Metal Church + Armored Saint (16.07.2019, Aschaffenburg)

metalchurch tourflyerIn der heutigen Situation auf dem Musikmarkt hat sich das Sommerloch eigentlich komplett verflüchtigt. Viele Bands sind auch in der Mitte des Jahres auf Tour oder nutzen die Pausen zwischen Festivals für ein paar Einzelkonzerte. METAL CHURCH haben ihr letztes Album „Damned If You Do“ bisher noch nicht betourt und sind damit in diesen Tagen unterwegs. Um die Gigs für Fans noch attraktiver zu machen hat man mit einer weiteren US-Metallegende ein feines Headbanger-Paket geschnürt. Niemand Geringeres als ARMORED SAINT bietet auf der Doppel-Headlinertour im Gepäck der Mannen aus Seattle einen richtigen Leckerbissen für Genrefreunde. NECKBREAKER traf in Aschaffenburg viele von ihnen an, und erstmals kam mir der dauerrotierende Ventilator gerade recht, denn es wurde heiß im Colos-Saal.

ARMORED SAINT
Das lag an den hohen Außentemperaturen, der nicht geringen Luftfeuchtigkeit und dem Auftritt der gepanzerten Heiligen. Jene Formation, die erfolgstechnisch weit unter dem blieb, was sie verdient gehabt hätte, zeigte warum sie Kritiker und treue Fans immer wieder überzeugen kann. Schon mit den ersten Tönen gab es kein Halten mehr, weder vor noch auf der Bühne. Der Titeltrack ihres dritten Albums wurde von der Rampe geprügelt und offenbarte eine Spielfreude von welcher sich ein Großteil der Kollegen eine Scheibe abschneiden können.

John Bush ist nach wie vor ein unglaublicher Frontmann, nicht nur seine Stimme auch seine Gestik mit dem hektisch nickenden Kopf ist charakteristisch. Verständlich, dass die Truppe nach seinem Abgang zu ANTHRAX nicht mehr existieren konnte, sein Organ ist in den Songs nicht zu ersetzen, passt sich perfekt den rauen Riffs an. Die Bühne schien ihm viel zu klein zu sein, da tobte er sich auf diversen Festivals so richtig aus.
So war er ständig ganz vorne zu finden, wo der Sänger immer wieder das Publikum anstachelte. Bereits beim folgenden Klassiker vom Debüt erntete er viele Singalongs, der Saal stand voll hinter der band und die Fäuste wurden gereckt. Zwar sah er in einem mit Ornamenten verzierten Outfit aus wie Yul Brynner in diversen Filmrollen, der Metalattitüde tat das keinen Abbruch. Ich frage mich, ob Bush überhaupt noch was aus seinen Augen sehen konnte, so sehr lief ihm der Schweiß über den Kopf.

Dem wollten seine Nebenleute in Nichts nachstehen und gaben ebenfalls durchweg Vollgas. Die beiden Gitarristen Jeff Duncan und Phil E. Sandoval waren nicht nur perfekt aufeinander eingespielt, sie lebten jeden Ton, den sie aus ihrem ESP-Material zaubern konnten. Die Soli teilten sie sich zwar, Duncan hatte jedoch den gefühlt etwas größeren Anteil daran, wobei er immer wieder sein Instrument hoch riss.
Wenn dann Sandoval an der Reihe war, begab er sich nicht selten von seiner rechten Flanke in die Mitte, wo er seine Axt fast in die erste Reihe hielt, während die Finger über das Griffbrett flitzten. Sein Kollege gesellte sich während den zweistimmigen Leads zu ihm, wobei sie keinen Hehl aus ihrer Vorliebe für THIN LIZZY machten. Bei der Riffarbeit schüttelten beide dazu unablässig ihre Mähnen, die für ihr Alter immer noch üppig waren.

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Der Freak an den vier Saiten hatte ohnehin den Spaß in den Backen, es ist immer wieder eine Freude ihn zu sehen. Dazu hatte ich im Colos-Saal mehrfach die Möglichkeit, da er auch bei FATES WARNING aktiv ist. In seiner unnachahmlich gebückten Haltung zupfte er die dicken Saiten, grinste dabei unablässig und war kaum auf der Bühne zu halten. Beim Schlussakkord nach gut siebzig Minuten hielt die Integrationsfigur der Szene ihren Bass in die Menge und forderte diese auf, ihn zu bearbeiten.
Selbst sein Rhythmuspartner Gonzo, der Bruder von Sandoval sorgte für Publikumsinteraktion. Oft stand er hinter seinem Kit auf und feuerte die Menge an oder nahm zwischen den Songs genüsslich die Sprechchöre zur Geltung. Sein groovendes Spiel liefert die Grundlage für den eigenständigen Sound dieser Kapelle, wobei er ungewöhnlicherweise immer etwas nach rechts gewandt da saß. Doch wenn die knalligen Breaks kamen, rotierte er blitzschnell nach links durch und sorgte so für optisches Aufsehen.

In der Form wurde ein Höhepunkt nach dem anderen rausgeballert, die Formation hätte ewig weiter spielen können, sie wäre nicht müde geworden, soviel Power versprühte sie. Die lautstark mitgesungene Hymne von „Symbol Of Salavation“ wurde früh gebracht, wobei von dem Meisterwerk nur zwei Stücke auf dem Plan standen, wurde es doch im letzten Jahr komplett aufgeführt. Dafür packte die Truppe selten gehörte Schätze wieder aus und variierte die bei ihnen standesgemäß wenig standardisierte Setlist weiter. So kamen ein paar Kracher aus der dritten Reihe ihren frühen Alben zu Zuge, während ich leider weiter auf „The Aftermath“ warten muss.

Die Stücke der zweiten Garde wie „After Me, The Flood“ blieben außen vor, lediglich auf die ganz großen Hits konnten ARMORED SAINT nicht verzichten. Fast die Hälfte des Sets stammte aus den beiden ersten Scheiben. Das war natürlich ein weiterer Dienst am Fan, welche ihre gnadenlos abräumenden Helden über die komplette Spieldauer trugen, angesichts einer Umbaupause von mehr als dreißig Minuten wäre noch ein Zugabe drin gewesen. So standen die aufgewärmten Zuschauer lange herum, wobei die Herren aus Pasadena noch lange gefordert wurden und sich lange bedankten.

Setlist ARMORED SAINT:
Raising Fear
Can U Deliver
Creepy Feelings
Head On
Last Train Home
Underdogs
For The Sake
In The Hole
Seducer
Reign Of Fire
Nervous Man
Win Hands Down
March Of The Saint

METAL CHURCH
Doch wirklich abgekühlt war es nicht, als der Fünfer aus Seattle die Bretter enterte. Die Reihen standen fast noch dichter oder schien es nur so, weil viele sich in der Pause eine Getreidekaltschale gönnten. Die Kutten-Dichte war recht hoch, der weibliche Anteil allerdings eher gering und neben Shirts der beiden Protagonisten waren noch Jerseys von JAG PANZER im Trend. Natürlich das richtige Publikum, um genau dort anzuknüpfen, wo man zuvor aufgehört hatte. Zum ominösen „Ommmm“-Intro des titelgebenden Openers der neuen Scheibe begann die Maschinerie in die Gänge zu kommen.

Allerdings muss man dazusagen, dass sich die Männer um Kurdt Vanderhoof von der Bewegung her etwas zurück hielten, speziell der Bandboss blieb zu sehr an seinem Platz hängen. Das änderte nicht viel an der Spielfreude, welche die Formation versprühte, das Lächeln war allen in den 75 Minuten nicht aus dem Gesicht zu bringen. Dazu hämmerten sie ihre tendenziell etwas anspruchsvolleren Riffs mit Wucht aus ihren Äxten. Die Soli wurden komplett Rick vanZandt überlassen, welcher sein Instrument oft ungewöhnlicher Weise senkrecht vor seinem schlaksigen Körper hielt.

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So war es vor allem an Steve Unger für Stageaction zu sorgen und der lässige Rocker suchte viel Kontakt zu seinem Frontmann und dem Publikum. Zudem war er zu Späßen aufgelegt, immer wieder sorgte er bei Gesprächen mit seinen Kollegen für Lacher. Mich würde ja schon mal interessieren, was sich Musiker auf der Bühne so zustecken. Dadurch musste er zwangsläufig die meisten Meter aller Saitenartisten auf der Bühne machen, seinen fast bis an den Knien hängender Bass wippte er dabei cool durch die Gegend.

Sein Rhythmuspartner war ebenfalls bester Laune und schaute immer wieder unter seinen hoch hängenden Becken hindurch auf das Geschehen vor der Bühne. Überhaupt war sein Kit mit den beiden weit auseinander stehenden Bassdrums ungewöhnlich aufgebaut. Es ließ sich aber nicht von der Hand weisen, dass er von seiner Erkrankung noch etwas geschwächt ist. Ein paar Breaks ließ er doch unter den Tisch fallen und zog stattdessen seinen Rhythmus durch. Auch die ganz große Power schüttelte er nicht aus dem Handgelenk, doch angesichts seiner Geschichte ist es ein Wunder, dass er überhaupt an den Kesseln saß.

Ein wenig an Kraft eingebüßt haben auch die Gesten von Mike Howe, der etwas gehemmt wirkte. Zwar war er oft in seiner typischen knienden Haltung am vorderen Rand zu finden und taxierte dabei die Zuschauer sehr intensiv, doch genau jene Intensität fehlte mir bei seinem sonstigen Auftreten. Er tänzelte bisweilen etwas zu viel, anstatt die Wucht der Songs mit den entsprechen Bewegungen zu unterlegen. Dafür packte der Frontmann seine Aggressivität in seinen gesanglichen Vortrag, der den Melodien die nötige Power verlieh und sein Gefühl für Phrasierungen offenbarte.

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So war es nicht verwunderlich, dass nach dem einzigen Beitrag vom letzten Longplayer „XI“ erst einer der ganze großen Kracher der Truppe die Stimmung auf das Niveau von vorher hievte. Doch damit war das Eis gebrochen und es ging munter weiter mit der früheren Howe-Ära, von der fast die Hälfte aller Songs stammten. Die neuen Titel kamen live besser als an, speziell der Schlusspunkt des regulären Sets reihte sich nahtlos in die Klassiker ein.
Leider kam das Debüt wieder zu kurz, die Reaktionen auf den einen obligatorischen Song fielen so euphorisch aus, dass die Band da mal nachlegen könnte. Vor allem wird aus der Wayne-Zeit immer die selbe Ballade gespielt, ein wenig Abwechslung schadet nicht, auch wenn der Refrain wieder durch den gesamten Club schallte und Howe nur den Ton vorgeben musste. Ich jammere also schon auf verdammt hohem Niveau, doch wer sich eine Vorband wie ARMORED SAINT einpackt, der muss damit rechnen. (Pfälzer)

Setlist Metal CHURCH:
Damned If You Do
Needle And Surture
Badlands
Gods Of Second Chance
Date With Poverty
Start The Fire
No Friend Of Mine
Watch The Children Pray
The Black Things
Beyond The Black
By The Numbers
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In Mourning
Fake Healer

(Fotos: Pascal)

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