Dream Theater (10.02.2014, Saarbrücken)

dreamtheater flyerEs ist Olympia und da steigen die Götter von ihrem Berg zu uns herab. Am Abend nachdem sich Maria Riesch endgültig unsterblich machte, beehrten die Prog Metalgötter schlechthin die saarländische Hauptstadt. Unsterblich ist diese Band schon lange, denn ihnen ist es gelungen, sich vollständig von den Mechanismen der Musikindustrie zu lösen. Ihr einziger Hit, wenn man "Pull Me Under" überhaupt so nennen kann, liegt mehr als zwanzig Jahre zurück, dennoch haben DREAM THEATER eine riesige Fanschar hinter sich, die zu Tausenden auf ihre Konzerten pilgert. Die Band hat ihre eigenen Markenzeichen geschaffen und kann tun, was sie will, sie wird immer unter den Armeen von Nachahmern heraus zu hören sein. Völlig egal, ob man das harte Metalbrett fährt, es eher ruhiger angehen lässt, man Siebziger-Zitate verwendet, modern groovt oder wie zuletzt zurück zu den Anfängen in den Achtzigern geht. Dabei schafften es die Fünf auch den Abgang eines Hauptsongwriters zu kompensieren und für weiterhin konstant hohe Qualität zu bürgen. So durfte man auf den Auftritt in der Saarbrücker Saarlandhalle gespannt sein, zumal auch in der Stadt die Venues immer größer werden.

Der Einlass gestaltete sich etwas kompliziert, denn erst durfte man zwei Stunden vorm Konzert rein ins Warme, musste aber vor der Tür zum Innenraum warten, um dann noch mehr als eine Stunde vor der Bühne auszuharren. Das gestaltete sich insofern als etwas abgefahren, da aus dem Hintergrund die ganze Zeit über spacige Soundscapes kamen, die einen im Verbund mit den Projektionen auf dem großen Vorhang schon die Sinne vernebeln konnten. Pünktlich um 20 Uhr lief dann zur „False Awakening Suite" eine tolle Installation, welche alle Cover der Bandgeschichte gekonnt verknüpfte. Als der Vorhang unter lautem Jubel endlich fiel stand die Band bereits auf der Bühne und stieg in den Opener des neuen Albums ein.

Es sollte der Auftakt zu einem großen Spektakel werden, welches die Band absolut auf dem Zenit zeigte. Vor allem in Sachen Präsenz haben die sonst so introvertiert wirkenden Musiker in jüngster Zeit dazu gewonnen. Ein John Petrucci lässt sich immer öfter am Bühnenrand blicken, während er seine wahnwitzigen Solo und Riffs ins Publikum peitscht. Dabei können ihm die ersten Reihen genau auf die Finger schauen, doch auch die hinteren Ränge können das Geschehen über die große Leinwand genau beobachten, sofern da nicht gerade eines der Videos zum jeweiligen Stück läuft.
Diese fortschreitende Nutzung von multimedialen Showelementen findet man immer häufiger im Prog-Bereich und gerade die Clips unterstützen die Atmosphäre der Lieder ideal. Sicher haben MUSE da Maßstäbe gesetzt, denen DREAM THEATER nicht folgen können und auch nicht wollen, dennoch ist man heute gezwungen diese Effekte weiter auszubauen. Die Titel vom aktuellen Longplayer werden gemäß des Tourmottos „Along For The Ride" von einem umher fahrenden Taxi angekündigt und in der Pause gibt es zahlreiche witzige Episoden. Klar kann man ihnen auch da unterstellen, sich an RUSH anzulehnen, doch mit den Vorwürfen können die New Yorker mittlerweile leben.

Ebenso wie das Spiel des Gitarristen wurde der Tastenzauber von Jordan Rudess sehr gut mit der Kamera eingefangen. Diese war direkt über seinem Synthesizer angebracht, so dass sich die Muckergemeinde auch hier die Augen aus dem Kopf sehen konnte. Zweimal ging er auch mit seiner futuristisch designten Keyboardgitarre vorne an die Rampe und ließ feuerte atemberaubende Soli in die Menge. Selbst ein John Myung bewegte sich auf der Bühne, wenn auch nur nach hinten zum Drumkit, um den Solisten noch mehr das Rampenlicht zu überlassen.
Doch wohin es die Musiker auch verschlug, immer war die Kommunikation zwischen ihnen zu sehen, DREAM THEATER agieren mehr miteinander als man es vor Jahren von ihnen gewohnt war. Da wird auch mal auf der Bühne gescherzt und sich gegenseitig angestachelt. Gerade Mike Mangini kommt aus dem Grimassen ziehen gar nicht mehr heraus und hat wie seine Mitstreiter sichtlich Spaß an der Sache. Wenn man ihn und das Verständnis der Akteure untereinander sieht, dann versteht man warum die übrigen vier immer wieder betonen, dass vor allem menschliche Gründe den Ausschlag zu seinen Gunsten gaben.

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Diese Leichtigkeit, welche sich auch auf „Dream Theater" musikalisch niederschlägt, war auch am Ende zu sehen, als sich die Fünf lange bedankten. Als Petrucci ein Plektrum sehr zielgenau in die hochgereckte Hand eines (der Redaktion bekannten) Fans warf, rief dieser „You´re my Quarterback", was den Saitenhexer sichtlich amüsierte. Am meisten vom Weggang des Kontrollfreaks Portnoy profitiert aber James LaBrie, der nun endgültig die Frontmannrolle annimmt. Oft stand er ganz vorne auf den Boxen, suchte den Kontakt zu den Fans und übte die große Geste. Zwar verließ er bei den Instrumentalpassagen immer noch die Bühne, doch seine Präsenz beschränkte sich nicht mehr nur auf seine stimmliche Leistung. Diese Dinge konnte man schon auf der letzten Tour beobachten, doch nun wirkte die Truppe noch gelöster.

Von der technischen Seite gab es auch wenig zu bemängeln, die Lightshow war zwar eher spartanisch, konnte aber immer wieder stimmungsvolle Akzente setzen. Lediglich beim Sound fehlte der letzte Druck, anscheinend ist die PA der Saarlandhalle nicht auf Rockkonzerte ausgelegt. Für den Klang im Raum mögen die auf der Bühne positionierten Lautsprecher gut sein, doch den vorderen Reihen nehmen sie die Tiefe und verwischen einiges.
Das fiel schon bei den letzten Konzerten in der Halle auf, da müsste dringend nachgebessert werden. Doch dazu konnte die Band nur wenig, eher konnte man ihr ankreiden, dass sie während der Orchesterparts beim Longtrack am Ende des regulären Sets von der Bühne ging. Dafür spielte sie beim Rest grandios auf und wusste wie immer voll zu überzeugen. Das technische Niveau ist beeindruckend, verkommt aber nie zum Selbstzweck.

Interessant war auch die Setlist, welche sich auf nur drei Phasen in der Karriere stützte. Im ersten Teil kamen vor allem Songs der Post-Portnoy-Phase zum Zug, der zweite Teil beherbergte einen Block von „Awake", dessen zwanzigstes Jubiläum gefeiert wurde. Fünfzehn Jahre hat „Scenes From A Memory" auf dem Buckel, mit welchem man die Zugabe bestritt, dazu gesellten sich noch ein paar Überraschungen. Auch bei den an dem Abend präsentierten Scheiben verzichtete man auf die Standardsongs und gab eher selten gespieltem den Vortritt.
DREAM THEATER haben sich mittlerweile einen Status erspielt, der es ihnen erlaubt alles zu bringen, wonach ihnen gerade ist. Das unbedingte spielen müssen einer bestimmten Nummer haben die Herren hinter sich gelassen. Nicht nur, dass „Pull Me Under" fehlte, es gab gar keinen Song von „Images & Words" und dennoch war keiner enttäuscht. Natürlich hätte sich jeder noch seinen persönlichen Favoriten gewünscht, wie ich mir „Beyond The Veil" vom aktuellen Album. Doch der kann bei der nächsten Tour dabei sein, und das komplette Set von diesem Abend draußen.
Das macht diese Formation so spannend, weil sie einfach alles beherrscht, weil selbst ihre Konzerte eine eigene Dramaturgie besitzen. Und die Fans lieben sie dafür und sind dankbar für alles, wie auch die Band aufrichtig dankbar für den regen Zuspruch ist. In der Halle war zwar noch viel Platz, aber unterm Strich war es voller als erwartet. Auch der letzte Besetzungswechsel kratzte kaum an ihrer Ausnahmestellung und ganz ehrlich, wer will bei 160 Minuten musikalischer Offenbarung meckern? (Pfälzer)

Setlist DREAM THEATER:
The Enemy Inside
The Shattered Fortress
On The Backs Of Angels
The Looking Glass
Trial Of Tears
Enigma Machine
Along For The Ride
Breaking All Illusions
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Mirror
Lie
Lifting Shadows Of A Dream
Scarred
Space Dye-Vest
Illumination Theory
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Overture 1928
Strange Deja Vu
The Dance Of Eternity
Finally Free

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Kategorie: Konzerte