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HELL (4 Sounds Stage)
Nachdem wir am Nachmittag das Pressezentrum inspiziert und die komplette Händlermeile abgegrast hatten, stand mit den NWOBHM-Spätzündern der erste Programmpunkt des Festivals an. Gehört hatte ich schon viel von der Band, leider nur wenig mit eigenen Ohren, können sie den Ruf, der ihnen vorauseilt rechtfertigen? Als dann der alte Kern der Formation mit ihrem Produzenten Andy Sneap an der zweiten Gitarre „Gehenna Incendiis" anstimmten, waren meine Zweifel schon ein wenig geringer. Schließlich gehörte die Vorgängerband nicht gerade zur Speerspitze ihres Genres, doch das, was ich da hörte, war feinste traditionelle Riffkultur.

Doch ohne ihren Sänger David Bower wäre die Truppe nur die Hälfte wert, denn der Mann beherrschte das große Theater von dem Moment an, da er die Bühne betrat. Mit gefärbten Kontaktlinsen und seiner Dornenkrone war er eine sehr interessante Erscheinung, ohne auch nur im Ansatz auf sein äußeres Auftreten beschränkt zu werden. Hier präsentierte sich die Formation ohnehin sehr geschlossen, alle waren in Uniformen gekleidet, wie man sie im viktorianischen England trug.
Bower sollte später noch öfter seine Oberteile wechseln, seinen Kopfschmuck behielt er die ganze Zeit an. Auch unter einer Mönchskapuze, welche ebenso zu seinen Requisiten gehörte wie einen Geißel, mit der er sich selbst bestrafte, künstliche Blutstriemen inklusive. Obendrein unterlegte er jede Silbe mit seiner theatralischen Gestik, wie es einst der legendäre Ronnie James Dio tat. Auch von den Phrasierungen erinnerte er ein wenig an den Übervater der Metalshouter, wenngleich seine Stimmfärbung um einiges höher angesiedelt war.

Seine Hintermannschaft war trotz des höheren Alters immer voll auf der Höhe, den alten Recken bereitete es sichtlich Freude vor so einem großen Publikum aufzutreten. Viel war von der langen Abwesenheit nicht zu hören, das Spiel kam sehr tight aus den Boxen und hatte mächtig Druck und diesen herrlich authentischen NWOBHM-Groove. Da musste das Ass an den Reglern im Studio so viel gar nicht verstellen, die Herren leben die Songs, von denen einige schon zu Demozeiten entstanden.
Dass Sneap auch öfter mit ACCEPT zusammen arbeitet, kann man ebenfalls ein bisschen heraus hören, atmen doch beide Bands dieselben Vibes. Da kann man HELL das Übernehmen von deren patentiertem Gitarrenballett schon eher unterstellen. Zum Glück gibt die Theatershow ihres Frontmannes dann im Melodiebereich Liedern wie „Something Wicked This Way Comes", „The Quest" und dem gefeierten „On Earth As It Is In Hell" eine ganz andere Note. Tolle musikalische Geschichtsstunde mit einer leichten Tendenz zum Okkulten, die entsprechend bejubelt wurde.

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QUIREBOYS (Sweden Stage)
Das SWEDENROCK ist auch immer ein Aufgalopp von Bands aus den späten Achtzigern, welche sich nicht mehr entscheidend durchsetzen konnten. Auch wenn die Briten wieder vermehrt unterwegs sind und derweil mit einer wahren Veröffentlichungsflut glänzen, durfte ich sie noch nie live bewundern. Insofern war ich natürlich sehr gespannt, wie sie sich schlagen würden, die vielen Besetzungswechsel sorgen ja nicht unbedingt für ein homogenes Auftreten. Weit gefehlt, denn von Beginn an präsentierten sich die QUIREBOYS wie aus einem Guss.
Bereits beim Betreten der Bretter war klar, dass wir hier die am besten angezogene Gruppe des Festivals erleben werden. Von der Epoche her waren sie nicht weit von den vor ihnen spielenden HELL entfernt, denn ein Großteil der Oberbekleidung war dem englischen Dandystil entlehnt, wenn auch mit zeitgemäßer Anzugsmode kombiniert. Frontmann Spike hatte sogar eine typische Taschenuhr in der Weste stecken, welche allerdings nicht zu funktionieren schien. Ironischerweise fragte er gegen Ende des Gigs einen Techniker nach der Uhrzeit, welche jener von seinem Handy ablas.

Ebenso lässig wie die Sechs gewandet waren, agierten sie auch auf der Bühne, die Posen waren nie überrissen, die Gentlemen pflegten ihr Understatement. Dies trug zur geschlossenen Mannschaftsleistung bei, weil sich keiner in den Vordergrund stellen wollte. Spike war natürlich der Mittelpunkt der Show und schlurfte die ganze Zeit über die Bühne, vergaß aber nie, seine Mitmusiker zu präsentieren. Vor allem dem starken Keith Weir der hinter seinen Tasten saß, verschaffte er immer wieder Szeneapplaus.
Vom Sound her watete der Sechser zwar auf ausgetretenen Pfaden, sprühte aber vor Frische und Spielfreude. Dabei spielt der Blues ebenso eine Rolle wie der klassische Rock´n´Roll, immer begleitet von Weirs Honky Tonk-Piano. Es brauchte nicht viel, bis der Funke beim Publikum übersprang, die sympathische Art der Formation kam an, Spike musste nicht lange um Singalongs bitten. Zur Stimmung passend war auch der Andrang vor der Bühne groß, es wurde richtig kuschelig wie in einem alten Pub, wo man sich die QUIREBOYS gut vorstellen könnte.

Wobei es die Setlist den Anhängern auch einfach machte, nicht weniger als neun Titel des tollen Debüts von vor 25 Jahren wurden gezockt. An dessen Erfolg konnte zwar nie angeschlossen werden, dem Spaß an der Sache tat dies keinen Abbruch. In diesen Hitkanon wurden noch ein paar Stücke von den späteren Scheiben gemischt, die auch überzeugen konnten. So lieferten die Sechs eine verdammt coole, im besten Sinne abgehangene Vorstellung ab, welche vor Feeling nur so strotzte. Das Finale uferte dank des passenden Soundtracks der Band zu einer einzigen Party aus.

Setlist QUIREBOYS:
Too Much Of A Good Thing
Misled
There She Goes Again
Roses & Rings
This Is Rock´n´Roll
Mona Lisa Smiled
Whippin´ Boy
I Don´t Love You Anymore
Tramps & Thieves
Hey You
Beautiful Curse
Sweet Mary Ann
Dirty Town
7 O´Clock
Sex Party

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EVERGREY (4 Sounds Stage)
Auch der ersten einheimischen Band, die sich unsere Abordnung zu Gemüte führte ging ein guter Ruf voraus, doch bislang schaffte ich es auch hier nicht, mich ausgiebig mit deren Output zu beschäftigen. Dabei machten schon die ersten Töne klar, dass man den Verfasser dieser Zeilen durchaus mit der Stilistik locken könnte. Progressive Riffattacken trafen immer wieder auf weite, raumgreifende, atmosphärische Passagen.
Zugute halten muss man da EVERGREY auf alle Fälle, dass sie stets einen Keyboarder in ihren Reihen hatten. Wo andere Metalbands oft auf Tastenklänge aus der Konserve setzen, ließ das Spiel von Langzeitmitglied Rikard Zander die Songs wesentlich homogener und ehrlicher wirken. Während dieser in den Passagen, in denen die Riffs von Tom S. Englund und Henrik Danhage nach vorne preschten keine Akzente setzen konnte, so unterlegte er die oft mehrstimmigen Refrains mit schönen Synthieflächen.

Dabei störten allerdings die zu laut abgemischten Drums von Jonas Ekdahl, eine der wenigen Soundunwägbarkeiten beim ansonsten immer sehr gut aufgestellten SwedenRock. Dadurch konnten sich die sphärischen Klänge nicht immer so entfalten, die starke Stimme von Englund hatte ihre Trümpfe hier in den härteren Parts. Spielerisch konnte man den sehr tighten Könnern keinen Vorwurf machen, die sicherlich von der Rückkehr der langjährigen Wegbegleiter Eckdahl und Danhage profitierten.
Frontmann Englund erwies sich obendrein als sehr sympathischer Bandleader, obwohl ich des schwedischen nicht mächtig bin und nur einige Songtitel verstand. Das Sprachproblem sollte noch öfter auftauchen, aber das ist das gute Recht der Schweden, der Großteil des Publikums ist hier zuhause. Dementsprechend gut war die Stimmung, speziell bei Liedern „Recreation Day" wie „Blinded", während die Frühphase ansonsten kaum Einzug ins Set hielt. Das bestand zur Hälfte aus dem aktuellen Werk „Hymns For The Broken", wie „King Of Errores" und „The Grand Collapse" welche den Gig einläuteten und beendeten.

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D.A.D. (Sweden Stage)
Die Dänen als Headliner des ersten Tages zu setzen war vielleicht eine etwas mutige Entscheidung, irgendwie haben sie trotz ihres Talents nie den ganz großen Wurf geschafft. Doch schon der skurrile Bühnenaufbau zeigte, dass sie eine ungewöhnliche Liveband sind. Da standen gebogene Boxentürme auf den Brettern, die am oberen Ende mit Seilen an der Decke befestigt wurden. Bei genauerem Hinsehen entpuppten sich diese allerdings als weitere Lichtbatterien, was sich gerade auf der spärlich beleuchteten Sweden Stage gut machte.
So konnte man direkt erkennen, dass sich die früheren DISNEYLAND AFTER DARK in ähnlich feinen Zwirn geworfen hatten wie zuvor die QUIREBOYS. Frontmann Jesper Binzer trug einen Anzug und war viel unterwegs, wahlweise mit Gitarreneinsatz oder nur als Sänger. Sein Bruder Jacob nahm schon mal den Zylinder für Leadgitarristen bei dem Festival vorweg. Währenddessen steckte der schon immer reichlich durchgeknallte Bassist Stig Pedersen in einem ledernen Catsuit, was ihn mit etwas Schminke mehr wie Suzi Quatro, denn wie eben Stig Pedersen aussahen ließ.

Musikalisch ließ die eingespielte Formation bei bestem Sound nichts anbrennen und agierten wie aus einem Guss. Dabei sprühten sie vor Spielfreude, warfen sich in lässige Posen und gaben mit ihrem ungewöhnlichen Cowpunk ordentlich Gas. Ihr erfolgreichstes Albums „Riskin´It All" kam am häufigsten zum Einsatz, vor allem natürlich der Hit „Bad Craziness". Auch die quasi selbstbetitelte aktuelle Scheibe sowie das 2000er „Everything Glows" tauchten öfter im Set auf. Und am Ende durften die beiden Hits „Jihad" und „Sleeping My Day Away" nicht fehlen, welche lauthals mitgesungen wurden.

Neben vielem Einsatz konnten D.A.D. auch mit einigen Showelementen punkten. War der Aufbau mit den Scheinwerferboxen schon außergewöhnlich, so zog auch das zweistöckige Kit von Lauste Sonne die Blicke auf sich. Bei seinem Solo wurde dann noch ein weiteres an den vorderen Bühnenrand gekarrt, um ihm mehr Nähe zum ausgelassenen Publikum zu geben.
Beim Verlassen der Schießbude schossen plötzlich Flammensäulen darunter empor, welche diese entzündeten. Zurück oben auf seinem Riser spielte die Band den nächsten Song ohne mit der Wimper zu zucken einfach durch, während das gute Teil komplett ausbrannte. Naja, was Hendrix mit der Gitarre konnte, können Dänen auch, ebenso wie schöne Akustiknummern. So blieb es den beiden Binzer-Brüdern vorbehalten mit „Laugh´n´A Half" einen würdigen Headlinerslot zu beenden.

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