Trans-Siberian Orchestra (15.01.2014, Stuttgart)

live 20140115 0100 transsiberianorchestra KopieVor fast 3 Jahren war es endlich soweit. Das TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA, hervorgegangen aus den großartigen SAVATAGE, spielte zum ersten Mal nicht in Amerika, sondern in Europa. Wie viele andere ließen wir uns das damals nicht entgehen und sahen uns das Orchester/die Band (ja, wie nenn' ich das Kind denn jetzt?) in der fast ausverkauften Hans-Martin-Schleyer-Halle an. Damals hieß das Programm „Beethoven's Last Night“ und nur zum Schluß gab es einen Song von SAVATAGE, der aber die Leute von ihren Plätzen aufspringen und nach vorne zur Bühne rennen ließ. Dieses Mal steht die Tournee unter dem schlichten Motto „European Winter Tour“. In Amerika war es noch die „The Lost Christmas Eve“-Tour, aber dafür ist es im Januar ja sowieso zu spät.

In diesem Jahr interessieren sich aber offenbar nicht so viele für die Amerikaner. Nicht nur, daß das Konzert in der kleineren Porsche-Arena stattfindet, sondern dort sind auch die Ränge zum größten Teil abgehängt und es ist hauptsächlich das Parkett besetzt. Und auch das noch nicht mal voll. Das TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA ist hierzulande eben längst nicht so erfolgreich wie in der Heimat.

Obwohl der Tourmanager uns vor der Show vorjammert, was sie alles an Material dabei haben, das sie aber nicht aufbauen können, weil die Bühnen in Europa zu klein sind, hat man ordentlich aufgefahren. Die Grundband wird unterstützt von einem Chor, bestehend aus 10 Sängern, die immer mal wieder zu dem ein oder anderen Stück solo ran dürfen, ein Streicherensemble und zwei Keyboards. Und natürlich die Bühnenaufbauten und die Lightshow. Anstelle eines Backdrops gibt es eine riesige Bildschirmwand, auf der immer passende Bilder eingespielt werden. Und die Lightshow ist überaus beeindruckend, auch wenn ich die Laser und andere Effekte manchmal als zu schnell empfinde – aber so sind sie halt, die Amis.

Auch typisch amerikanisch (O-Ton Tourmanager: „Wir machen das halt so in Amerika!“): Der Erzähler (Bryan Hicks), der immer mal wieder zwischen den Songs auf die Bühne kommt und den nächsten vorstellt. Sein Anteil wurde jedoch – gegenüber der letzten Tour – deutlich zurückgeschraubt. Finde ich eigentlich sogar schade. Die erste Überraschung für die anwesenden, auf jeden Fall stark vertretenen, SAVATAGE-Fans gibt es dann schon ziemlich früh: bereits der dritte Song („This Is The Time“) ist von SAVATAGE. Der Jubel fällt hier auch deutlich stärker aus als bei dem TSO-Material.

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Und das auch dann, wenn es etwas ungewöhnlicher präsentiert wird, wie z.B. „Handful Of Rain“, das von Erika Jerry gesungen wird. Eine weitere Überraschung ist, daß „Gutter Ballet“ so früh in der Setlist auftaucht. Hier springt das Publikum zum ersten Mal begeistert von den Sitzen auf. Diesen Song kann man aber auch nicht im Sitzen anhören. Da MUSS man aufspringen und die Haare schütteln! Und so kann die Band für diesen Song auch mit Abstand den meisten Applaus bisher verbuchen.

Aber auch das Material von TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA ist natürlich nicht von schlechten Eltern. Ich mag ja Klassik. Und ich mag Metal. Und ich mag Orchester. Und deshalb mag ich diese Band, denn die hat alles was ich mag (Klingt irgendwie nach „Grün, grün, grün sind alle meine Kleider“... naja). Zu „Misery“ kommen zum ersten Mal auch die Pyros so richtig zum Einsatz, daß man die Wärme bis weit in den zweiten Block spürt. Sieht sehr beeindruckend aus, aber wenn man sich mal die Aufnahmen vom Auftritt am Brandenburger Tor am 31.12.2013 ansieht, dann versteht man, was der Tourmanager mit „die europäischen Bühnen sind zu klein“ gemeint hat.

Auch bei der Lichtanlage werden alle Möglichkeiten ausgereizt und bei Songs wie „Sparks“ kommen auch Laser zum Einsatz, die, wie ich finde, in einer Halle doch nochmal deutlich besser wirken als Open Air. Und dann, dann kommt mein persönliches Highlight der Show: „The Hourglass“, unterstützt vom Chor. Daß ich das noch erleben darf - einen Song von der „The Wake Of Magellan“ live. Und dann noch in so einer genialen Version. Man könnte heulen vor Glück. Nicht überzeugen kann mich jedoch Kayla Reeves, die insbesondere in „Someday“ und „Child Unseen“ zuviel künstliche Härte und Rohheit in ihre Stimme liegt. Es gibt Sängerinnen, bei denen klingt sowas richtig geil. Bei ihr finde ich, klingt es einfach übertrieben.

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Das wäre aber auch das einzige, was ich an der gesamten Show zu bemängeln habe. Nein, halt, stimmt nicht. Die Tänzerinnen. Bzw. die tanzenden Sängerinnen. Niemand braucht das. Schon gar nicht bei einer Metal/Hardrock-Show. Ich will niemanden dumm tanzen sehen. Das war ja schon ein wenig gruselig. Dafür gibt es in Anschluß aber als Entschädigung „Believe“. Wobei ich ja sagen muß, daß da bei JON OLIVA'S PAIN im kleinen Club der Rofa Ludwigsburg, mit einem Jon Oliva, der so erkältet ist, daß das Publikum den Text komplett alleine singen muß, doch mehr Gänsehautstimmung aufkam. Aber das liegt mehr am Publikum, das in der Porsche-Arena in dieser Hinsicht irgendwie zurückhaltender ist – warum auch immer.
   
Richtig gut ist dann aber wieder Erika Jerry mit „After The Fall“. Nach „Wizards In Winter“ steht das Publikum gar geschlossen auf um zu applaudieren, so daß es bei der Bandvorstellung erst mal aufgefordert werden muß „Sit down!“. Auch die „Carmina Burana“ wird sehr beeindruckend vorgetragen, der neunköpfige Chor gibt dem Song seine ganz besondere Erhabenheit. Bei „Epiphany“ wird es auch mal wieder ein wenig zu viel. Auf dem riesigen Bildschirm werden Szenen aus Krieg und Frieden eingeblendet und man hat Schwierigkeiten, alles zu erfassen und weiß eigentlich gar nicht, wo man hinschauen soll.

Auch beim zweiten Teil der Bandvorstellung gibt es wieder Standing Ovations vom Publikum, bevor dann Vitalij Kuprij mit seinem Keyboardsolo, in das er geschickt auch die deutsche Nationalhymne einfließen läßt (und passend dazu erscheinen auf dem Bildschirm deutsche Flaggen), in den letzten Teil des Abends überleitet. Auch „Beethoven“ ist wieder sehr cool umgesetzt. Und als letzten Song gibt es dann „Christmas Eve (Sarajevo 12/24)“, auch wieder von SAVATAGE. Jetzt hält das Publikum nichts mehr auf den Sitzen und auch auf der Bühne wird nochmals alles gegeben und die Pyrotechniker feuern alles ab, was sie noch haben. Im Funkenregen endet der Auftritt des TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA. Und wenn man auf die Uhr schaut, stellt man fest, daß sie fast 3 Stunden am Stück gespielt haben. Wo ist die Zeit hin?

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Die ist wie im Flug vergangen, die Band hätte auch locker noch zwei Stunden spielen können und es hätte niemanden gestört. Das TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA bietet nicht nur etwas fürs Ohr (und schon hier kann man nicht meckern, der Sound war allererste Sahne, die Musiker sowieso), sondern auch was fürs Auge. Die Show ist einfach der Wahnsinn, das muß man einfach mal gesehen haben. Die Band konnte mich dieses Mal nochmal deutlich mehr überzeugen als beim letzten Mal, so daß ich mir ziemlich sicher bin, daß ich auch bei der nächsten Tour wieder im Publikum sitzen werde. Sehr schön auch, daß gefühlt jeder zweite Song ein SAVATAGE-Song war. Diese Stücke haben auch mit Abstand die meisten Publikumsreaktionen erhalten. Und so bleibt zu hoffen, daß es beim nächsten Mal vielleicht sogar noch ein paar mehr sind.

Die einzige Frage, die ich mir jetzt noch stelle: Liebe Leute, ihr spielt Songs von SAVATAGE. Ihr verkauft Merchandise von SAVATAGE (und das war dieses Mal deutlich günstiger als beim letzten Mal, mit dem Effekt, daß die Leute kauften wie blöde – ja, ich auch). Es stehen mit Chris Caffery, Al Pitrelli, Johnny Lee Middleton und Jeff Plate schon vier Mitglieder von SAVATAGE auf der Bühne. Jon Oliva ist auch unmittelbar an TSO beteiligt. Warum könnt ihr nicht einfach noch einmal eine Tour unter dem Banner SAVATAGE machen? Warum nicht? Ihr würdet so viele Menschen sehr glücklich machen. (Anne)


Setlist TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA:
Time and Distance
Winter Palace
Narration: Best Of Times
This Is the Time (1990) (Savatage)
Christmas Jam
Handful of Rain (Savatage)
A Last Illusion
Gutter Ballet (Savatage)
Narration: Satan
Misery
Mephistopheles' Return
Mozart/Figaro
Sparks
Narration: Poets & Madmen
The Hourglass (Savatage)
Someday
Child Unseen
Believe (Savatage)
Wish Liszt (Toy Shop Madness)
Narration: Beethoven's Heart
After the Fall
Wizards in Winter
All That I Bleed
Dreams of Fireflies (On a Christmas Night)
Carmina Burana
Narration: Lost Christmas Eve (Is there a wrong?)
Epiphany
The Mountain
Piano Solo / Deutsche Nationalhymne (angespielt)
Beethoven
Narration: Closing
Requiem (The Fifth)
Christmas Eve (Sarajevo 12/24) (Savatage)


Kategorie: Konzerte