Damian Wilson Ensemble + Dennis Benedict (27.10.2013 Uden (NL))

live 20131027 0001Als guterzogener, angepaßter deutscher Bürger macht man sonntags was? Richtig, man geht in die Kirche. Und obwohl ich weder gut erzogen noch angepasst bin, gehe ich diesen Sonntag – in die Kirche. Aber nicht morgens, sondern abends, wenn es schon dunkel ist (woohoo!). Aber auch nicht in Deutschland, sondern mich hat es in das niederländische Uden verschlagen, wo heute Abend Damian Wilson, seines Zeichens Frontmann von THRESHOLD, mit seinem DAMIAN WILSON ENSEMBLE aufschlagen wird. Und zwar in der Kruisherenkapel, die gar nicht so einfach zu finden ist.

Während ich mich zu Fuß auf den Weg mache (und natürlich – google maps sei Dank – auf der falschen Straßenseite suche) hält auch schon ein Taxi neben mir, dessen Insassen sich nach dem Weg zur Kruisherenkapel erkundigen. Also wird kurzerhand gemeinsame Sache gemacht und wir machen uns gemeinsam auf den Weg. Meine neue Bekanntschaft ist aus der Schweiz und ein schöner Beweis dafür, dass ich nicht der einzige bekloppte Mensch bin, der für Konzerte auch mal etwas weiter fährt. Nachdem wir noch einmal gefragt haben, stehen wir auch schon vor der Kruisherenkapel, die von außen nicht soo viel daher macht (vor allem nicht, da man ja schon an der Sint Petruskerk vorbeigelaufen ist). Doch drinnen verschlägt es einem die Sprache. Der Innenraum der Kapelle, bzw. Kirche, die auch noch normal für Gottesdienste genutzt wird, ist in Nebel gehüllt, Scheinwerfer beleuchten die Decke und bewegen sich zur sanften Musik, die läuft. Da beginnt die Magie schon, bevor ein Musiker die Bühne betritt. Also, schonmal anfangen zu freuen und dann einen Platz suchen, denn das Konzert ist bestuhlt. Das ist einerseits etwas doof, andererseits kann man so aber den vorhanden Platz gut füllen, denn das Konzert ist alles andere als ausverkauft.


DENNIS BENEDICT
Den Opener macht DENNIS BENEDICT Was der dem Publikum so erzählt, das kann ich leider nicht verstehen, denn mein Niederländisch ist eher rudimentär und beschränkt sich auf unglaublich wichtige Vokabeln wie „bromfiets“. Aber es scheint lustig zu sein und entweder hat er einige Fans mitgebracht oder die Songs die er spielt sind in den Niederlanden besonders populär. Jedenfalls kommt er sehr gut an und ich muß sagen, daß er auch wirklich nicht schlecht ist. Auch paßt er sehr gut ins Vorprogramm da er Damian Wilson stimmlich doch ähnelt. Und ob jetzt an Gitarre oder Mundharmonika – er macht mit seinen beiden Begleitern immer eine gute Figur. Daß DENNIS BENEDICT fast 45 Minuten spielt, fällt eigentlich kaum auf, es ist sehr angenehm ihm zuzuhören, zumal man ja auch sitzen und sich entspannt zurücklehnen kann.

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DAMIAN WILSON ENSEMBLE
Nach einer kurzen Umbaupause geht es dann mit dem DAMIAN WILSON ENSEMBLE weiter. Das besteht neben Damian Wilson selbst aus Bill Shanley (Gitarre), Tony Woolard (Cello), Andrew Holdsworth (Keyboard) die ihn auf den drei Konzerten an diesem Wochenende unterstützen. Im Mittelpunkt steht aber ganz klar Damian, der seine Fans aus den unterschiedlichsten Bereichen rekrutieren kann. Neben zahlreichen „Normalos“ sieht man im überwiegend älteren Publikum aber durchaus das ein oder andere THRESHOLD-, AYREON- oder DAMIAN WILSON BAND-T-Shirt. Insgesamt sind die Metalshirts aber doch eher in der Unterzahl. Kein Wunder, denn was es heute Abend gibt, ist doch eher Singer/Songwriter-Material, damit kann nicht jeder Metalfan etwas anfangen, auch wenn er vielleicht Fan einer Band wie THRESHOLD ist.

Wie auch immer; mit „Soldier“, einem HEADSPACE-Song (den Damian ursprünglich jedoch für sein Soloprojekt geschrieben hat), wählt Damian einen eher ungewöhnlichen Einstieg; normalerweise taucht dieser Song etwas später in der Setlist auf. Und noch vor Ende des Songs springt Damian auf und rennt in den Zuschauerraum und schaut kritisch zur Bühne. Um dann auch gleich zu erklären: „Für alle die sich wundern, was ich hier mache – ich muß mal gucken. Ich muß mal gucken, wie das aus eurer Sicht so aussieht – ist das nicht eine fantastische Location hier? Ist es hier nicht wundervoll?“ Da ist er wieder – der extrem begeisterungsfähige Damian Wilson.

Aber Recht hat er. Die Kruisherenkapel ist eine wirklich mehr als nur schöne Konzertlocation. Die sowohl Vor- als auch Nachteile hat, wie Damian recht schnell erkennt: „Das ist schön, daß ihr so ruhig seid und einfach nur zuhört. Sonst unterhalten sich die Leute immer während meinen Auftritten. Aber andererseits sollten wir jetzt eigentlich alle im Pub sitzen und nicht in einer Kirche.“ Und auch nach dem Auftritt meint Damian, daß er normalerweise während seinen Auftritten ja viel mehr redet – aber hier hat er sich unwohl dabei gefühlt, es hätte einfach die Atmosphäre zerstört. Wobei ich diese Meinung nicht unbedingt teilen kann, denn die Ansagen, die er gemacht hat, waren überhaupt nicht störend.

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Störend sind da schon eher die Flaschen und Gläser, die immer mal wieder umgetreten werden und nicht nur beim IRON MAIDEN-Cover „The Evil That Men Do“ zu einer Unterbrechung des Songs führen. Aber auch solche Situation kann Damian gekonnt bewältigen. Ich bin mal gespannt, wie das auf den Aufnahmen rüber kommt, denn das komplette Konzert wird mit mehreren Kameras gefilmt. Wofür diese Aufnahmen später mal verwendet werden weiß ich nicht, ich würde mich jedoch freuen, sie irgendwo mal zu sehen, denn das hier ist definitiv ein Konzert, an das man sich gerne zurück erinnert.

Die Kirchenatmosphäre überträgt sich auch auf das Publikum, das sich nicht so recht animieren läßt, das als „Shakespeare-Song“ angekündigte „The Evil That Men Do“ lauter als im Flüsterton mitzusingen – so viel also zu den rebellischen Metallern. Danach ist aber erst mal Pause und man stellt mit Verwunderung fest, daß die letzten 45 Minuten wie im Flug vergangen sind. Denn egal, was Damian so vorträgt – es wird einfach nicht langweilig. Und neben Covern gibt es natürlich hauptsächlich Solo-Material wie das wunderschöne „Part Of Me“. Und dazwischen immer mal wieder eine lustige Ansage von Damian, die dann auch gerne mal die Kirchenatmosphäre zerstört: „Wenn ich euch fragt, warum ich grade lachen muß…mit dem Nebel und dem Licht hier sieht es aus, als würdet ihr alle in Flammen stehen.“

So geht es auch nach der Pause weiter. Teefetischist Damian freut sich, daß es heute nicht nur Tee für ihn auf der Bühne gibt: „Die verkaufen hier Tee, habt ihr das schon bemerkt? Heute gibt es Tee für alle!“ Auch im zweiten Set beweist Damian seinen Sinn für Humor, als er „Homegrown“ als „Dutch Song“ ankündigt – und nicht nur die Niederländer müssen da dann trotz Kirchenatmosphäre lachen. Sehr schön umgesetzt auch das DEPECHE MODE-Cover „Somebody“, das auch akustisch perfekt klingt. Ich liebe ja DEPECHE MODE. Und jetzt liebe ich Damian noch mehr.

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Mit “Mansion” gibt es dann auch noch Futter für die THRESHOLD-Fans. Wer aufmerksam war, der konnte diese Version schon im Frühjahr auf der Homepage des WDR-Rockpalastes hören. Live ist der Song aber eben nochmal eine ganze Ecke intensiver. Mit „Subway“ und „When I Leave This Land“ gibt es dann nochmal zwei Eigenkompositionen, dann ist überraschend schnell auch der zweite Teil vorbei. Und der beschert Damian Wilson dann standing ovations, die Zuschauer geben überhaupt keine Ruhe und so darf es noch eine Zugabe sein. Nach der ist aber leider endgültig Schluß. Doch wie Damian halt so ist, von der Bühne geht es direkt zu den Zuschauern, wo jeder dann nochmal ein Erinnerungsfoto schießen oder sich einfach nur mit Damian unterhalten darf.

Für mich heißt es dann sich auf den Heimweg machen, immerhin liegen noch fast 4 Stunden Autofahrt vor mir. Aber was soll’s, das ist es auf jeden Fall wert. Ein solch schönes und emotionales Konzert, noch dazu vor einer solch fantastischen Kulisse, habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Und immerhin war ich auch nach ca. 20 Jahren zum ersten Mal wieder sonntags in der Kirche. (Anne)

Kategorie: Konzerte