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interview 20150207 nightwish 01Nuclear Blast hat eingeladen und ich folge gerne wenn es darum geht, ein Interview mit einer meiner Lieblingsbands zu haben. Also mache ich mich an einem schönen Samstag auf vom verschneiten Saarland ins verschneite Donzdorf (zwischendrin haben sie den Schnee irgendwie vergessen) um in den heiligen Hallen von Nuclear Blast auf Tuomas Holopainen, Kopf und Seele von NIGHTWISH zu treffen und mit ihm über das neue Album zu plaudern. Und das gibt es vor dem Interview auch noch zu hören.

Ich weiß jetzt also mehr als ihr, aber im Interview verraten Tuomas und ich doch einiges über „Endless Forms Most Beautiful“, so daß man sich vielleicht doch schon den ein oder anderen Reim auf das Album machen kann. Und selbst wenn nicht: Man darf weiter gespannt sein – ich jedenfalls wurde nicht enttäuscht, wenn ich auch noch keine endgültige Meinung zu dem Werk habe. Doch dazu in einigen Wochen mehr, zunächst zum Interview mit Tuomas, der nach dem üblichen Begrüßungsgeplänkel etwas erstaunt ist, daß man ihn auch mal fragt, wie es ihm so geht.


Anne: Wie geht es dir?

Tuomas: Wie es mir geht? Wirklich gut, danke, wie geht es dir?

Anne: Gut, danke.

Tuomas: Schön zu hören.

Anne: Ich habe gerade das neue Album gehört und ich finde, es ist zu komplex um sich nach nur einmaligem Hören wirklich eine Meinung darüber zu bilden…

Tuomas: Das ist genau das, was ich hören will (lacht).

Anne: Deshalb ist es für mich schwierig, spezifische Fragen zu bestimmten Songs zu stellen. Aber generell finde ich das Album nicht wirklich überraschend, aber es ist auch irgendwo ein Rückschritt Richtung „Dark Passion Play“…

Tuomas: …und auch “Once” und sogar “Oceanborn”. So empfinde ich das. Ja, es hat ein wenig mehr von dieser Bandatmosphäre.

Anne: Aber trotzdem unterscheidet es sich auf eine gewisse Art und Weise.

Tuomas: Auf eine gute Art, ja.

Anne: Was mir aufgefallen ist, ist daß Marco nicht so viele Gesangsparts auf dem Album hat.

Tuomas: Das ist lustig, denn das sagen alle. Dabei singt er tatsächlich sehr viel mehr als je zuvor, nur eben nicht so viel solo. Er singt in jedem einzelnen Song, macht Backgroundgesang, Oktaven, Harmonien… Aber es gibt nur drei Stellen auf dem Album, bei denen er Solo singt, dadurch entsteht wahrscheinlich der Eindruck. Uns selbst ist das gar nicht aufgefallen. Wir kamen erst darauf, als die Leute begannen, uns darauf hinzuweisen. Aber gut.

Anne: Und warum ist da diese lange Stille am Ende des Albums?

Tuomas: Es ist nicht wirklich Stille. Das sind noch ein paar Tiergeräusche.

Anne: Ja, vielleicht habe ich die nicht gehört, weil so viele Leute drumherum waren. Ich konnte nur Stille hören.

Tuomas: Wirklich? Ok…

Anne: Ich hörte die Wellen und dann war es ruhig.

Tuomas: Nur Stille?

Anne: Für mich. Vielleicht hätte ich es lauter einstellen sollen.

Tuomas: Da sollte so ein “eeeeeeer, eeeeeeeer” zu hören sein.

Anne: Ok. Ihr habt versucht zu verhindern, daß auch nur ein Ton des neuen Albums an die Öffentlichkeit dringt. Warum ist es so wichtig für euch, daß niemand einen Ton hört, bevor die Scheibe veröffentlicht wird?

Tuomas: Nun, es ist immer noch Zeit für ein Leck und ich bin sicher, daß es jemand nutzen wird. Aber… es geht darum, das Geheimnisvolle zurück in die Musik zu bringen. Ich kann mich noch gut daran erinnern als ich ein Kind war und ein neues Album meiner Lieblingsband heraus kam – das war ein großes Ding. Man hat auf den Tag gewartet. Man ist zum Plattenladen geradelt. Hat sich das neue Album von PANTERA oder METALLICA geholt. Das war ein großes Erlebnis. Du wußtest absolut nichts davon, was auf der Scheibe sein würde. Du kamst zurück nach Hause und begannst, das Album zu hören und es war eine große Erfahrung. Und das ist etwas, was das Internet uns zum Teil genommen hat. Es hat das Mystische genommen. Das ist der Grund warum wir versucht haben, es so geheim wie möglich zu halten. Um diesen Mantel des Mystischen um das Album herum so lange wie menschlich möglich aufrecht zu erhalten.

Anne: Wie habt ihr das bisher geschafft? Ich finde, das ist nicht leicht heutzutage.

Tuomas: Es ist nahezu unmöglich. Die Single „Élan“ wurde gestern ins Netz gestellt.

Anne: Ja, ich habe davon gelesen.

Tuomas: Und ich fürchte, das gleiche wird mit dem Album passieren. Aber wir müssen einfach versuchen, unser Bestes zu geben und ich wünsche mir, daß die Leute verstehen, daß das ein wirklich, wirklich großes Ding für die Band ist wenn sowas passiert. Und das hat absolut nichts mit Geld zu tun. Es geht ums Prinzip. Du arbeitest 18 Monate nonstop an einem Album. Und dann hast du einen Veröffentlichungtermin. Und du willst, daß es die Leute DANN bekommen, das ganze Album. Keinen Schnipsel davon vorher. Das ist ein Ereignis. Und alle diese Lecks zerstören wirklich das mystische an der ganzen Sache.

interview 20150207 nightwish 06Anne: Was hast du gestern empfunden, als jemand “Élan” ins Netz gestellt hat?

Tuomas: Ich war… die ganze Band war wirklich, wirklich sehr traurig, auch wütend. Ich war es. Ich habe vermutet, daß es so kommen würde, aber ich hoffte, das es vielleicht doch nicht passieren würde, da es nur noch eine Woche bis zur Veröffentlichung ist. Und ich war ein wenig verblüfft von einigen Kommentaren, die sagten, daß das im 21. Jahrhundert so ist. „Kommt drüber weg!“ und “So ist das eben heutzutage!” und “Regt euch nicht auf, kommt damit klar.”, „Warum jammert ihr?“. Und ich finde das wirklich verwirrend. Es laufen doch heutzutage wirklich viele Dinge falsch in der Welt. Und ich finde, man sollte seinen Standpunkt vertreten, wenn man das Gefühl hat, daß man angegriffen wurde oder jemand etwas schlechtes tut. Ich meine, man muß raus damit und sagen „Das ist nicht richtig!“. Auch wenn es das 21. Jahrhundert ist. Ich meine, die ganze Zeit werden Menschen umgebracht. Sollen wir sagen “Das ist das 21. Jahrhundert, kommt damit klar!”? Ja. Darum haben wir so reagiert. Denn es tut wirklich weh.

Anne: Ja, das kann ich verstehen. Um was geht es auf „Endless Forms Most Beautiful“? Ist es eine Art Konzeptalbum?

Tuomas: Es gibt ein loses Konzept, das sich durch alle Stücke zieht. Ich würde es kein thematisches Album im wahrsten Sinne des Wortes nennen. Aber es gibt viele Songs, die inspiriert wurden von der Natur, Wissenschaft, Biologie, Evolution, Büchern von Carl Sagan, Richard Dawkins, Charles Darwin und solche Sachen. Das ist so die Atmosphäre des Albums. Es ist sehr lebensbejahend. Es verehrt die Umwelt.

Anne: Ich war überrascht über den Song “Eyes Of Shabat Gula”. Warum habt ihr diesen Song gemacht – und warum jetzt?  

Tuomas: Zunächst einmal finde ich, daß das Foto “Das afghanische Mädchen”, woher der Titel kommt, ein sehr inspirierendes Foto ist. Ich hatte das Cover von National Geographic während des gesamten Songwritingprozesses vor mir liegen. Ein Jahr lang lag es auf meinem Notenständer – es hat mich verfolgt und ich spürte, daß ich einen Song über diese Thematik schreiben muß. Kinder im Krieg. Und es ist ein sehr aktuelles Thema, wenn man sich ansieht, was im Nahen Osten passiert. Und obwohl wir nicht im mindesten eine politische Band sind war es ein inspirierendes Thema, das ans Tageslicht gebracht wurde. Und es gibt einen Grund, warum dieses Stück keinen Text hat. Denn die Thematik ist so heikel und so wichtig, daß ich das Gefühl hatte, ein Text würde die ganze Philosophie, die hinter dem Song steckt, herabsetzen.

Anne: Ich habe mich nur gewundert, weil das Foto selbst ist ja schon rund 30 Jahre alt und daß sie herausfanden, wer sie wirklich ist, das war so vor 10 Jahren glaube ich.

Tuomas: Ja. Das ist richtig. Und ich mag die Idee, ihre Adresse herauszufinden und ihr das Album zu schicken.

Anne: Das wäre gut. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie es zu schätzen weiß.

Tuomas: Vielleicht nicht.

Anne: Ich habe gelesen, daß sie auch das Foto von sich nicht zu schätzen wußte.

Tuomas. Ja, das ist richtig.

Anne: Und sie verstand nicht, was ihr Foto für viele Menschen in der Welt bedeutet.

Tuomas: Sie sollte es. Es hat viele Augen geöffnet. Meine auch. Vielleicht schicken wir das Album dem Fotograf, Steve McCurry.

Anne: Es wäre interessant zu wissen, wie er darauf reagiert. Und „Élan“, die erste Single, wie seid ihr zu dem Namen des Songs gekommen? Im Internet fand ich nur, daß es französisch für Elch ist…

Tuomas: Es ist auch ein englisches Wort. Die englische Sprache hat es vom Französischen übernommen. Es bedeutet Leidenschaft für das Leben, Vitalität des Lebens. Und ich glaube, im Deutschen gibt es das Wort auch. Elan.


"[...] man muß raus damit und sagen "Das ist nicht richtig!""

Tuomas Holopainen vertritt seinen Standpunkt



Anne: Elan, ja. Und ihr habt Richard Dawkins auf dem Album. Wie ist es dazu gekommen und was hat er gemacht?

Tuomas: Ich war in den letzten Jahren von seinen Veröffentlichungen und seinen Dokumentationen wirklich fasziniert. Und der letzte Song auf dem Album basiert auf seinem Buch „The Greatest Show On Earth“ [dt. Titel: „Die Schöpfungslüge: Warum Darwin recht hat“, Anm. d. Verf.]. Daher kommt auch der Name des Stücks. Und es würde einfach perfekt passen, wenn er ein paar Zeilen in dem Song sprechen würde. So schrieb ich ihm im Januar letzten Jahres einen handgeschriebenen Brief und er schickte mir eine E-Mail zurück: „Danke für den Brief, ich habe noch nie von NIGHTWISH gehört, aber ich habe mir im Internet einiges angehört, mir gefiel, was ich hörte und ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Bitte bucht das Studio in Oxford und nennt mir ein Datum.“ Wir machten seine Aufnahmen letzten Oktober und – das war’s.

Anne: Also spricht er das Darwinzitat in dem Song?

Tuomas: Ja, er hat alle Sprechparts gemacht, alle drei Teile.

Anne: In wie vielen Studios seid ihr gewesen um das Album zu machen?

Tuomas (zählt an den Fingern ab): Wir haben mit dem Summer Camp begonnen. Wir haben unser eigenes Studio mittem im Wald aufgebaut, in meiner Heimatstadt, wo wir geprobt haben und das meiste aufgenommen haben. Dann gingen wir nach London um das Orchester und die Chöre aufzunehmen, dann nach Oxford um Richard Dawkins aufzunehmen, dann kamen wir zurück nach Finnland ins Petrax Studio um meine Klavier- und Keyboardparts aufzunehmen und danach gingen wir zum mixen und mastern ins Finnvox in Helsinki. Also – fünf.

interview 20150207 nightwish 04Anne: Gab es einen Unterschied im Songwritingprozess von “Endless Forms Most Beautiful” im Vergleich zu früheren Alben?

Tuomas: Nicht wirklich. Nichts spezielles, das es wert wäre erwähnt zu werden.  

Anne: Und wer war am Songwriting beteiligt? Die ganze Band oder nur einige Mitglieder?

Tuomas: Ich habe ungefähr 90 % der Songs geschrieben und Marco hat den Song “Our Decades In The Sun”, den fünften Song, fast komplett geschrieben und auch noch einige andere Parts. Also, vor allem Marco und ich haben die Songs geschrieben.  

Anne: Hast du einen Plan im Kopf, wie sich der Sound von NIGHTWISH im Laufe der Zeit entwickelt oder ist das mehr oder weniger eine Art Evolution mit zufälligen Mutationen?

Tuomas (lacht): Ich mag die Art, wie du das ausgedrückt hast und genau so ist es. Eine Evolution mit zufälligen Mutationen hier und da. Und dann übernimmt die natürliche Auslese. Ich überlege mir niemals vorher „Ok, laßt uns ein poppigeres Album machen, laßt uns ein härteres Album machen, jetzt, da wir Floor haben…“. So ist das nie. Es geht nur darum, Themen und Geschichten zu finden, von denen man erzählen will und dann einen Song um diese Geschichten herum aufzubauen und mit der ganzen Band daran zu arbeiten und das bestmögliche Album daraus zu machen.

Anne: Ich frage, weil eure Entwicklung fließend ist. Es gibt keinen Schnitt, nach dem ihr ganz anders klingt. Ihr klingt heute anders als ihr euch auf den ersten Alben angehört habt, aber man kann die Entwicklung nachvollziehen.

Tuomas: Ich weiß was du meinst. Das ist etwas, worauf ich ziemlich stolz bin: Daß wir nie unsere Identität verloren haben. Es gab immer ein paar neue Elemente auf den Alben, so daß sie sich nicht zu sehr ähneln.  

Anne: Und selbst wenn ihr die Sängerin gewechselt habt gab es nie einen Schnitt. Es klang immer logisch. Ein logischer nächster Schritt. Das finde ich wirklich beeindruckend.

Tuomas: Danke. Da muß ich zustimmen. Danke.

Anne: Wie geht es Jukka?  

Tuomas: Jukka geht es heute viel, viel besser. Ich habe ihn vor ein paar Wochen getroffen, er kam bei mir zu Hause vorbei und wir spielten Poker und er sah wirklich gut aus. Er konnte in den letzten Monaten wirklich gut schlafen und er arbeitet immer noch als Geschäftsführer der bandeigenen Firma, kümmert sich um alle finanziellen Angelegenheiten und das Bandmerchandise, von daher ist er immer noch sehr in die Band involviert. Und er ist immer noch der Drummer der Band. Kai ist nur zur Aushife.

Anne: Könnt ihr schon absehen, wann er wieder zurückkehren wird?

Tuomas: Das ist ganz allein Jukkas Entscheidung. Aber er wird für die nächsten zwei, drei Jahre eine Pause einlegen und dann sehen wir, wie er sich danach fühlt.

Anne: War Kai Hahto auch in den Songwritingprozess eingebunden oder nur in die Aufnahmen?

interview 20150207 nightwish 03Tuomas: Nur in die Aufnahmen. Er hat ein paar kleine Arrangements hier und da vorgenommen. Das lag hauptsächlich daran, daß wir so wenig Zeit hatten. Denn Jukka war in den ersten Monaten der Proben dabei und dann kam Kai nur eine Woche bevor wir mit den Aufnahmen der Drums beginnen mußten. Wir hatten also nur sechs Tage um die neuen Songs mit dem neuen Drummer zusammen zu proben. Da war also nicht wirklich Zeit für grundlegende Arrangements. Die Band versuchte zu überleben und wir haben einfach nur versucht, die Songs zu proben, so daß wir die Drums aufnehmen konnten.

Anne: Und wie ist es, mit Kai zusammenzuarbeiten?

Tuomas: Wirklich leicht. Ich meine, der Kerl ist absolut professionell. Er weiß genau, was er tut.

Anne: Und habt ihr euch schon überlegt, welche Songs ihr auf der Tour spielen werdet?

Tuomas: Ich denke, wir werden jeden einzelnen Song vom neuen Album proben und einfach mal sehen, welche Songs am besten funktionieren.

Anne: Ich hoffe, es wird auch eine Tour in Europa geben.

Tuomas: Wird es, definitiv, noch vor Ende des Jahres.

Anne: Weil ihr bisher ja nur die US-Termine veröffentlicht habt…

Tuomas: Ja, in den Vereinigten Staaten und danach kommt die Festivalsaison, da werden wir ca. 15 Shows in ganz Europa spielen und dann, später im Jahr, wird es eine ausgedehnte europäische Tour geben. 


"Ich hätte nichts dagegen, [das Orchester] jeden Abend auf der Bühne zu haben"

Man wird ja noch träumen dürfen.



Anne: Aber generell wollt ihr nicht mehr so viel touren wie bisher?

Tuomas: Ich denke, die kommende Tour wird sich in der gleichen Größenordnung bewegen wie die “Imaginaerum”-Tour, also ungefähr anderthalb Jahre dauern.

Anne: Würdest du gerne mal einen Auftritt mit einem richtigen Orchester machen?

Tuomas: Immer! Ich hätte nichts dagegen, sie jeden Abend auf der Bühne zu haben. Aber das hängt vor allem von, ja, Geld ab. Und wenn man in kleineren Sälen spielt wie in den USA zum Beispiel, wo auf der Bühne nicht so viel Platz ist, dann ist es logistisch unmöglich, ein Orchester mit auf Tour zu nehmen.

Anne: Aber ihr könntet es zum Beispiel zu einem Festival mitbringen.

Tuomas: Nun, die Sache ist die: Wenn wir eine Show mit Orchester machen, dann wollen wir sie mit dem London Orchestra machen, denn wir arbeiten seit 12 Jahren mit ihnen zusammen. Und 100 Musiker von London auf ein Festival irgendwo in Europa zu bringen ist wieder eine logistische Unmöglichkeit (lacht).   

Anne: Dann müßt ihr nach London gehen.

Tuomas: Ja, das ist so ziemlich die einzige Möglichkeit, die wir haben. Aber die Sache ist die: So viele Bands spielen heutzutage Shows mit einem richtigen Orchester und ich finde, das würdigt die ganze Idee ein wenig herab. Also falls und wenn irgendwann NIGHTWISH diese spezielle Show spielt, dann muß sie besonders speziell sein. Aber wir hatten noch keine Idee, wie das aussehen könnte. Einfach nur eine normale Show in der Royal Albert Hall mit Orchester zu spielen würdigt es ein wenig herab. Nach allem, was bisher passiert ist.

interview 20150207 nightwish 05Anne: Ja, aber ich finde, nichts kann den Sound eines echten Orchester ersetzen.

Tuomas: Absolut, da stimme ich zu. Aber mein Standpunkt ist, daß wir es außergewöhnlich machen wollen und vor 10 Jahren wäre ein solches Konzert außergewöhnlich gewesen. Aber heute ist so etwas nicht mehr einzigartig und deshalb muß uns erstmal eine neue Idee kommen um sowas zu verwirklichen.

Anne: Letztes Mal, als ihr eine neue Sängerin gesucht habt, habt ihr zwei Jahre gebraucht, dieses Mal nur zwei Tage. Was war der Unterschied?

Tuomas: Der Unterschied war, daß die Band vor zweieinhalb Jahren eher ein Überlebenskampf auf Rädern in den USA war und Entscheidungen mußten sehr schnell getroffen werden um die Maschine am laufen zu halten. Und die einzige Person, die uns in dieser Situation wirklich retten konnte war Floor. Als wir sie anriefen hatten wir keine Pläne für die Zukunft. Wir hatten nicht vorgesehen, daß sie sofort unsere neue Sängerin werden würde. Es war mehr so „Laßt uns versuchen, mit dieser Tour klarzukommen und vielleicht kannst du das für das nächste Jahr machen und dann sehen wir weiter“. Aber auf der Tour merkten wir, daß die Chemie stimmte und die Stimme da war. So war es wirklich. Und während der Monate, die wir zusammen verbrachten, wurde uns klar, daß, wenn sie damit einverstanden wäre, sie unsere neue Sängerin sein würde.

Anne: Was ist der Unterschied zwischen der Arbeit mit Floor und der Arbeit mit Anette?

Tuomas: Ich werde die Sängerinnen nicht vergleichen (lacht). In keinster Weise.

Anne: Ok. Ist Floor endgültig nach Finnland gezogen oder nur für die Aufnahmen?

Tuomas: Endgültig. Sie lebt jetzt in Joensuu.

Anne: Kann sie schon Finnisch?
 
Tuomas: Sie lernt es die ganze Zeit. Jeden Tag mehr und mehr. Und sie versteht ziemlich viel und kann auch ein wenig sprechen. Ich meine, sie kann einkaufen gehen und dort Finnisch sprechen, aber es ist vermutlich die schwerste Sprache der Welt (lacht), von daher wird es etwas dauern. Aber das sagt dir etwas über ihre Hingabe. Nach Finnland zu ziehen und zu versuchen, die Sprache zu lernen.

Anne: Ja, das stimmt.

Tuomas: Von daher – Respekt!

Anne: Und hast du mit Anette gesprochen seit sie die Band verlassen hat?

Tuomas: Nein, nicht wirklich. Wir haben uns ein paarmal E-Mails geschrieben.

Anne: Und dann habe ich etwas von der NIGHTWISH Cruise gelesen. Kannst du uns etwas darüber erzählen? Was habt ihr bisher geplant?

Tuomas: Es wird zwei Shows geben am 8. und 9. Juni. Die Kreuzfahrt beginnt in Finnland und es ist eine 24-Stunden-Tour wo wir spielen werden.

Anne: Also sowas wie von Helsinki nach Stockholm oder einfach nur eine Rundtour über die Ostsee?

Tuomas: Ich weiß es gar nicht, ob die Tour nach Stockholm geht oder nur über die Ostsee. Ich weiß es nicht, um ehrlich zu sein. Aber die Idee ist eine thematische Kreuzfahrt, du kannst die Band im Nachtclub sehen, dann gibt es ein Meet & Greet, dann werden Troy und Marco eine Akustikshow spielen. Es ist so eine themenbezogene Kreuzfahrt. SABATON haben sowas kurz vor Weihnachten gemacht und ich finde das ist eine gute Idee. Eine wirklich gute Idee. Wenn ich meine Lieblingsband sehen wollte, hätte ich nichts dagegen, auf so eine Kreuzfahrt zu gehen.  

Anne: Aber das ist doch das gleiche wie mit einem Orchester auftreten. Jeder macht das heutzutage.

Tuomas: Nicht jeder.

Anne: Aber es gibt im Moment so viele Metal-Kreuzfahrten.

Tuomas: Ja, die gibt es, aber es ist wirklich etwas anderes, da es eigentlich nur eine Show ist. Und warum sollten wir es nicht tun. Ich meine, es spielt auch jeder auf Festivals…

Anne: Ja, ich meine ja nur, weil du sagtest, wenn jeder mit Orchester spielt würdigt es das etwas herab und es macht auch jeder eine Kreuzfahrt.

Tuomas: Ja, würdigt unsere Show herab meine ich. Und weil die Band so ambitioniert ist, muß, wenn sie etwas spezielles macht, das auch wirklich speziell sein.

Anne: Hast du schonmal darüber nachgedacht, eure alten Alben mit den Möglichkeiten, die ihr heute habt, neu aufzunehmen?

Tuomas: Auf keinen Fall. Es wäre eine Art Persiflage das zu tun. Warum zur Hölle sollten wir das tun? Ich weiß, wir haben einen Song, „Astral Romance“, neu eingespielt weil wir einen Bonustrack brauchten und das ist auch ok. Aber ich finde, diese Alben sind Bilder ihrer Zeit, sie wurden immer mit Herzblut gemacht, mit den besten Vorsätzen und mit der Technologie, die uns damals zur Verfügung stand und sie klingen genau so, wie sie es sollten. Das wäre das Letzte, was ich tun würde, hingehen und sie neu einspielen.

interview 20150207 nightwish 02Anne: Und dann habe ich noch eine letzte Frage. Das ist keine spezielle NIGHTWISH-Frage, sondern eher eine Frage an dich selbst: Besteht die Möglichkeit, daß es mal ein Konzert deines Soloalbums gibt? Mit einem richtigen Orchester?  

Tuomas: Hm...ich würde das sehr gerne machen, um ehrlich zu sein. Aber es gab nie Pläne diesbezüglich. Ich habe nie ernsthaft darüber nachgedacht weil im Moment mit dem neuen NIGHTWISH-Album alles so hektisch ist und es auch für die nächsten beiden Jahre bleiben wird. Aber ich habe alle Noten zu Hause, für das Orchester und die Chöre, also es ist natürlich machbar. Und es gab schon Interesse.
 
Anne: Ich würde das sehr gerne sehen. Ich finde, es ist ein großartiges Album und es ist sehr orchestral. Es wäre toll, das live gespielt von einem echten Orchester, zu sehen.

Tuomas: Ich würde das auch wirklich gerne tun. Laß uns das im Hinterkopf behalten. Nicht in den nächsten Jahren. Aber vielleicht in der Zukunft, sicher..

Anne: Das wäre toll.

Tuomas: Danke!

Anne: Das war’s auch schon. Ich danke dir für das Interview!

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Pfaelzers Avatar
Pfaelzer antwortete auf das Thema: #16138 9 Jahre 1 Monat her
Immer! Ich glaube, wenn einem hinterher nichts mehr einfallen würde, wäre auch traurig, das hieße ja, dass man wenig Interesse hat. Und genau dieses Interesse von Dir, dass Du bei dieser Band hast, hat er auch gemerkt. Anfangs, war er noch ein wenig einsilbig, dann entwickelte sich ein sehr tolles Gespräch. Ich denke, so jemand merkt auch, dass ihm da niemand gegenüber sitzt, der nur einen Artikel schreiben muss.
Annes Avatar
Anne antwortete auf das Thema: #16131 9 Jahre 1 Monat her
Ja, der Tuomas ist ein ganz lieber. Natürlich sind mir auch hinterher noch 2 Fragen eingefallen, die ich noch hätte stellen können... naja, so isses ja immer.
Andreass Avatar
Andreas antwortete auf das Thema: #16129 9 Jahre 1 Monat her
Das Interview ist großartig und sehr informativ. Scheint ein angenehmer Typ zu sein, der Tuomas!
Pfaelzers Avatar
Pfaelzer antwortete auf das Thema: #16128 9 Jahre 1 Monat her
Hammerinterview!!!

Scheint mir auch ein sehr netter Typ zu sein.