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„Die haben sich noch ne Weile aufs Ohr gelegt“ heißt es, als ich mich bei der Dame am Merch Stand nach meinen Interviewpartnern erkundige. Nach einem kurzen Schmunzeln auf beiden Seiten treffe ich aber eine Stunde später dann auf Stefan Keller und Tobias Buck von NEAERA um ein ausgeruhtes, sehr nettes Gespräch zu führen. Dabei klärt sich auch recht schnell, dass sich die Jungs nach einem Osterfest voller Gigs durchaus auch mal vor der nächsten Show aufs Ohr legen dürfen. Bernie: Hallo Stefan, hallo Tobias, erstmal vielen Dank, dass ihr euch die Zeit nehmt für das Interview. Könnt ihr bitte mal die rasante Entwicklung von NEAERA von der Gründung bis zum ersten Album kurz zusammenfassen?

Stefan: Hm, ich denk mal, da ist eigentlich zum größten Teil der Vertrag mit Metal Blade, der irgendwie unverhofft kam und der auch ziemlich untypisch für Metal Blade ist, weil wir hatten bis dato erst drei Konzerte gespielt hatten und es die Band gerade mal ein halbes Jahr gab. Das ist schon eine sehr unkonventionelle Herangehensweise, weil die das sonst auch nicht so machen.
Alles andere Wichtige kam eigentlich nach der ersten Platte. Wie die Europatour mit AS I LAY DYING und HEAVEN SHALL BURN zum Beispiel und jetzt die Tour mit CALIBAN.

Bernie: Was ist denn außer den Touren so alles passiert seit der Veröffentlichung von „Rising tide of oblivion“?

Stefan: Wir haben zum ersten Mal so richtig viele Shows gespielt, letztes Jahr so um die 60, 70 Konzerte. Das war für uns als Band auch sehr wichtig, weil wir ja vorher eigentlich keine wirkliche Live Band waren. Und nach den so 120 Konzerten ist das alles schon etwas routinierter und professioneller geworden. Das letzte Jahr hat aus uns ne Live Band gemacht. Und die Tour Erfahrung natürlich ist eine sehr wichtige Sache.

Bernie: Gut, zum neuen Album, ich hab leider kein Promo mehr bekommen, weil keins mehr da war.

Stefan: Ah (grinst) wir gebens weiter (lacht)

Bernie: Tja, dumm gelaufen, hehe. Kannst du mir mal die wichtigsten Einzelheiten zum Album verraten, wie waren so die Recording Sessions mit Jacob Hansen?

Tobias: Oh, sehr entspannter, netter Typ, hat auf jeden Fall Spaß gemacht in Dänemark. War gut.

Stefan: Obendrein ist er auch noch ein Perfektionist und ein sehr sehr guter Musiker, das is ne tolle Mischung. Wenn man einen relaxten Typen hat, der gleichzeitig dann noch das Letzte aus einem rausholt und einem in den Arsch tritt, das is schon gut.

Bernie: Gibt’s irgendwelche musikalischen Veränderungen oder Entwicklungen beim neuen Album?

Stefan: Naja, es gab beim ersten Album zweimal Cleangesang, den haben wir jetzt ganz bewusst raus gelassen. Wir haben mehr Growls drin, die Songs sind im Durchschnitt alle ein bisschen länger und auch schneller zum Grossteil.
Wir haben auch versucht, unsere Stärken noch ein bisschen hervor zu heben und die Gegensätze mehr zu vereinen, die harten mit den melodiösen, schönen Parts. Die Produktion ist auch ein bisschen, roher, schwedischer ausgefallen.

Bernie: Welche Bedeutung steckt hinter dem Titel und Cover? Wer hat es designt?

Stefan: Das Cover ist von Adam Hunt, der damalige Schlagzeuger von AS HOPE DIES. Der Titel hat mit dem Cover an sich nichts zu tun. Der war zuerst da, dann kam das Cover und wir haben gedacht, gut, passt jetzt nicht so, kann man aber machen.
Der Titel ist eigentlich so eine Art Kampfansage, sich nicht zu verstecken sondern sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen. „Der Sturm soll ruhig kommen, ich komm damit schon klar“. Das Cover kann man dann so interpretieren, dass der Sturm, „the tempest“ auch so in einem Selbst drin sein kann.

Bernie: Passt ja im Endeffekt dann doch ganz gut zum Cover.

Stefan: Ja, schon, also ursprünglich war ja nicht so der innere Konflikt sondern eher die Anforderungen von Außen gemeint und mit dem Cover ergibt sich da jetzt da schon so ein neuer Sinn, so in etwa.

Bernie: Du hast eben schon angesprochen, dass der Vertrag mit Metal Blade sehr unverhofft kam, denkst du, dass euch der Metalcore Boom hilfreich war, den Vertrag zu bekommen?

Stefan und Tobias gleichzeitig: joa!

Stefan: Zweifelsohne... da muss man sich auch nix vormachen, ich bin mir sicher, dass Metal Blade damals solche Bands gesucht haben. Der Trend ging ja in Amerika schon viel früher und stärker los mit UNEARTH und AS I LAY DYING und so was, das sind in den USA ja ganz andere Nummern, die ziehen da irgendwie 2000, 3000 Leute. Ich glaub, dass Metal Blade Europa genau solche Bands signen wollten, das ist in Amerika groß, das kommt nach Europa rüber. Wir haben halt eben gut reingepasst. Unsere Mucke kann man ja quasi auch gut als Metalcore verkaufen, aber gleichzeitig mochten sie das auch persönlich, da achten die immer ganz besonders drauf.
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Bernie: Und habt ihr nach dem schnellen Aufstieg irgendwie Angst, dass wenn der Boom vorbei geht, es euch auch treffen könnte?

Tobias: (nach kurzer Pause, schaut zu Stefan)Nö…

Stefan: (lacht)

Tobias: (schüttelt den Kopf ) nö... weiß nicht, keine Ahnung, es ist halt für uns nach wie vor mehr oder weniger ein Hobby, das ein bisschen professioneller geworden ist. Dass man mit Musik nicht reich werden kann, das weiß ja wohl jeder. Und so lange es Spaß macht und die Leute es wollen, machen wir weiter. Natürlich kann es jeden Tag auch wieder vorbei sein, aber wir als Band haben da keine Angst davor. Wir sind alle noch jung …
So lange wir Lust haben Songs zu schreiben und jemand das raus bringen will, so lange machen wir weiter… jo.

Stefan: Ich denke, wir haben auch echt das Glück, dass wir als deutsche Metalcore Band noch zur richtigen Zeit mit der Mucke angefangen haben. Es gibt jetzt viele gute Nachwuchsbands für die die Türen jetzt schon zu sind. Es wird auch schon ausgesiebt, man sagt ja auch Metalcore Bands gibt’s wie Sand am Meer.
Es gibt unwahrscheinlich viele Underground Bands die das, was wir gepackt haben einfach nicht mehr schaffen können. Ohne jetzt böse zu klingen, aber das ist einfach so, da wird irgendwann dicht gemacht und man will das auch nicht mehr hören. Man liest das ja auch in der Presse, wenn man mal die RockHard liest die haben so die Schnauze voll von dem Metalcore Ding.

Bernie: Mit dem Power Metal war es damals ja auch nicht anders.

Stefan: Ja genau und beim Death Metal genau so. Da hat sich die Szene auch irgendwann gesund geschrumpft, das wird mit Metalcore auch passieren.

Bernie: Würdet ihr euch selbst eigentlich als Metalcore bezeichnen? Rein musikalisch sehe ich das nämlich nicht unbedingt so.

Stefan: Nein, wir nennen das meistens so Göteborg Death Metal oder schwedischen Deathcore. Der Metalcore ist auf jeden Fall drin, aber uns persönlich ist das eigentlich egal, hab da auch keine Lsut, wieder so einen Klassifizierunkstreit vom Zaun zu brechen. Wenn uns die Leute Metalcore nennen wollen oder lieber Death Metal, dann können sie das gern machen, uns ist das mittlerweile egal.

Bernie: Wie sehr fühlt ihr euch dem Hardcore zugehörig, besonders bezüglich der Einstellung Straight Edge/Vegan.

Stefan: Ja gut, das unterscheidet uns wohl von den üblichen Death Metal Bands. Wir haben vier Vegetarier in der Band und respektieren Straight Edge und vegane Bands auch ziemlich, finden wir gut.
Wir sind da nicht wie wahrscheinliche viele Death Metal Bands und sagen „Wie, was dat denn hier, kein Bier?“, „son Hähnchen, das kann man doch nicht verschmähen“ (lacht) und so. So sind wir gar nicht.
Veganes Essen finden wir super und sind immer dankbar, wenn jemand vegan kocht. Aber musikalisch, sind wir einfach Metal, ne. Auf jeden Fall. Hardcore ist da mehr so dazu gekommen.

Bernie: Wie wichtig sind euch die Lyrics, gibt es Themen, die immer wieder auftauchen?>

Stefan: Ja, wir haben so Texte gegen den Vatikan, konservatives Denken und überholte Sexuallehren und so was. Auch viel über Missbrauch von Religionen, über islamischen Terrorismus, wo die Religion für die eigenen Ziele missbraucht werden. Politische Themen sind auch immer wieder dabei. Aber es gibt auch immer wieder menschennahe Texte, der Titelsong ist halt so ne hoffnungsvolle Nummer, die besagt, dass man nicht aufgeben soll und stark sein soll.

Bernie: Ihr schreibt also eher Songs mit Message, als zum Beispiel über nen Film.

Stefan: Absolut, absolut, also Messages sind immer drin.

Bernie: Die Frage habt ihr jetzt bestimmt schon zigmal gehört, aber was bedeutet NEAERA eigentlich?

Stefan: Das hab ich heut auch schon mal gesagt, dass ist mittlerweile auch son Band was sich so abspult (lacht).

Bernie: Hehe, brauchst nur kurz nen Überblick zu geben

Stefan: ja, das was eine Frau aus der griechischen Mythologie, die zur Prostitution gezwungen wurde ihr ganzes Leben und sie hat es dann durch ne Gerichtsverhandlung und Freikäufe dann irgendwann geschafft, ihr Leben in Freiheit und Selbstverantwortung zu leben.

Bernie: Also steckt auch wirklich eine Bedeutung dahinter, hinter dem Namen.

Stefan: Naja, ich muss sagen, wir sind erst mal auf den Namen NEAERA gestoßen, der uns gut gefallen hat. Wir haben dann erst später gemerkt, dass sich der Name scheiße schreibt und die Leute Probleme haben, ihn aus zu sprechen (lacht).

Bernie: Das kann aber auch ein Vorteil sein.

Stefan: Ja, der geht wenigstens rüber, ne. So ne Art Werbezweck. Hehe. Aber wenn dann wie gestern aufm CALIBAN Konzert unser Name falsch aufm Ticket steht, dann ärgert man sich doch schon, das is einfach doof… Naja, also wir haben dann später halt die Bedeutung von dem Namen herausgefunden. Das ist ne reale Geschichte, so geht’s auch viele Menschen auf der Welt.
Das ist also so ne Ode an die Freiheit.

Bernie: was macht ihr, wenn ihr nicht auf der Bühne steht oder im Studio seid, ich hab das was von studieren gelesen?

Tobias: joa, ich arbeite und der Rest ist Schüler oder Student, ja.

Stefan: Wir sind ja auch n bisschen jünger so, ich bin der älteste und deshalb auch fast fertig mit meinem Studium. Unser Bassist hat zum Beispiel noch gar nicht richtig angefangen. (lacht schelmisch) seit 6 Semestern (lacht wieder)

Stefan: Naja, aber dafür tut er viel für die Band, hehe. Von daher. Unser Sänger hat auch grad erst angefangen, unser Schlagzeuger macht das Abitur aufm zweiten Bildungsweg, hat vorher schon ne Ausbildung gemacht. Also die Musik ist im Moment auf jeden Fall erstmal vorne…

Tobias: Priorität… auf jeden Fall.

Bernie: Wie sehen eure Pläne für 2006 aus, was habt ihr so vor?

Stefan: (schaut zu Tobias) ja… dritte Platte, ne.

Tobias: joa, wir schreiben auch grad schon wieder neue Songs. Gestern ist unsere Tour zu Ende gegangen, wir waren ja zwei Wochen mit CALIBAN unterwegs. Jetzt erstmal wieder nach Hause kommen, mal wieder runter kommen, dann wieder proben und Shows spielen. Eventuell noch ein, zwei Touren dieses Jahr machen und dann gucken wie weit wir mit dem Songwriting für die neue Platte sind.

Stefan: Ja, ganz oben aufm Plan steht eigentlich die USA, aber für ne europäische Band ist das nicht so einfach, der amerikanische Markt ist ziemlich isoliert, die haben auch genug Bands dort. Zuviel eigentlich, die komme gar nicht mehr nach, mit dem Angebot, da.
Das wär natürlich wunderschön, wenn das klappen könnte. Da muss man sich als junge Band erstmal durchbeißen. Da is auch alles arschteuer und auch erstmal ein Minusgeschäft mehr oder weniger, aber auf jeden Fall der richtige Weg für die Bandkarriere. Mal gucken ob’s klappt, wir hoffen’s.

Bernie: Wie würdest du NEAERA jemandem beschreiben, der euch nicht kennt.

Stefan: Aber jemand der Metal kennt? (lacht)

Bernie: jaaa, klaro, hehe.

Stefan: (lacht) na ja, ich würd sagen, wir machen ne Mischung aus schwedischem Death Metal mit amerikanischen Hardcore Einflüssen… und Screams und Growls… und politischen Texten…irgendwie so…
Waren das zwei Sätze (lacht)?

Bernie: joaa, das kann man zu zwei Sätzen machen ;-)
Zum Abschluss hätte ich von euch gerne noch ein paar Kommentare zu folgenden wichtigen Metalplatten und in wie weit sie euch beeinflusst haben:
IRON MAIDEN – Number of the beast:


Stefan: (nach langer Stille) ... nuja…die Platte an sich nicht, ich finde andere MAIDEN Platten besser, wie zum Beispiel…

Tobias: … „Fear of the dark“ durch die Melodieparts

Stefan: Ja, oder “Seventh son of a seventh son” find ich auch besser, ich mag auch die X-Factor.

Tobias: Ich nüch (grinst)

Stefan: MAIDEN Fans mögen das ja nicht, wenn man das sagt, hehe.

Bernie: ok, IN FLAMES – „Jester race“ oder generell IN FLAMES halt.

Tobias: Ich denke mal IN FLAMES ist für uns auch ein ganz wichtiger Einfluss immer noch, vor allem was diese MAIDEN-Parts, die doppelläufige Göteborg Gitarren angeht. Ohne die würde’s uns wahrscheinlich gar nicht geben, weil die uns auch dazu animiert haben, solche Musik zu spielen.

Bernie: AT THE GATES – Slaughter of the soul

Tobias: Ja, das ist ja besonders für die ganze Metalcore Szene das Kultalbum schlechthin. Is einfach nur ne Hammerscheibe, super Gitarren, super Gesang, super Produktion, super Texte. Das ist wahrscheinlich DIE Platte, ohne die es die ganzen Metalcore Bands nicht geben würde.

Stefan: Die Amis von THE AGONY SCENE, mit denen wir gerade auf Tour waren haben auch gesagt, das ist das Album, das die Szene in Amerika komplett verändert hat. Das haben die damals wohl auch nicht gedacht, als sie die Platte aufgenommen haben, dass es mal ne ganze andere Szene gibt, die ganz andere Mucke machen und komplett anders rumlaufen und nen völlig anderen Background haben für die mal so ne Platte so wichtig ist. Wie auch, ne.

Bernie: SLAYER – Reign in blood

Tobias: Wir haben jetzt natürlich nicht so die SLAYER Einflüsse in unserer Musik drin, aber das ist auf jeden Fall ne ganz wichtige Scheibe für jeden Metaller. Anfang der 90er, als so die ersten Metalcore Bands aufkamen in den Staaten, hat man auch viele SLAYER Zitate schon drin gehört. Gehört schon so zu den wichtigsten Scheiben mit der „Slaughter of the soul“.

Stefan: Außerdem ne gute Lektion in Sachen Härte, Geschwindigkeit und Brutalität halt.

Bernie: METALLICA – Master of pupptes

Stefan: Find ich die beste Platte von denen.

Tobias: Von mir die Lieblingsplatte von METALLICA, bin jetzt nicht so der Riesen METALLICA Fan, aber die Platte find ich ist einfach der Hammer.

Stefan: Für mich war das so die Einstiegsdroge mit AC/DC und Guns `n Roses vor, wann war das, 10, 12 Jahren. Ist ne Götterband, nicht unverdient die größte Metalband der Welt.

Bernie: Als letztes: KILLSWITCH ENGAGE – The end of heartache

Stefan: joa, is geil… hat uns das beeinflusst?

Tobias: Nö, also die haben sicherlich das ganze MEtalcore Ding ganz nach oben gebracht durch den eingängigen, melodischen Sound mit viel Gesang. Hat die ganze Szene noch mal um einiges gepusht, die da am entstehen war. Aber ich persönlich bin jetzt nicht so der Fan…

Stefan; die haben mit dem ganzen Scheiß ja schon viel früher angefangen, schon bevor es irgendwie Trend war, von daher kann man sie schon irgendwie zu den Urvätern zählen, wie hier in Deutschland CALIBAN und HEAVEN SHALL BURN sind sie es in den USA.



Bernie: Ja, das war’s jetzt auch schon, vielen Dank fürs Interview.

Tobias: Wir haben zu danken!

Bernie: Diel letzten Worte geb ich an euch, was wollt ihr den Neckbreaker Lesern mitteilen?

Tobias: Ja, vielen Dank fürs Lesen, danke für den Support, man sieht sich, auf Tour oder sonst wo.

Stefan: Ja, und Danke an den Interviewer, der die ganze Kacke nachher aufschreiben darf (lacht sich weg)

Bernie: jaaa, hargh, hömpf…

Stefan: (lacht weiter)

Vielen Dank noch mal auf diesem Wege an die beiden Jungs von NEAERA für das nette Interview und vor allem für das kühle Flaschenbier, es hat sehr gemundet ;-) Man sieht sich bestimmt mal wieder. (Bernie)
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