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Wishbone AshDie Bühne ist ihre Heimat! Obwohl schon seit 1969 unterwegs werden WISHBONE ASH nicht müde, absolvieren oft mehr als 150 Shows pro Jahr. Wie viele Classic Rockacts sind sie oft in Deutschland unterwegs, dass sie zu Beginn des Jahres auch wieder ausgiebig betourt haben. Und das obwohl das neue Album "Blue Horizon" erst in einer Woche erscheint, wenn die Konzertreise fast beendet ist. Doch die Briten können sich auf ihr Publikum verlassen, müssen sich ohnehin nicht mehr an die Maßgaben des Marktes orientieren, wie auch an diesem Abend im Freudenburger Duc-Saal. Begleitet werden sie dabei von der kanadischen CLIFF STEVENS BAND.

Den Club kannte der Verfasser dieser Zeilen bisher nur vom Hörensagen, doch bislang hatte dieser es noch nie dahin geschafft. Über eine Passstraße hinein in den Hochwald gelangt man in ein kleines Örtchen an der Saar-Pfälzischen Grenze. Wo heute zu oft über Marketing und Infrastruktur debattiert wird, stellt sich die Frage, wie in diesem ländlichen Gebiet ein Musikclub existieren kann? Etwas versteckt hinter der Häuserreihe der Hauptstraße präsentiert sich der Duc-Saal von außen als schöner Altbau neben einem alten Steintor. Im Club angekommen fühlt man sich wie in einem klassischen Tanzsaal der Sechziger. Um die Bühne herum verläuft eine Galerie mit rustikalem Geländer und das DJ-Pult ist mit Spiegeln verkleidet. Das wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen, doch man darf nicht vergessen, dass es eben jene Zeit war, in der die Helden des Abends zur Beletage des Musikbiz zählten.

Dieser ein wenig Pubmäßige Charme des liebevoll gestalteten Venues, dem man sich nur schwer entziehen kann, setzt sich auch nebenan in der Gaststätte fort. Das unhektische Treiben des Teams steigert die Gastfreundlichkeit noch weiter, diese Location unterscheidet sich wohltuend von den vielen Zweckbauten, in denen heutzutage Konzerte stattfinden. Da unser Interview nach den Gig gelegt wurde, hatten wir genügend Zeit, noch die kulinarischen Köstlichkeiten des Hauses zu versuchen. Empfehlen kann ich vor allem das Schnitzel "Duc-Saal", welche sich auch der Tourtross am Nachbartisch schmecken ließ. Hier werde ich wohl in Zukunft öfter Konzerte besuchen müssen, was hier aufgebaut wurde, kann man als Musikliebhaber nur unterstützen.

CLIFF STEVENS BAND
Völlig unbekannt war mir auch der Support, zumal ich überhaupt erst an dem Abend erfahren habe, dass es ein Vorprogramm gibt. In der dem Club eigenen Entspanntheit enterten die drei Musiker die Bühne, um sich als klassisches Bluesrocktrio zu präsentieren. Dieses Genre, auch in der Form erlebt ja dieser Tage seine Renaissance, wohl auch als Gegenentwurf zum Plastikmüll der Industrie. Stevens tritt aber auch als Quartett mit Organist oder Duo, gerne mal akustisch oder mit anderen Musikern auf. Egal in welcher Formation es wurde sofort klar, dass die Herren diese Musik verinnerlicht haben, eine dementsprechende Spielfreude legten sie an den Tag. Der Spaß an der Sache war vor allem dem ständig grinsenden Bassisten Domenic Romanelli anzusehen.

Cliff Stevens bot eine gelungene, wenn auch etwas gewöhnliche Mischung aus allen Bluesstilen an. Zu Beginn eher ein wenig an den amerikanischen Vorbildern orientiert, vor allem beim Texasblues von "Finger Express", macht sich später vor allem der Einfluss von ERIC CLAPTON bemerkbar. Kein Wunder, schließlich ist der Bandleader auch oft als Clapton Tribute unterwegs. So mischte sich klassischer Bluesrock wie "Why Are You So Mean To Me" mit dezent funkigem, etwa "I Want You To Tell Me" oder dem Rock´n´Roll von "I Get Evil". Bei "Don´t Walk Away" ließ er die Slide-Gitarre kreisen, während die Gruppe bei "Don´t You Say" ruhigere Töne anschlug.

Das sorgte für eine gute Stimmung und viel Applaus, immer wieder forderte der Frontmann das Publikum auf, mit in die Songs einzusteigen. Was mir ein wenig fehlte war das tiefe Feeling, was ich bei jemand, der schon seit den Siebzigern dabei ist, einfach erwarte. Sein Spiel wirkte nicht dynamisch genug, die Kontraste zwischen den sanft leidenden Momenten und kerniger Rockattitüde konnte der Mann live nicht hundert Prozent wiedergeben. In so einem Club, ohne Netz und doppelten Boden kann man solche kleinen Schwächen nicht kaschieren. Die glich er showmäßig mit ein paar tollen Einlagen aus, als er etwa ein Soli hinter dem Rücken spielte.
Wer aber auf der Bühne die Stücke zusammen hielt, war eindeutig Drummer PA Lamarche, der mit seinem Drumming immer wieder Akzente setzte. Es waren seine Breaks, die der Musik die richtige Würze gaben, seinen Sänger und Gitarristen pointiert in Szene setzten. Darüber hinaus war auch er ständig versucht das Publikum zu animieren, suchte ständig den Augenkontakt zu den Zuschauern und war ebenfalls bester Laune. Somit geriet die dreiviertel Stunde zu einer kurzweiligen Angelegenheit, die Kritikpunkte störten im Gesamtbild wenig, aber um sich in der internationalen Konkurrenz zu behaupten, muss heute ein bisschen mehr kommen.

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WISHBONE ASH
Bereits beim Betreten der Bühne stieg die Stimmung deutlich, erst recht als das Intro eines ihrer absoluten Klassiker ertönte. Wer mit drei Tunes aus dem essenziellen "Argus"-Meisterwerk sein Set beginnt, der kann nur auf die Siegerstraße einbiegen. Kenner werden es direkt erkannt haben, der Abend stand ganz im Zeichen des ersten Livealbums "Live Dates" von 1974. Dieses markierte das letzte Album der Originalbesetzung für dreizehn Jahre und beinhaltet Titel der ersten vier legendären Alben. Auch wenn das wenig vorhersehbar war und nur durch ein Stück vom letzten Dreher "Elegant Stealth" unterbrochen wurde, konnten die Vier ihre volle Magie ausspielen.

Es macht einfach unglaublichen Spaß, in eben diesen Liedern zu versinken, den dieser verträumte Folktouch, die oft ruhigen, elegischen Passagen ließen einen weg schweben. Dazu sitzt der Satzgesang, bei dem zumeist Viersaiter Bob Skeat einstieg, heute noch wie ein Maßanzug und fördert wunderbare Melodien zu Tage. Selbst Leadsänger Andy Powell traf trotz seiner Erkältung die Töne, seine Erkrankung war ihm nicht anzuhören. Wer genau hinsah, bemerkte, wie er sich bei den hohen Tönen anstrengen musste, aber er meisterte sie mit Bravour.
So ging es weiter durch die Hochphase der Band, die kommende Scheibe wurde erst in der Zugabe vorgestellt. Zu Beginn gab es das Hitlastigere Material, dass auch mal einen leichten Hippietouch verströmte. Genauso wie WISHBONE ASH nach ihren eigenen geschäftlichen Regeln funktionieren, haben sie auch einen unverkennbaren Stil kreiert. Das liegt auch an der Interpretationsweise, denn das Cover des Bluesstandards geriet, langsamer und melodischer dargeboten zu einer weiteren Bandnummer.

Das zeigt, wie sehr "The Ash" von ihrem Spiel leben, wofür Andy Powell mit Jyrki "Muddy" Manninen einen idealen Partner an den sechs Saiten gefunden hat. Wo das letzte Gründungsmitglied mit einem feinen Melodiegespür aufwartet, gibt der Finne den Blueser, der auch gerne zur Slide greift und sich bei den Boogielastigeren Titeln austoben kann. Das sind auch die Lieder, welche beim Publikum die begeistertsten Reaktionen hervor riefen.
Bei den Longtracks am Ende standen viele nur da und bestaunten dieses unglaubliche Feeling, welches die Herren in den Fingern haben. Wie sich Powell und Manninen die Soli zuspielten war sensationell, so dass hier die meisten Emotionen hervor gerufen wurden. Zwei brillante Techniker, die sich blind vertrauen, bei denen jeder den Faden des anderen aufnehmen kann. Von leisen, völlig reduzierten Passagen bis hin zu rauschhaften psychedelischen Bildern wussten sie die komplette Palette der Dynamik auszuloten.

Das sie dabei die Stimmung nicht immer bis zum völligen Ausbruch aufbauten, sondern sie immer nur bis kurz davor anschwellen ließen, erhöhte die Intensität nur noch mehr. Von diesem Umgang mit den musikalischen Bildern kann sich die heutige New Artrockgeneration immer noch etwas abschauen. Als wäre das der Klasse nicht genug zelebrierten sie auch noch ihre, so oft kopierten, Twin Leads meisterlich, erklangen punktgenau im Gleichschritt. Dabei stellten die beiden Gentlemen ihre Raffinesse nie zur Schau, sondern ordneten sie stets dem Song unter.
Ich höre immer wieder Meinungen, dass Technik nicht alles sei, ein Song auch ohne großartige Tricks funktioniert. Das mag stimmen, zumal WISHBONE ASH sich in der Hinsicht ohnehin zurück halten und eher auf Atmosphäre setzen. Hier wurde noch klassische, ehrliche, pure Musik geboten, wie man sie nur in solch einem intimen Clubrahmen bringen kann. Aber man benötigt einfach die Technik, die traumwandlerische Sicherheit im Umgang mit dem Instrument, um ein derartiges Feingefühl erzeugen zu können.

Und da muss auch das kollektive Verständnis untereinander passen, da müssen die Führungsspieler auch eins sein mit ihrem Rhythmusbackground. So wie Skeat bei den Gesängen perfekt harmonierte, so passte er die Töne aus seinem wuchtigen Arbeitsgerät auch den Melodiebogen seiner Kollegen an. Und mit Joe Crabtree haben sie einen Drummer in ihren Reihen, der eben dieses Spiel mit Motiven und Stimmungen perfekt unterstützen kann. Mit dem wundervollen Ton eines genial abgestimmten Kits wusste er seine Schläge genau zu dosieren, und so noch mehr Spannung aufzubauen. Die langen Leadjams unterfütterte er mit vielen außergewöhnlichen, aber nie effekthascherischen Breaks, welche die hypnotische Atmosphäre noch verstärkten. So konnte man sich völlig in der ureigenen Welt dieser Formation fallen lassen, und wurde doch immer wieder weich aufgefangen.

Wie sich die Herren in einen Rausch hinein spielten, so gingen auch die Zuschauer mit und feierten jedes Stück, oft mit Szenenapplaus ab. Nachdem die Setlist bereits runtergespielt war hatte der Duc-Saal noch nicht genug und forderte noch mehr. Es spricht für den Mut des Vierers da nicht noch einen weiteren Hit wie "Sometime World" oder "Cell Of Fame" rauszuhauen, sondern noch einen neuen Titel vorzustellen. Das war auch im Sinne des Publikums, welches zu goutieren wusste, dass sich die Musiker immer neu suchen, auch wenn sie an dem Abend viel auf Nostalgie setzten. Aber wer eindreiviertel Stunden derart großartig performt, darf sich der Hingabe und Loyalität des Publikums sicher sein. (Pfälzer)

Setlist WISHBONE ASH:
The King Will Come
Warrior
Throw Down The Sword
Heavy Weather
Rock´n´Roll Widow
Ballad Of The Beacon
Baby What You Want Me To Do
Pilgrim
Jailbait
Whiskey Woman
Phoenix
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Deep Blues
Blowin´ Free
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Blue Horizon

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