Scorpions + True Calling (16.11.2012, Esch-sur-Alzette (LUX))

live_20121116_0001Seit ungefähr zwei Jahren befinden sich die SCORPIONS, Deutschlands erfolgreichster Rock-Export, auf Abschiedstournee, denn die Band hat angekündigt, sich nach mehr als 40 Jahren Bandgeschichte auflösen zu wollen und in Würde abzutreten. Respekt vor diesem Schritt, den nicht viele schaffen (anläßlich der neuesten Ankündigungen sehen wir aber mal, ob es die SCORPIONS dann auch wirklich in Würde schaffen, denn so ein bißchen sind sie ja schon zurückgerudert). 2012 findet nun der letzte Teil dieser Abschiedstournee statt und dabei macht die Band auch im benachbarten Luxemburg in der Rockhal Station.




TRUE CALLING
Im Vorprogramm spielen die Deutschen TRUE CALLING, die im letzten Jahr den deutschen Rock & Pop-Preis in der Kategorie „Bester Rocksong“ gewinnen konnten. Von denen sehe ich jedoch leider nicht viel. Dank eines Staus am Kreisel in Esch (warum eigentlich? soviel Verkehr war gar nicht und bei DEEP PURPLE letzte Woche lief alles rund) komme ich erst kurz nach Konzertbeginn an der Rockhal an. Und dort darf ich dann ewig in der Schlange für Presse und Gästeliste stehen. Normalerweise geht ein Einlaß bei der Rockhal ja sehr flott, keine Ahnung, was heute los ist. Am Ende ist es bereits 20:25, als ich endlich in der Halle bin und so bekomme ich von TRUE CALLING gerade mal noch einen Song mit. Der gefällt mir ganz gut, aber das reicht natürlich nicht, um eine fundierte Aussage über die Band zu machen.

SCORPIONS
Für die SCORPIONS wird dann in der Umbaupause viel geschraubt und gewerkelt. Am Ende bleiben sogar vier Leute in den Traversen sitzen und schauen sich von dort das Konzert an (und einer schafft es sogar im Laufe des Konzerts, dort oben, hinter dem Drumkit, einen Drumstick zu fangen). Doch obwohl der Umbau relativ schnell vonstatten geht, läßt die Band sich ordentlich Zeit (insgesamt 45 Minuten). Die Stimmung im Publikum ist zweigeteilt. Ein Teil freut sich über die tolle Pausenbeschallung, der Rest fängt ungeduldig an zu pfeifen. Die Pfeifer werden immer mehr, bis endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, die SCORPIONS die Bühne betreten und mit frenetischem Jubel begrüßt werden. Schon jetzt zeigt sich: Hier wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Die Bühne erstreckt sich über mehrere Ebenen (über die die Musiker auch permanent flitzen), das „Backdrop“ besteht aus drei riesigen LED-Wänden, über die immer wieder passend zu den jeweiligen Songs Filmsequenzen eingespielt werden, auf die Songs angepaßte Backdrops eingeblendet werden oder die auch einfach mal als Großbildleinwand verwendet werden, um das Geschehen auf der Bühne auch den weiter hinten Stehenden nahe zu bringen.

Mit „Sting In The Tail“ beginnt man mit einem Song vom aktuellen Album, doch schon hier gehen die Leute, vor allem für Luxemburger Verhältnisse, gut mit. Von diesem Album gibt es im Laufe des Abends noch zwei weitere Songs zu hören, ansonsten bleibt man aber den 70ern und 80ern treu. Bei „Make It Real“ wird der Drumriser, der sich zu Beginn der Show hoch über der Bühne befand, langsam auf ein normales Niveau herabgelassen. Die Stimmung ist von Anfang an gut, auch die Band scheint Spaß zu haben, nur Klaus Meine ist offensichtlich nicht ganz so gut bei Stimme, wie sich bei „Is There Anybody There?“ zeigt. Doch der braucht wohl bloß Zeit, um warm zu werden, denn später ist davon nichts mehr zu spüren. Noch dazu rennt der Sänger immer wieder die gesamte Breite der Bühne ab, damit auch alle Fans in den ersten Reihen mal in den Genuß kommen, ihn hautnah zu erleben. Meistens hat er dann ein Tamburin dabei, das, wenn es nicht mehr gebraucht wird, oft in hohem Bogen irgendwo auf der Bühne landet (und ich frage mich, wie hoch wohl der Tamburinverschleiß der Scorpions ist. Gibt es darüber eine Statistik?) Und wenn der gute Mann mal grade kein Tamburin zur Hand hat, dann werden eben kiloweise Drumsticks unter den Fans verteilt. Man braucht ja etwas in der Hand.

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Die ganze Band zieht es auch immer wieder auf den T-förmigen Steg, der weit ins Publikum hineinragt, teilweise werden die Songs komplett auf dem Steg, mehr oder weniger inmitten des Publikums zelebriert, so daß es kaum noch einen Grund gibt, überhaupt Richtung Bühne zu sehen. Mit „The Best Is Yet To Come“, „Send Me An Angel”  und “Holiday” gibt es einen ganzen Balladenblock, bei dem sogar Drummer James Kottak mit auf dem Steg hockt und die Bühne einsam und verlassen wirkt. Das Publikum ist zwar bei den Mitsingspielchen recht willig, auch „Holiday“ wird von der ganzen Halle mitgesungen, aber das hätte auch lauter sein können. Anscheinend war dem Publikum nicht so nach Balladen, sondern mehr nach Rock, denn bei der Ankündigung von „Raised On Rock“ ist der Jubel ähnlich groß wie später bei „Rock You Like A Hurricane“.

Schließlich ist es auch Zeit für die Kottak Attack, bei der der Drumriser wieder ganz nach oben gefahren wird und oftmals bedenklich schwingt. Das hindert James Kottak aber nicht daran, trotzdem auf seinen Drums herumzuklettern und (zum zweiten Mal für heute Abend) sein Rückentattoo zu präsentieren. Ja, und nebenbei spielt er natürlich noch ein ausgedehntes Drumsolo, das aber zum Glück nicht so langweilig ist, wie die der meisten seiner Kollegen, denn er bezieht auch das Publikum mit ein und ja, er hat halt einfach was drauf. Der ein oder andere mag das Gehabe des Amerikaners arrogant finden, aber so macht man eben Show. Dazu wird auch die ganze Bühne extra für den Drummer in Szene gesetzt.

Aber auch der Rest der Band war nicht untätig, denn Gitarrist Rudolf Schenker hat sich für „Blackout“ in Szene gesetzt und trägt das vom Cover der gleichnamigen Scheibe bekannte Outfit mit lecker Gabeln in den Augen. Das ganze wird noch mit passenden Videoeinspielungen und Nebel aus der Gitarre optisch untermalt – perfekt. Und das Publikum flippt aus (sofern man beim Luxemburger Publikum, das zugegebenermaßen überwiegend der Generation 50+ angehört, von ausflippen sprechen kann). Aber es ist halt schon geil. „Big City Nights“ markiert leider das Ende des Auftritts und hier wird nochmal alles gegeben. Die Bühne ist so beleuchtet, daß man das Gefühl hat, mit der Band zusammen durch eine Großstadt zu laufen. Und irgendwie gingen die letzten fast anderthalb Stunden verdammt schnell rum. Man mag es fast nicht glauben.

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Aber es ist ja klar, daß noch eine Zugabe kommt. Und in der sind dann all die Songs, die untrennbar mit den SCORPIONS verbunden sind und die auch ihre größten Hits darstellen. „Still Loving You“, „Wind Of Change“ und „Rock You Like A Hurricane“, dann verläßt die Band endgültig die Bühne. „Wind Of Change“ hätten viele Anhänger wohl nicht unbedingt gebraucht, das sektschlürfende (seit wann gibt es Sekt auf Rockkonzerten? What happened to this world???) „Eventpublikum“ aber ist begeistert. Und “Rock You Like A Hurricane” ist halt auch nach all den Jahren immer noch ein verdammt starker Song. Besser kann man nicht in die Nacht entlassen werden.

Das war also das Konzert der SCORPIONS in der Rockhal. Ich frage mich, ob ich die Band jemals wieder live sehen werde und so ein bißchen Wehmut schwingt da schon mit (die verfliegt aber ganz schnell wieder, wenn der Blick auf den Merchstand fällt. 30 € für ein T-Shirt ist doch mehr als happig. Nein, danke.). So langsam setzen sich die ganzen alten Helden zur Ruhe und die Frage bleibt: Was kommt danach?


Setlist SCORPIONS:
Sting In The Tail
Make It Real
Is There Anybody There?
The Zoo
Coast To Coast
Loving You Sunday Morning
The Best Is Yet To Come
Send Me An Angel 
Holiday 
Raised On Rock
Tease Me Please Me
Hit Between The Eyes
Kottak Attack
Blackout
Six String Sting
Big City Nights
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Still Loving You           
Wind Of Change
Rock You Like A Hurricane

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