Sweden Rock Festival (03.-06.06.2015, Sölvesborg/SWE) - Fazit:

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Beginnen wir zur Abwechslung mal mit dem Negativen, den neuen Spielplan finde ich nicht so prickelnd wie den gewohnten. Sicherlich ist es besser, wenn der Headliner eine Stunde früher auf die Bühne kann und das Publikum noch nicht so ausgelaugt ist, aber das könnte man auch anders lösen, indem man die Slots tauscht und die Festival Stage beginnen lässt. So wurde ein zusätzlicher Slot auf Sweden – und Rock Stage eingeführt, dafür wurden einige gekürzt. Bei der Lösung hätte man eine halbe Stunde früher beginnen sollen und die letzten Bands bis zwei Uhr spielen lassen, um das möglichst aufzufangen.

Wenn eine Band wie MOLLY HATCHET mittags nur eine Stunde zur Verfügung hat, dann ist das zu wenig. Auf mittleren Festivals können sie als Co-Headliner beispielsweise länger spielen, das war ja immer eine Stärke des SWEDEN ROCK. Hier wurde auch dem Trend immer mehr Bands zu buchen Rechnung getragen, natürlich wird das Angebot nicht kleiner.
Immer noch zugute halten muss man den Veranstaltern, dass ein Großteil der Bands immerhin eine Stunde zocken darf, die Großen bis zu neunzig, die Headliner noch länger, während woanders Legenden mit 35 Minuten abgespeist werden. Nur darf diese Entwicklung nicht weiter einreißen, sonst verliert das SWEDEN ROCK eines seiner absoluten Alleinstellungsmerkmale.

Das MOLLY HATCHET schon früh am Tag ran müssen, spricht natürlich wieder für die Qualität und die Prominenz des Billings. Womit wir beim vielen Positiven wären, die Hauptbühnen sind mit internationalen Topacts gefüllt, eine Ausnahmeformation wie TOTO schafft es nicht zum Headliner. Dazu kommt eine stilistische Bandbreite, wie man sie sonst nirgendwo findet. War etwa der Freitag für unsere Gruppe eher mit Poser Rock gesegnet, ließ sich der Verfasser dieser Zeilen zum Ausklang noch mal richtig zuballern.

Von ganz ruhigen Blues – und Folklastigen Acts bis zu derbstem Extrem Metal war alles vorhanden. Parallel spielendes Programm wurde versucht so unterschiedlich wie möglich zu gestalten, was dennoch die ein oder andere Überschneidung nicht verhinderte. Gerade wenn man wie ich in den unterschiedlichsten Genres seine Favoriten sucht und Qualität über Genrezugehörigkeit setzt. Und damit ist man hier in Sölvesborg immer richtig, wo so viele Geschmäcker zusammen kommen. Als positiven Nebenaspekt der langen Spielzeiten gaben die resultierenden langen Umbauphasen Bands wie HAMMERFALL oder BEHEMOTH die Möglichkeit, ihre komplette Bühnenproduktion aufzufahren und so nahe an die eigenen Headlinergigs heran zu rücken.

Das größte Sonderlob gebührt wie immer der Security, deren Arbeit wegweisend ist. Wo man Deutschland Polizisten mit Schlagstöcken und Tränengas in einen Fanblock schickt, um eine Fahne zu holen, und das dann auch noch für eine gute Idee hält, setzt der schwedische Sicherheitsdienst auf Freundlichkeit. Und es funktioniert! Es funktioniert deswegen, weil die Security weiß, was die Fans wollen, wie die Fans sind, anstatt sie nur maßzuregeln.
Man sucht den Dialog, dass einige selbst mit der Musik etwas anfangen können, erleichtert die Sache sicherlich. Wo sonst kann man mit den Security über KISS-Platten und DEF LEPPARD diskutieren? Ein kleines Indiz ist immer die Prüfung von Weinflaschen, die in den vorderen Reihen geleert werden. Auf dem Gelände kann man zulässige aus Plastik kaufen, aber man will sichergehen, dass keine aus Glas mitgebracht wurden. Während man anderenorts womöglich die Pullen aus der Hand gerissen bekommen würde, schaut man sich beim SWEDENROCK die Sache an, um dann zu handeln.

Auch sonst sind die Jungs und Mädels sehr aufmerksam und handeln stets situationsbedingt. Dass man mit frontalen Erziehungsmethoden keine Menge in den Griff bekommt, hat man hier verstanden, deswegen agiert die Security hier mit zurückhaltender Präsenz. Gerade wenn es darum geht, etwaige Aggressionen zu unterbinden, ist Verständnis noch nie die schlechteste Lösung gewesen. Sogar die Sicherheitskräfte am Badestrand verhalten sich sehr unprätentiös, grüßen dafür umso freundlicher. Man weiß einfach, dass man einen Dienst am Kunden tut und mit ihm das Festival erlebt.
So gehört das Reichen von Wasser an die ersten Reihen einfach zum Service dazu. Wer nun denkt, hier würde es sich um eine Spaßtruppe in Security-Shirts handeln, sieht sich getäuscht. Wenn es sein muss, dann sind sie da, vielleicht schneller als manche, die vor Wichtigtuerei erst noch überlegen müssen. Bei kleinen Rangeleien wurde direkt beschwichtigend eingegriffen und die Versorgung von Besuchern, die sich körperlich übernommen haben, ist blitzschnell gegeben.

Ein weiters großes Plus an ihrer differenzierten Arbeit ist das genaue Beobachten der Menschen vor der Bühne. Sie erkennen genau, wenn jemand einfach Spaß an der Musik hat, seine Emotionen auslebt und auch mal Körperkontakt mit seinen Nebenleuten hat oder jemand diese nur nervt. Ein ganz besonderes Exemplar tauchte bei OPETH auf und forderte die ganze Zeit „Deliverance", dabei ließ er sich immer mit voller Körpermasse in die vorderen Reihen fallen.
Schnell dämmerte den Anwesenden, dass er sich womöglich nur zwischen diejenigen quetschen will, die seit dem Mittag vorne auf die Crüe warteten. Diesen Menschen erklärte einer der Securityleiter kurzerhand zur Chefsache und ließ ihn keine Minute mehr aus den Augen und ermahnte ihn mehrmals. Am Ende faltete er ihn ordentlich zusammen und verwies ihn des Platzes, von welchem er sich dann zur Zufriedenheit aller trollte. Sie können auch anders, aber nur wenn es sein muss!

Überhaupt ist das ganze Gelände voll von Annehmlichkeiten, das fängt bei der entspannten Größe an, welche die Zuschauermassen problemlos fasst. An den Eingängen entstehen ebenso kaum Wartezeiten. Zum noch entspannteren Genießen der Konzerte darf man auch seinen Campingstuhl mit herein nehmen. Und die Möglichkeit eine Halbliterflasche mit sich herum zu führen, um damit Trinkwasser zu zapfen, gibt es auch nur selten auf Festivals.
Dabei ist für das leibliche Wohl mehr als gesorgt, die Stände sind so zahlreich, dass man auch hier schnell seine Mahlzeit bekommt. Das Angebot steht dem musikalischen in Nichts nach, da wären: Burger aus den USA, Donuts in allen Variationen von der dortigen Polizei, Tex-Mex Food von etwas südlicher, Langos aus Ungarn, Nudeln wahlweise laktosefrei aus Italien, China oder Thailand, Waffeln aus Belgien, Kropkakkor aus der schwedischen Hausmannsküche, Döner aus der Türkei, Gyros aus Griechenland, Pizza ebenfalls aus Italien, gerne auch komplett in der Schachtel und Elchdöner und Dönerpizza aus den feuchten Träumen eines Junk-Food Nerds.

Hinzu kommt eine gute Logistik, welche die Campinglätze rundherum verteilt und somit die Wege für die Besucher kurz hält. Und wer mal gerade nichts im Programm finden konnte, der schaute einfach am Badestrand des Norje Boke-Campingplatzes vorbei. Dort tummelten sich in diesen Tagen viele Gleichgesinnte und nachdem ein Mutiger mittags den Anfang machte, stürzen sich viele in die noch sehr kalte Ostsee. Uns eröffnete sich diese Möglichkeit lediglich am Samstagnachmittag, wo bei herrlichstem Sonnenschein auch dort eine gute Stimmung herrschte.
Drinnen gibt es diverse Ausstellungen von Sponsoren, wobei hier vor allem der Muscle Car-Händler eine Attraktion ist. In Schweden ist das Herumschrauben an Autos tief im Rock´n´Roll-Lebensgefühl verankert, während diese Szene hierzulande eher..., naja, lassen wir das. So gab es einige richtig rasante Exponate zu sehen, auch auf zwei Rädern. Ja, hier fühlte man sich wieder wohl, hier war die Stimmung einfach relaxt, hier lag der Fokus auf der Musik, man konnte sich selbst sein. Ich bleibe dabei, ein besseres Festival gibt es nicht! (Pfälzer)

Alle Photos von Silke Jankovic

Einen besonderen Dank an Birgit Bräckle von Brooke Lynn Promotion

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