit für weitere Klangfarben.
Ebenso ungewöhnlich, dass gegen Ende des Sets Keyboarder Romain Thorel sich auf den Drumschemel setzte, was die Klasse der Musiker weiter unterstrich. Jener Tastenmann, der die volle Klangpallette seines Nord 4 mit Effekten ausbaute, griff öfter zu einem elektronisch verfremdeten Waldhorn, dem er tiefe dröhnende Klänge entlockte. Gemeinsam zauberten sie einen feinen Klangteppich voll wunderbarer Momente, welcher sich über die Menge legte. Am Ende wurde die Marimba in die Mitte gestellt und in "9 Hands On The Marimba" von allen Bandmitgliedern traumhaft schön bearbeitet.

Es mag nicht nur am hohen Anteil der französischen Pilger gelegen haben, die immer wieder den Weg ins grenznahe Saarbrücken finden, dass die Truppe so gut ankam. Der Abend stand im Zeichen sphärisch proggiger Klänge und vielen erging es wie mir, der sofort fasziniert von der Darbietung LAZULIs war. Dementsprechend wurden die Fünf abgefeiert, wobei dies nicht nur an ihrer überragenden Darbietung lag. Auch das Auftreten war ungemein sympathisch.
Gerade die Leonetti-Brüder und Byar waren optisch sehr präsent, die wilden Mähnen wurden zusammengebunden, teilweise auch die imposanten Bärte, dazu schwere schwarze Hosen mit vielen Schnallen und Verzierungen. Doch neben den optischen Reizpunkten war es vor allem die Spielfreude und das Miteinander auf der Bühne, welches beeindruckte. Die mehr als Künstlerkollektiv denn als Band wirkende Formation strahlte eine unbändige Lebensfreude aus, wie ich sie bisher nur selten gesehen habe. (Pfälzer)

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FISH
Da musste sich der Schotte schon ganz schön strecken, um mit der Truppe mithalten zu können. Vor allem in Sachen Zusammenspiel könnte sich seine Backingband noch etwas abschauen, um dies mal vorweg zu nehmen. Zwar saß mit IT BITES-Mann John Beck eine Größe hinter den Tasten, doch leider gingen seine Klänge im zwar klaren, aber nicht optimal ausbalancierten Sound etwas unter. Gerade wenn die so Neo Prog-typischen Fanfaren gefragt waren, waren die Rhythmuspatterns zu prominent.
Der gute Derek W. Dick, wie er bürgerlich heißt konnte schon kompetentere Mitstreiter um sich scharen, gerade der Weggang seines langjährigen Gitarristen Frank Usher konnte Robin Boult nicht kompensieren. Gavin Griffiths spielte sehr tight und traf bei den Solostücken den richtigen, feinen Ton. Doch spätestens bei dem Liederzyklus auf den alle warteten, war der Unterschied zu Ian Mosley nicht von der Hand zu weisen. Natürlich handelt es sich bei MARILLION um eine absolute Ausnahmeband und die Brillanz eines Steve Rothery erreichen nur wenige, doch streckenweise mühte sich Boult zu sehr.

Der Auftakt gestaltete sich genauso wie beim Gig auf dem Sweden Rock, wobei vor allem der Titelsong des neuen Albums zu begeistern wusste, welcher den Musikern auch mehr im Blut liegen dürfte. Lange hielt man sich aber auch bei den eigenen Shows nicht mit dem Solomaterial auf, lediglich vier Stücke kamen zum Einsatz, wobei ich mir vom Debüt eher "Vigil" gewünscht hätte. Als nun endlich die verheißungsvollen Synthieflächen den Raum füllten, stieg die Stimmung beträchtlich. Im Vergleich zur "Movable Feast"-Tour vor zwei Jahren im nahen Landstuhl waren deutlich mehr Leute anwesend, das Konzept-Manifest mobilisiert immer noch die Massen.

Und die kamen voll auf ihre Kosten, denn bei vielen wecken diese Lieder Emotionen, auch bei mir die viel besungenen Kindheitserinnerungen, und noch viel mehr. Jeder erlebt dieses Meisterwerk auf eine andere Art, einige sangen sogar von Anfang bis Ende jede Zeile mit. Bis heute strahlt dieses Album eine Magie aus, welche sich auch angesichts eher durchschnittlicher instrumentaler Darbietung entfalten kann. Die Stimmung war spätestens bei den Hits und dem hymnische Finale als euphorisch zu bezeichnen, da habe ich in der Garage bei weitaus flotterer Gangart schon weniger Reaktionen erlebt.

Vor allem war aber der Zauber dem Mann ganz vorne zu verdanken, jenem Hünen, den sie alle FISH nennen. Auch im Herbst seiner Karriere hat er nichts von seinen Frontmannqualitäten eingebüßt. Auch seine Stimme intoniert die Epen immer noch mit einer Urgewalt, lediglich beim Haarwuchs muss er schon länger Abstriche machen. Doch der alte Schelm liebt es, beim genauen Erkunden des Publikums zu entdecken, dass es vielen anderen ähnlich ergeht. Seine Anziehungskraft schöpft er genau aus jenem Wechselspiel zwischen lyrischer Ernsthaftigkeit und derben Späßen.
So wirkte so manches Stageacting etwas seltsam, doch der Schotte schien seine Freude daran zu haben. Lächerlich war es nie, der Mann strahlt auf dem Drumriser sitzend immer noch mehr aus als andere mit einem Arsenal an Posen. Bei seinen Ansprachen kippt er auch ganz schnell vom launigen Erzähler in den manischen Prediger, der die Botschaft mit fast bedrohlicher Eindringlichkeit kund tut. Dabei scheut er nicht vor dem aktuellen Zeitgeschehen zurück, nimmt kein Blatt vor den Mund.
Da werden Regierungen angeklagt, weil sie wegen der Anschläge in Paris die Flüchtlingszahlen begrenzen wollen. Dabei, so betont er, wären doch jene genauso auf der Flucht vor denen, die auch wir fürchten. Immer wieder hebt er das Wort "Fear" hervor, mahnt uns aber dabei uns diese nicht aufdrängen zu lassen. Er schon mal gar nicht, FISH wäre nicht der Sturkopf, der er ist, wenn er sich von solchen, wie er sagte, "Arschlöchern" den Spaß verderben ließe.

Diese Aussagen wurden mit sehr heftigem Applaus quittiert, alles andere wäre eine Schande gewesen. Bleibt zu hoffen, dass viele den Worte mit ihren Taten folgen lassen. Mit der ersten MARILLION-Single wurde der hohe Stimmungslevel gehalten, so dass der gute Derek und seine Mitstreiter für eine weitere Zugabe auf die Bühne beordert wurden. Beim akustischen Trinklied musste dann jeder nach den Vorgaben des Meisters tanzen, während er da oben seine diebische Freude hatte. Passend zum Anlass war dann auch die charakteristische Flasche Wein am Start, nein, er hat keine Angst, er feiert die Feste wie sie fallen. Möge der Ruhestand noch ein wenig warten. (Pfälzer)

Setlist FISH:
Pipeline
Feast Of Consequences
Family Business
The Perception Of Johnny Punter
Pseudo Silk Kimono
Kayleigh
Lavender
Bitter Suite
Hearts Of Lothian
Waterhole (Expresso Bongo)
Lords Of The Backstage
Blind Curve
Childhood´s End?
White Feather
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Market Square Heroes
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The Company

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