Am Dienstag den 20. November 2007 war im Saarbrücker Roxy finnischer Abend angesagt, zumindest was das musikalische Programm betraf. Auf Requisiten wie Birken - und Nadelbäume oder künstliche Seen würde aus Platzgründen verzichtet. Denn AMORPHIS luden mit einigen Landsmännern als Support und Saarbrücken folgte dieses mal sehr zahlreich, was im Roxy in letzter Zeit nicht immer der Fall war.
Die Düstermetaller vom Land der tausend Seen befinden sich seit dem Einstieg ihres neuen Sängers Tomi Joutsen auf einem kreativen Höhenflug. Innerhalb von anderthalb Jahren veröffentlichten sie mit „Eclipse" und Silent Waters" zwei starke Alben, mit denen sie einige Fans zurückgewinnen konnten. Zeit also um wieder eine Headliner-Tour in Angriff zu nehmen. Als Vorbands konnten sie ihre Landsleute von der Death-Doom-Entdeckung SWALLOW THE SUN und den Melodic-Deathern INSOMNIUM verpflichten.

Als erstes mussten sich INSOMNIUM auf die Bretter quetschen, denn viel Platz war auf der Bühne dank zweier Drumkits und Keyboards wahrlich nicht. Die Nordmänner nahmen es gelassen, verzichteten auf großartiges Stageacting und schüttelten ihre Matten im Stehen.
Das passte ausgezeichnet zu ihrem melodischen Todesstahl, wobei die Betonung eindeutig bei den Melodien liegt. Die beiden Villes an den Äxten spielten sich ständig schöne Lead-Fills zu, die man vor allem von frühen PARADISE LOST her kennt. Durch den starken Folk-Einfluss tendiert das Ganze auch schon mal in Richtung Viking-Metal, ohne dabei auf dessen plakative Wucht zurückzugreifen.
Sänger und Bassist Niilo Sevänen hat dazu trotz seiner sehr tiefen Stimme ein paar sehr schöne Melodiebogen auf Lager, die sich leicht im Ohr festsetzen. Das erleichterte dem Publikum den Zugang zu ihrer Musik, zumal die Saitengaloppaden recht rockig daher kamen. So war es denn auch nicht verwunderlich, dass sich nach einem Song abtasten die ersten direkt vor der Bühne einfanden, um ihrerseits das Haupthaar zu schütteln.

Und nicht nur im deftigen Bereich konnten INSOMNIUM punkten, sie zelebrierten mit Unterstützung von SWALLOW THE SUN-Keyboarder Alexi Munter auch schöne raumgreifende Klangteppiche. Diese getragenen Momente hatten aber immer noch den Drive der rockigen Parts, flossen sehr schön dahin.
Dazu war die Truppe auch sehr spielfreudig und ging auf ihr Publikum ein. Sevänen glänzte sogar mit ein paar lustigen Ansagen in Deutsch. So kamen immer mehr nach vorne, um die Band zu feiern, für einen Opener war schon gut was los. Die Songauswahl bestand fast ausschließlich aus Material ihres aktuellen Abums „Above the Weeping World". Von den Vorgängern wurde nur je ein Song dargeboten, überzeugen konnten sie alle.

Setlist INSOMNIUM:
The Gale
Mortal Share
Drawn to Black

The Killjoy
The Elder

Last Statement
The Day it all came down

Devoid of Caring

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SWALLOW THE SUN nahmen nun den melodischen Leitfaden ihrer Vorgänger auf und bauten ihn noch weiter aus. Noch tiefer ging die Atmosphäre in ihren ausufernden Instrumentalpassagen. Da wurden teils wunderschöne Soundlandschaften in den kleinen Club projeziert. Das ganze war eingebettet in klassischen Death-Doom, wie man ihn von MY DYING BRIDE oder frühen ANATHEMA kennt.
Natürlich haben beide Supports die Musik des Haupt-Acts auch schon gehört, aber in dem bereich gehören AMORPHIS in Finnland zu den relevantesten Combos. Pures abkupfern kann man ihnen beide beileibe nicht vorwerfen, es macht sich eben immer dieses Gespür für Melancholie und Melodie bei den Menschen aus Suomi bemerkbar.
Während SWALLOW THE SUN die meiste Zeit zwischen molltönenden Lava-Riffs und Soundflächen hin - und herpendelten, kam doch ab und an das rohe des Metal zum Vorschein. Ab und an leistete man sich einen oder anderen derben Ausbruch, die von tief klingenden Gitarrenattacken nach vorne gepeitscht wurden. Das brachte zusätzlich Farbe und Abwechslung in das Gesamtbild.

Und die war bitter nötig, denn die sechs Musiker, die noch weniger Platz hatten als die vor ihnen Platzierten hatten einen minimalen Bewegungsradius. Frontmann Miko Kotamäki versteckte sich hinter seinem Mikroständer, die Mütze tief ins Gesicht gezogen, während er das leid, das die Kompositionen verkünden in sich aufnahm. Auch seine Mitstreiter fanden nicht den Draht zu ihren Fans, wichen immer wieder voll Scheu ihren Blicken aus. Finnen eben, das liegt in ihrer Natur, aber da muss einfach ein bisschen mehr kommen.
So verflog die anfängliche Euphorie recht schnell und es wurde zusehends ruhiger im Publikum. Schade, denn die Songs, die von allen drei Veröffentlichungen stammten, haben Klasse. Musikalisch versprühen SWALLOW THE SUN eine gewisse Magie, wenn live noch mehr kommt, gehört ihnen die Zukunft.

Setlist SWALLOW THE SUN:
Hope
Descending Winters
Don´t fall asleep
The Morning never came
These Hours of Despair
Out of this gloomy Light
The Ship
Swallow

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Ähnliches konnte man dann auch vom Hauptact des Abends behaupten, denn auch AMORPHIS konnte ihre anfängliche, wenn auch irgendwie charmante Scheu, nur schwer überwinden. Selten hat man erlebt, dass eine Band erst warm werden muss, während vor der Bühne kaum Zurückhaltung herrschte.
Schon beim psychedelischen Intro von „Two Moons" flogen die Matten, die Fäuste und Hörner. Der proppenvolle Laden kam so richtig in Wallung als die Finnen den recht ausgewogenen Querschnitt ihres Schaffens präsentierten. Bis auf die Tatsache, dass Songs vom „Tuonela"-Meisterwerk fehlten, konnte sich keiner beklagen.
Und der mittlerweile nicht mehr so neue Frontmann Tomi Joutsen war dann auch der erste, der sich aus seiner Introvertiertheit löste. Nach dem zweiten Song stellte er seinen Mikroständer in die Ecke und fing an, die wuchtigen, mitreißenden Kompositionen zu durchleben. Er meisterte sowohl vom Stageacting als auch von der Stimme her alle Facetten der Musik seiner Truppe, ob von verträumt schwebend bis zu derbe auf die Zwölf.
Doch nicht nur deswegen war er der richtige Mann für den Posten. Denn genauso wie er wieder Feuer in die Band brachte, die am Boden lag, animierte er seine Mitstreiter an diesem Abend zu mehr Temperament. Nur sein legendärer Haarrotor mit seinen Endlos-Rastas kam aus Platzgründen nicht zum Einsatz, auch wenn die Headliner mehr Bewegungsfreiheit hatten

Der erste der folgte war Bassmann Niklas Etelävuori, der dann öfter als nur für seine Backingvocals an den Bühnerand kam. Und auch Tomi Koivusaari mimte nun breitbeinig den Rocker, während er seine Riffs zockte. Sein Gegenüber Esa Holopainen hingegen lebte seine ganze Emotion an seinem Instrument aus, stand immer trittbereit hinter seinem Effektgerät, das er ausgiebig benutzte, liebste Disziplin im übrigen das WahWah-Pedal.
Und was für Töne er seiner Sechssaitigen entlockte. Kaum ein Gitarrist hat so einen warmen Ton wie der bärtige Mann aus Helsinki, einfach schön zu hören. Und über all den dezenten Posen, in die er sich schmiss spielte er meisterhaft mit den Möglichkeiten seines Arbeitsgerätes. So entstanden, die tollen Melodien an der Schnittstelle vom Metal zum Folk, die AMORPHIS wie keine andere Band beherrschen.
Sein kongenialer Partner sorgte dafür, dass diese auch kraftvoll nach vorne getrieben wurden, um sich nicht vollends im Schönklang zu verlieren. Ist dieses Zusammenspiel auf Platte schon eine Klasse für sich, so gewinnt es live durch die plastische Vorführung noch an Dynamik. Vollkommen eigenständig und stilprägend für gleich mehrere Genres. Auch wenn ich mich für viele zu weit aus dem Fenster lehne, aber ich stelle die beiden auf eine Stufe mit solch legendären Axt-Duos wie Downing/Tipton, Hannemann/King oder Perry/Whitford.

Der Sound war auch wie den ganzen Abend für den etwas verwinkelten Club schon gut, nur Joutsens Gesang hätte man etwas mehr herausmischen können. Dafür kam das Gesamtbild klar und druckvoll rüber. Als die Formation, allen voran der Fronter endlich mehr den Zugang zu ihren Fans gefunden hatten, fraß die Meute aus der Hand. Dieser übte sich darin sein Mikro hochzuhalten und im Takt darauf zu deuten, um dem Publikum noch lautere Beifallsbekundungen zu entlocken. Seine Nebenleute kommunizierten nun auch gelegentlich durch Blicke und Gesten mit dem Auditorium, lediglich mit Ansagen wurde gegeizt.
Doch die waren auch nicht nötig, die Songs sprechen für sich und es sind immer noch die Nummern vom 94er Durchbruchalbum, die am meisten abgefeiert werden. Bei „Drowned Maid" kam dann auch Miko Kotamäki noch mal auf die Bühne, um AMORPHIS zu unterstützen. In Finnland kann diese Songs ohnehin wohl jeder im Schlaf mitsingen. Genauso nett war der Zug mit „Perkele" auf Zuruf noch einen weiteren Song in den Set zu integrieren. So kam man mit drei Zugaben auf satte eineinhalb Stunden, die wie könnte es anders sein mit ihrem großen Hit zu Ende gingen, der aus allen Kehlen mitgesungen, oder besser - gegrunzt wurde.

Ein sehr gelungener Abend ging leider schon zu Ende, und es dürfte keiner der Anwesenden sein Kommen bereut haben, zumal der Eintrittspreis sehr fair war. Alle Bands wussten auf ihre Art zu überzeugen und gaben trotz der stilistischen Enge ein weitreichendes Bild zeitgemäßen Schwermetalls zum Besten. Eine beeindruckende Leistungsschau finnischer Düstermetalkunst! (MetalPfälzer)

Setlist AMORPHIS:
Two Moons
Servant
The Smoke
On Rich and Poor
Drowned Maid
Her alone
Against Widows
Silent Waters
Sign from the North Side
Alone
My Kantele
Perkele (The God of Fire)
The Castaway
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Towards and against
House of Sleep
Black Winter Day

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Alle Photos von Kata!

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