Lazuli (23.02.2019, Dudenhofen)

lazuli tourflyerSeit 20 Jahren treiben sich die Franzosen in der Prog-Szene herum, ohne den wirklichen Durchbruch geschafft zu haben. Dabei heimsen sie immer großartige Kritiken ein, zuletzt vor einem Jahr mit ihrem achten Studiodreher "Saison 8". Aufgrund ihrer Livequalitäten hat man zumindest in den letzten Jahren im wichtigen deutschen Markt auf sich aufmerksam machen können. Hier waren sie mit bedeutenden Szeneprotagonisten wie RIVERSIDE und FISH als Support unterwegs. Spätestens auf der letztgenannten Konzertreise haben sie mich sehr beeindruckt, weswegen ich sie einmal mit ihrem eigenen Programm erleben wollte. So reiste NECKBREAKER für Euch in die Vorderpfalz, wo man zwischen Wingerten und Spargelfeldern weniger Rockfans vermutet. Doch weit gefehlt, was der Abend in der Dudenhofener Festhalle so bot, lest ihr hier.

Ein Kulturverein sorgt dort nämlich dafür, dass Interessierte nicht immer nach Mannheim oder noch weiter fahren müssen, um vernünftiger, handgemachter Musik livehaftig zu lauschen. Ein paar Veranstaltungen stellen sie im Jahr auf die Beine, die zeitweise so gut besucht sind, dass man wie an dem Samstag kurzfristig aus dem Bürgerhaus in die größere Halle umziehen musste. Es spricht für den Geschmack der Macher hinter dem Verein, solch einen Geheimtipp einzuladen, das Publikum in dem typischen Zweckbau war dann auch bunt gemischt, der klassische Proggie traf auf Altrocker und eher Neugierige wie natürlich viele LAZULI-Liebhaber.

Ein wenig seltsam mutete das Ambiente schon an, das eher auf Theaterveranstaltungen ausgelegt war. Die Bühnenbeleuchtung überstrahlte die ohnehin minimalistische Lightshow und der Soundmann benötigte ein paar Songs, um die Höhen in den Griff zu bekommen. Doch das störte den Konzertgenuss nicht, dafür nehmen einen die Mannen aus Nîmes von Beginn an zu sehr gefangen. Dabei ist es schwer ihr Soundgebräu zu beschreiben, denn sie passen in kein herkömmliches Schema. Progressive Rockmusik ist das schon, und ab und an glaubt man andere Acts im Art Rock heraus zu hören, doch die Berührungspunkte liegen eher in der Herangehensweise.

LAZULI präsentierten die gesamte Palette dessen, was man in diese Spielart hinein packen kann, nicht nur lange, sphärische Gitarrenthemen, die natürlich auch vielfach zelebriert wurden. Vor allem Gédéric Byar ließ auch immer mal wieder bluesige Ansätze aufblitzen, doch auch die interpretierten die Band auf ihre ureigene Art und Weise. Gerne rockte man ausgiebig, wobei vor allem Frontmann Dominique Leonetti wild umher sprang und eigentlich viel mehr Raum benötigte.
Doch viel lieber gab man sich der Klangmalerei hin, erzeugte eine wunderbare Atmosphäre, welche die Zuschauer fast zweieinhalb Stunden mit auf eine Reise nahm. Eine Reise, welche um den ganze Erdball führte, denn die ausgemachten Kosmopoliten sind offen für alle Einflüsse, so machte man mehrmals im Orient Halt und auch andere folkloristische Motive wurden geschickt eingepflegt. Dabei muss der Fünfer gar nicht so weit umher ziehen, gerade in den ruhigeren Passagen schien immer wieder der Chanson ihrer Heimat durch.

So einen dichten Klangteppich kann natürlich nur eine Formation weben, die sich so blind versteht wie diese Herren. Ständig nahm man die Vorlage des Kollegen auf und legte seine Spuren darüber, dass rauschhafte und hypnotische Klangfiguren entstanden. Byar an der traditionellen Strat und Leonetti am Eigenbau oder der Zwölfsaitigen ließen Töne vom Stapel, die man so noch nie gehört hat, aber ihre Wirkung nicht verfehlten. Dahinter unterfütterte Vincent Barnavol mit feinen Drumfills diese Muster und setzte selbst Akzente. Und Tastenmann Romian Thorel  ließ seine Finger fast über seinen Nord-Synthesizer schweben, an den er auch ein paar Effektgeräte angebracht hatte.

Überhaupt nutzten LAZULI neben exotischen Einflüssen auch Instrumente, welche man in der Rockmusik selten bis nie finden kann. Immer wieder begab sich Barnavol nach hinten an die Marimba, eine Art Vibraphon, um darauf den Röhren sanfte, glockenartige Töne zu entlocken. Bei Bedarf setzte sich dafür Thorel auch mal kurz an sein Schlagzeug oder beide kamen mit Drumbox und einer Snare nach vorne um sehr perkussive Momente zu erzeugen. Und dann packte der Keyboarder vor allem bei schwermütigeren Songs das Waldhorn aus, dem er ein tiefes und ebenfalls stark verzerrtes Dröhnen entlockte.

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Als Höhepunkt des außergewöhnlichen Materials präsentierte der unbeirrbar am linken Bühnenrand sitzende Bruder des Sängers, Claude Leonetti seine Léode, seit jeher Kernstück im Klangkosmos der Formation. Die Mischung aus Chapman Stick und Steel Guitar ermöglicht wunderbare stufenlose Soundkaskaden, welche die Atmosphäre nur so schweben lässt. Jenes Instrument hat er auch selbst entworfen, da er nach einem Motorradunfall seinen linken Arm nicht mehr bewegen und somit keine Gitarre mehr spielen kann. Es zeigt abermals wie ungewöhnlich dieses Musikerkollektiv ist, und wie weit Liebe zur Musik einen treibt.

Es war aber weniger die Art, welche Klangkathedralen sie errichteten, welche die Zuschauer zu Begeisterung und Szenenapplaus trieb. Vielmehr war es diese lockere, ungezwungene Weise, mit der scheinbar konzentrierte Musik so spielerisch dar gebracht wurde. Ist es das fast südländische Temperament, diese tiefe Lebensfreude oder einfach der Spaß an der Musik, der ihnen ein ums andere Mal ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Ebendiese Beifallsbekundungen wurden auch mit sichtlichem Dank aufgenommen, nie als Selbstverständlichkeit.
Ließ es der Mann an den Tasten und der Sänger noch offen heraus waren es vor allem sein Bruder und Byar, die immer dieses verschmitzte Grinsen aufsetzten. Der Spaß an dem was sie tun war ihnen zu jeder Sekunde anzumerken, immer wieder scherzte man mit seinen Kollegen. Da legte der gute Romain eine lässige Tanzeinlage hinter dem Synthie hin, ein anderes Mal duellierten sich Claude Leonetti und Gédéric Byar, wobei dieser seine Saiten mit einem Schrauberzieher bearbeitete.

Auch optisch fielen die Franzosen aus dem Rahmen, am ehesten hätte man solche Outfits noch im Gothic-Bereich vermutet, doch auch eine gewisse Handwerksneigung offenbarte sich dadurch. Gerade die Leonettis haben ja ihre eigenen Instrumentenschmiede und nicht unbedingt die typischen Künstlerhände. Es sind Freigeister, die ihre Arbeit und ihr Publikum lieben, die beiden Gitarristen stiegen auch mal zu ihm hinab. Ebenso bewundernswert, wie sich die Stimme der Band bemühte ein paar übersetzte deutsche Ansprachen vom Blatt vorzulesen, was seinen liebenswerten Charme noch unterstrich.

So war es kein Wunder, dass die Zuschauer über die gesamte Spielzeit in ihrem Bann waren. Am Ende führten sie das Thema des letzten Songs lange mit "OhOh"-Gesängen weiter, während Thorel und Barnavol solistisch auch Rampenlicht genießen durften. Und als abschließender Höhepunkt darf die gemeinsame Performance an der Marimba nicht fehlen, wenn alle Bandmitglieder auf dem Riser drum herum standen und mit einfachsten Mitteln große Emotionen erzeugten. LAZULI werden vielleicht immer ein Geheimtipp bleiben, zu ungewöhnlich ist ihr Erscheinen, aber selig sind die, denen sich die Musik erschließt und bei denen die friedvolle Message ankommt. (Pfälzer)

Setlist LAZULI:
En Avant Doute
Abime
Je Te Laisse Ce Monde
15H40
Chronique Canine
La Miroir Aux Aluettes
Derail
Naif
Cassiopée
Mes Amis Mes Freres
Homo Sapiens
L´Arbre
Le Lierre
Les Sutures
Les Cotes
Les Malveillants
Les Courants Ascendants
Un Automne
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J´Attends Un Printemps
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Nine Hands Around The Marimba

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