Yes (20.05.2014, Esch-Sur-Alzette, LUX)

yes-tourflyerSie haben eine ganze Reihe Klassiker geschrieben, nicht nur an Songs, sondern an ganzen Alben, und das in einer Zeit, in der das Albumformat das einzig wahre war. Diese alle an einem Abend auf die Bühne zu bringen, erweist sich als quasi unmöglich, wie kann man da eine vernünftige Songauswahl treffen? YES haben aus der Not eine Tugend gemacht und dem Trend ein ganzes Album live durchzuspielen die Krone aufgesetzt. Mit "The Yes Album", "Close To The Edge" und "Going For The One" bringt die britische Legende gleich drei ihrer Werke komplett zur Aufführung. Bei dieser laufenden Tour machten sie auch Station im luxemburgischen Esch-Sur-Alzette, die dortige Rockhal sollte für solch ein Unterfangen bestens geeignet sein.

Natürlich haben solche Konzerte immer das Problem, dass der Zuschauer weiß, was ihn erwartet, so zählte die Verspätung von ein paar Minuten noch zu den größten Überraschungen. Schließlich sind das Engländer und absolute Profis. Wer die Qualität kennt, für welche die Truppe seit jeher bürgt, der wird eher beruhigt gewesen sein, wenn sonst nichts aus dem Rahmen fiel. Denn vieles, was von ihnen kam, ist nahe an der Perfektion und auch darüber einzuordnen.

Der größte Geniestreich dürfte sicherlich das "Close To The Edge"-Opus sein, mit welchem YES an dem Abend einstiegen, für viele das beste Progalbum überhaupt. Sicherlich erwies sich die titelgebende, zwanzigminütige Eröffnungssuite als Einstieg schon ein ganz schöner Brocken, doch der funktionierte bei Konzerten schon öfter. Gerade der erste Satz, das sehr jazzige "The Solid Time Of Change" verlangte einem viel ab, aber Chris Sqire und seine Mannen wissen, dass da auch die Aufmerksamkeit des Publikums entfacht wird.
Das verhielt sich bis zu dem Zeitpunkt noch auffallend ruhig, musste erst einmal die ganzen Eindrücke verarbeiten, was aber im kleinen Fürstentum nicht sonderlich verwundert. Erst mit den folkigen Akustikakkorden und den analogen Synthesizerflächen des zweiten Songs kamen die ersten lautstarken Reaktionen und an dessen Ende auch Ovationen. Beim abschließenden Song machten dann auch die Showelemente auf sich aufmerksam, die Eislandschaften auf der großen Leinwand hinter der Bühne untermalten das Stück perfekt.

Neben den Projektionen, welche die ganze Zeit im Hintergrund flimmerten und auch auf die Lieder verwiesen, konnte auch die Lightshow Akzente setzen. Diese fiel zwar nicht so opulent aus, wie zu Großzeiten, wusste aber die Stimmung gut zu unterstützen und ordnete sich den Songs unter. Auch beim Sound musste man keine Abstriche machen, die Rockhal erwies sich als würdiger Bau für diese Werkschau, denn sie wurde ja baulich auf solche Events abgestimmt. Und was da aus der PA kam, war schlichtweg atemberaubend. Alles wunderbar ausgewogen, jedes einzelne Instrument wurde bis ins Detail wieder gegeben. Dazu wurde eine sehr ansprechende Lautstärke gefahren, wenn das Klanggewand auch nicht so voluminös ausfiel. Doch dann wäre vielleicht das ein oder andere Detail der vielschichtigen Arrangements verschluckt worden, so war es ein Klangerlebnis der Spitzenklasse, in dem man sich komplett verlieren konnte.

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Als zweites war dann das rockiger akzentuierte "Going For The One" an der Reihe. Bei flotteren Titeln wie dem Titeltrack zeigte sich die Formation bester Laune und ließ wie in den gesamten knapp zweieinhalb Stunden eine unbändige Spielfreude erkennen. Allen voran Gitarrist Steve Howe, der zum Mittelpunkt der Show avancierte. Der Mann wollte sich nach seinem Weggang von ASIA verstärkt auf YES konzentrieren und fungiert nun als treibender Motor hinter den verstärkten Aktivitäten. Er brillierte mit seinem völlig eigenständigen Spiel, dass der Band auf den Alben, bei denen er mitgewirkt hat, den Stempel aufdrückt.
An dem Abend hatte er ein ganzes Arsenal an Gitarren dabei, wobei auch seine Kollegen nicht gerade zurück standen bei der Equipmentschlacht, man erinnert sich noch bewundernd an Sqires dreihalsigen Bass. Howe meisterte bei manchen Songs den Spagat zwischen elektrischer Gitarre, der vor ihm auf dem Ständer aufgebauten akustischen Klampfe und der Steelguitar. Die stand ebenfalls vor ihm auf einem rollbaren Podest, welches er nach gespielter Passage lässig mit der Fußsohle weg kickte.

Auch das Spiel seiner Mitstreiter war schlicht perfekt, hier stimmte jeder Ton, nicht nur vom Timing her, sondern auch von der Tonfärbung. Hacken die Studioversionen immer mal wieder, was auch der heimischen Anlage geschuldet sein kann, so entfalten die Werke auf der Bühne durch die beseelte Darbietung ihre ultimative Kraft. Auch der nicht unumstrittene Jon Davison gab einen perfekten Frontmann ab, der sowohl stimmlich, als auch von seinen Gesten her sehr nahe an Jon Anderson kam. Natürlich besitzt er nicht dessen Aura und Gefühl für die Songs, aber das kann ohnehin nur derjenige, der sie komponiert hat. Selbst optisch bedient er den Habitus, wie ihn der ewige Hippie pflegte, für das Hemd, welches Davison auftrug, hätte sein Vorgänger auch Geld ausgegeben.

Als dritter Mann in der vorderen Reihe drückte das einzige immer zur Truppe gehörende Mitglied, Chris Squire, die dicken Seiten. Auch wenn er nicht mehr ganz so den wilden Rocker gibt, so hat er immer noch eine große Präsenz. Seinen charakteristischen Stand auf einem Bein probte er ein paar Mal, die Balance kann er aber nicht mehr lange halten. Zusammen mit Alan White im Rücken bildet er ein unüberwindliches Rhythmusgespann, das die ganze Erfahrung aus vier Jahrzehnten ausspielte. Bei dem Drummer saß jedes jazzige Break, obwohl er sichtlich froh darüber war, wenn er auch mal auf die Pauke hauen durfte. Neben ihm stand Geoff Downes in seiner Keyboardburg und konnte vor allem beim orchestralen Schlusspunkt des ersten Teils glänzen.

Nach einer zwanzigminütigen Pause, die man den Herren zugestehen musste, nahm man das hitlastige "The Yes Album" in Angriff. Bei diesen Nummern zeigten sich YES nicht nur instrumental auf der Höhe, sondern sorgten mit dem großartigen, punktgenauen Satzgesang für so manche Gänsehaut. So gab es hier die meisten Reaktionen im Auditorium, auch wenn man auf Mitsingspiele verzichtete. Bei der Zugabe saß dann niemand mehr, der einzige Titel, der nicht von den drei Alben stammte, ohne den YES aber nicht von der Bühne gehen kann.
Auch nach fast fünfzig Jahren ist mit dieser Proglegende noch zu rechnen, sie überraschen immer noch, weil sie auch selten oder nie gespielte Stücke auspackten. Nach dieser Tour wollen sie den Schwung und die harmonische Bandchemie mit ins Studio nehmen, um den ersten Longplayer mit Jon Davison einzuspielen. Der zieht hoffentlich eine erneute Tour nach sich und es scheint auch nicht abwegig, dass es eine Neuauflage der Konzertreihe mit drei anderen Scheiben gibt. Dann wäre "Fragile" gesetzt und hoffentlich kann sich Steve Howe zu "90125" durchringen. Zu schön, um wahr zu sein, aber das hatte man auch hier im Vorfeld gedacht, und es wurde wahr. (Pfälzer)

Setlist YES:
Close To The Edge
And You And I
Siberian Khatru
Going For The One
Turn Of The Century
Parallels
Wonderous Stories
Awaken
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Yours Is No Disgrace
Clap
Starship Trooper
I´ve Seen All Good People
A Venture
Perpetual Change
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Roundabout

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Kategorie: Konzerte