Long Distance Calling (23.09.2020, Neunkirchen)

live 20200923 0100 longdistancecallingKonzerte. Früher, da waren sie Alltag. Da war ich im Schnitt einmal pro Woche auf einem Konzert. Früher, da hatte man Luxusprobleme wie „Drei Konzerte, auf die ich gerne gehen würde, finden am gleichen Tag statt! Wo geh‘ ich denn jetzt hin?“. Früher, das war im Februar, auch noch Anfang März, bevor Covid19 die Welt ausbremste und insbesondere Kulturveranstaltungen vollkommen lahmlegte. Monatelang konnte man auf kein Konzert. Bis mal Konzepte erarbeitet waren, bis auch die Politik wieder Kulturveranstaltungen erlaubte.

Und noch immer sind Konzerte eine Seltenheit. Seit März war ich auf einem Konzert im Juli, das im Freien stattfand. Mit Maske und Abstand und Tischen und Bedienung. Aber es war ein Konzert. Endlich wieder. Bis Anfang September musste ich auf das nächste Konzert warten – auch hier wieder Masken, Stühle, Abstand. Aber ein Konzert. Und so langsam läuft es wieder an. Am 23.09. war es nun auch in Neunkirchen wieder soweit und LONG DISTANCE CALLING sollten in der neuen Gebläsehalle aufspielen. Und hier war der Name Programm.

In der großen Halle stehen die Tische in weitem Abstand zueinander, will man die Tische verlassen, muss man natürlich eine Maske anziehen, Getränke und Snacks werden gebracht. Schön ist es, endlich wieder auf einem Konzert in der Heimat zu sein. Schön ist es, endlich wieder ein paar Bekannte zu treffen, die man zum Teil schon ewig nicht mehr gesehen hat. Allein – es heißt Abstand halten. Das ist irgendwie schon bitter. Aber – es ist ein Konzert, endlich wieder Livemusik. So richtige, echte Livemusik. Kein Onlinestreaming oder ähnliches. Bei der Kulturgesellschaft Neunkirchen hat man sich viel Mühe gegeben, die Tische sind geschmackvoll dekoriert, die Stühle bequem und die Leute, die alleine kommen, können am Hallenrand in Ohrensesseln sitzen.


LONG DISTANCE CALLING
Wir haben Glück und bekommen einen Platz ziemlich weit vorne mit guter Sicht zugewiesen. Ziemlich pünktlich geht es um kurz nach 20:00 Uhr los und schon bei den ersten Tönen kann man sofort wieder in die typischen Soundlandschaften von LONG DISTANCE CALLING eintauchen. Es ist fast normal. Nur, dass ich eine Maske trage, es keinen Fotograben gibt und die Leute hinter mir sitzen und nicht stehen. Aber all das kann man zu den Klängen der Band auch ganz wunderbar ausblenden.

Ja, es ist etwas nervig, sitzenbleiben zu müssen. So manch einen hält es kaum auf dem Stuhl, da wird gewippt, geklatscht, die Haare geschüttelt. Am Rand, wo man niemandem die Sicht versperrt, steht auch der ein oder andere auf. Denn es fühlt sich schon etwas seltsam an, ein solches Konzert im Sitzen zu verfolgen. Aber man muss auch die positiven Seiten sehen. So wie Gitarrist Florian Füntmann, der zwischendrin mal sagt: „Wisst ihr was? Das sieht fantastisch aus von hier oben!“ Von hier unten auch! Die vielen Tischgruppen im Saal mit Kerzen, dazu LONG DISTANCE CALLING auf der Bühne mit stimmungsvoller, sparsamer Beleuchtung – es passt einfach.

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Bei der Setlist konzentriert man sich vor allem auf das aktuelle Album „How Do We Want To Live?“, das im Juni erschienen ist. Dabei spielt man nicht nur „ein paar neue Songs“, sondern fast das komplette Album. Dennoch kommt auch der Rest der Diskographie nicht zu kurz, denn am Ende spielt die Band fast zwei Stunden lang. Und hätte, wenn es nach den Zuschauern gegangen wäre, auch ruhig noch länger spielen können. Mit Jubel wird nicht gespart, auch wenn es sich seltsam anfühlt, in kleinen Grüppchen an Tischen zu applaudieren und zu jubeln anstatt in der großen Masse.

Andererseits ist das Sitzen auch wieder nicht so schlecht. Hier kann man gefahrlos die Augen schließen und in die Klangwelten der Münsteraner eintauchen, ohne befürchten zu müssen, gleich angerempelt zu werden. Ganz für sich kann man sich der Musik des Vierers hingeben und sie genießen. Und LONG DISTANCE CALLING nehmen die Zuschauer immer wieder mit und beweisen ein ums andere Mal, dass gute Musik nicht unbedingt einen Sänger braucht. Zur Zugabe lassen sie sich allerdings relative lange bitten. „Metulsky Curse Revisited“ wird vom Publikum nochmal besonders abgefeiert, begeistert wird mitgeklatscht... und dann ist das Konzert leider schon zu Ende. Gefühlt viel zu früh, denn die zwei Stunden sind wie im Flug vergangen; ich und sicher viele andere auch haben dieses Konzerterlebnis sehr genossen.

Denn wir durften endlich mal wieder ein Konzert erleben. LONG DISTANCE CALLING und die Kulturgesellschaft Neunkirchen haben gezeigt, dass es auch in diesen Zeiten möglich ist, ein Konzert zu veranstalten. Mit deutlich mehr Aufwand, mit Unannehmlichkeiten, aber es ist möglich. Und die Zuschauer in der ziemlich vollen Gebläsehalle haben gezeigt, dass sie willens sind, diese Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen, um ein Konzert erleben zu können. Ja, es ist anders. Und es nervt ein bisschen. Aber es ist ein Konzert, wir können endlich wieder Livemusik erleben, Musiker, Lichttechniker, Soundingenieure, schlicht alle, die an einem solchen Konzert beteiligt sind, können endlich wieder arbeiten, wenn auch immer noch in sehr reduziertem Umfang. Aber es ist möglich, auch in Zeiten von Corona. Und das ist schön. Hoffen wir, dass es nun langsam aufwärts geht, dass es keinen erneuten Lockdown gibt, und dass Bands und Clubbetreiber diese Krise überleben (just einen Tag vor dem Konzert haben ja ANATHEMA ihre „Pause auf unbestimmte Zeit“ bekannt gegeben – ich wünsche mir, dass nicht noch mehr Bands diesen Schritt gehen müssen). Also hoffen wir und unterstützen diejenigen, die in diesen Zeiten trotz aller Widrigkeiten etwas auf die Beine stellen. (Anne)


Setlist LONG DISTANCE CALLING:
Curiosity (Part 1)
Curiosity (Part 2)
Hazard
In The Clouds
Ductus
Black Paper Planes
Voices
Immunity
Sundown Highway
Sharing Thoughts
Out There
Apparitions
Arecibo (Long Distance Calling)
Ashes
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Metulsky Curse Revisited

 

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