Interview mit Wolf Hoffmann (Accept)

interview 20141020 0104 acceptWer nach so vielen Jahren endlich oben angekommen ist, der weiß, welchen Weg er zurück legen musste. Die Jungs von ACCEPT können ein Lied davon singen, denn sie haben viel durchleben und auch zuletzt einiges an Gegenwind aushalten müssen. Wer aber mal auf der Pole Position der Charts stand, der weiß, dass sich all die Mühen gelohnt haben, mit „Blind Rage" brauchte es vierzehn Studioalben, um dieses Kunststück zu schaffen. Nun steht nicht nur ihr immenser Einfluss in den Geschichtsbüchern, sondern immer wieder auch große Erfolge. Die besten Zeiten für die Formation seit den Achtzigern wurden nun mit einer Tour gefeiert, welche den Fünfer in die größeren Clubs der Republik brachte. Vor dem Konzert in Langen traf NECKBREAKER einen topfitten, motivierten und redseligen Gitarristen Wolf Hoffmann, der unglaublich relaxt und abgeklärt wirkte.

Pfälzer: So direkt mal das wichtigste zuerst, ihr habt es ja jetzt gepackt! ACCEPT sind auf Nummer eins in die Charts eingestiegen, was bedeutet Euch das, was geht einem da durch den Kopf?

Wolf Hoffmann: Ja, das ist ziemlich genial! Wer hätte das gedacht, dass wir nach 35 Jahren doch noch unsere erste Nummer eins haben? Dazu kommt ja noch hinzu, dass eine Metalband mit Helene Fischer den Popact derzeit kurzzeitig vom Thron stoßen konnte, das macht zusätzlich stolz. Wir sind natürlich jetzt überglücklich, vollkommen klar, besser kann es derzeit nicht laufen.

Pfälzer: Das ist ja jetzt auch eine Bestätigung für Eure Arbeit, weil ihr an Eurer Entscheidung festgehalten habt. Schließlich gab es bei der Reunion sehr viele negative Stimmen, weil Udo Dirkschneider ja nicht mehr dabei war.

Wolf Hoffmann: Ja, das Thema war am Anfang relativ aktuell, hat sich dann aber im Laufe der Zeit etwas beruhigt und mittlerweile hört man da gar nichts mehr davon. ACCEPT so wie sie jetzt sind, werden akzeptiert und mit offenen Armen empfangen, das Sängerthema hat sich längst erledigt. Klar bleibt das immer noch im Bewusstsein und dann letztendlich so einen Erfolg zu haben, ist eine schöne Bestätigung. All den Leuten gegenüber, die von vorneherein gesagt haben, dass das nie was wird, ist das eine gewisse Genugtuung, weil es doch geklappt hat.

Pfälzer: Ich muss ganz ehrlich zugeben, ich war zu Beginn auch ein wenig skeptisch.

Wolf Hoffmann: Kann ich verstehen, ich wäre selber als ACCEPT-Fan auch ein wenig skeptisch gewesen, das kann man keinem verübeln. Was halt dumm gelaufen ist, dass es Leute gab, die das von vorneherein verurteilt haben, ohne jemals etwas gehört oder gesehen zu haben. Alleine die Idee hat viele Anhänger schon wahnsinnig gestört. Ich denke, man muss jedem erst die Chance geben, sich beweisen zu können, und wie man sieht, kann es durchaus sehr erfolgreich und anerkannt sein.

Pfälzer: War bei dieser Reunion eigentlich anfangs....

Wolf Hoffmann: (fällt ins Wort) Mich stört das Wort Reunion in dem Zusammenhang auch ein bisschen, ich sehe das eher wie einen Neustart. Wir haben uns ja nicht wieder vereint, sondern noch mal ganz von vorne angefangen. Außer den Urmitgliedern Peter und mir ist ja von der klassischen Besetzung keiner dabei, deswegen ist des keine Wiedervereinigung in dem Sinne.

Pfälzer: War Udo überhaupt im Gespräch oder war die Sache von Anfang an mit Mark geplant?

interview 20141020 0102 acceptWolf Hoffmann: Nein, Udo hat ja von Anfang an gesagt „Nie wieder!" und das direkt mit allerhand Gründen abgelehnt. Da war sehr viel im Gespräch, auf das ich nicht ins letzte Detail eingehen will, aber da kam schon auf den Tisch, dass wir zu schlecht wären und keine Songs schreiben könnten. Er hat das eigentlich klar gestellt, dass er mit uns nichts mehr zu tun haben will und keinerlei Interesse hat. Von daher war das Thema auch für uns erledigt, weil wir dachten, es würde nur mit Udo gehen, und es war ja kein anderer im Gespräch.
Es war ja nicht so, dass wir mit aller Gewalt ACCEPT wieder an den Start bringen wollten, bis uns dann durch einen Riesenzufall eines Tages der Mark Tornillo bei einer Jamsession über die Füße gelaufen ist. Da haben wir erst den Plan gefasst, einen Neuanfang zu versuchen, was hätte gegen Mark gesprochen, da Udo ohnehin nicht wollte. Es war ja nicht so, dass wir uns da in die Richtung viel bemüht, und alle möglichen Leute gefragt und ausprobiert hatten, weil wir unbedingt wieder Musik machen wollten. Erst das Zusammentreffen mit Mark hat ja den Stein ins Rollen gebracht.

Pfälzer: Ihr habt ihn ja in den USA getroffen, Du und Peter lebt ja dort. Wie kam es dazu?

Wolf Hoffmann: Ja, das war in den Staaten, wir leben ja seit über zwanzig Jahren dort. Das hatte aber rein persönliche Gründe.

Pfälzer: Wo Du gerade Udo Dirkschneider angesprochen hast, der ja schon ewig mit U.D.O. eine stilistisch ähnliche Band am Start hat. Ich höre aus Deinen Aussagen heraus, dass da endgültig Funkstille herrscht und kann seine Behauptungen nicht ganz nachvollziehen. Ganz objektiv hat er zwar mit seiner Version auch sehr gute Lieder am Start, mir steht es da jetzt nicht zu darüber zu urteilen, wer die besseren Songschreiber sind. Für mich liegt der ganz große Unterscheid zwischen beiden Projekten ganz klar in der Produktion, denn über U.D.O. habe ich mich in den letzten Jahren regelrecht geärgert. Ihr seid ja bei Andy Sneap in besten Händen habt dreimal hintereinander einen Hammersound hinbekommen, wie kam da der Kontakt zustande?

Wolf Hoffmann: Hier hatte auch wieder der Zufall seine Hände im Spiel. Andy Sneap hat durch einen Bekannten Kontakt mit uns aufgenommen, er möchte mal mit uns reden, weil er gehört hatte, dass wir uns wieder reformieren wollen. Er kam dann vorbei, hat sich vorgestellt, dabei war mir der Name Andy Sneap gar nicht geläufig. Ich war ja zehn Jahre aus dem Geschäft und nicht immer informiert, was aktuell so läuft.
Wir haben uns dann direkt gut verstanden, es hat sich heraus gestellt, dass er ein alter ACCEPT-Fan ist, gut über unsere Geschichte Bescheid weiß und die alten Songs sehr gut kennt. Da er ein netter Typ war hat es sich ja angeboten, mit ihm mal probeweise zu arbeiten. Bei den Sessions waren wir gleich begeistert, so dass da kein anderer mehr im Gespräch war. Es war ja ähnlich wie bei Mark, wir haben uns noch gar keine Gedanken darüber gemacht, wer denn der neue Produzent wird. Als es dann mit Andy Sneap so gut funktionierte, haben wir uns sofort für ihn entscheiden.


"Eigentlich war es gar nicht unsere Absicht, die Band wieder an den Start zu bringen. Sowohl Mark als Sänger als auch Andy als Produzent kamen durch reinen Zufall zu uns."
Der Metalgott hatte wohl etwas vor


Pfälzer: Andy Sneap kannte ich ja eher von härteren Produktionen wie ARCH ENEMY, KREATOR oder EXODUS, weswegen ich schon überrascht war. Aber ich habe dann auch mitbekommen, dass er einen sehr klassischen Metalbackground hat, schon in der späten NWOBHM anfing und auch als Musiker bei HELL involviert ist.

Wolf Hoffmann: Was halt gut an unserer Zusammenarbeit funktioniert, ist das er unsere Arbeitsweise kennt, und uns diese auch was das Songwriting angeht beibehalten ließ. Das Team dahinter sind ja schon immer Peter und ich, wir schreiben seit 35 Jahren zum großen Teil die Stücke, wenn auch mit streckenweise Input von anderen. Im Grunde fängt jeder Song von uns gleich an, Peter und ich setzten uns zusammen und tauschen die Riffs aus. Dann gibt es einen ersten Demogesang von Peter, bis der Song dann die nötige Reife hat, der Sänger, jetzt nun halt Mark bekommt dann die Songs und macht dann seine Version draus.
Neuerdings ist Mark auch für die Texte verantwortlich, das hat früher die Gabi gemacht. So ist unsere Arbeitsweise seit Urzeiten gewesen, das schöne daran ist, dass wir die seit mehr als dreißig Jahren beibehalten haben. Es ist halt total Old School wie wir arbeiten, auch wie wir die Songstrukturen machen, die sind ja auf richtigen Refrains aufgebaut. Dazu erzählt jeder Song eine Geschichte, egal ob Du jetzt „200 Years" oder so nimmst, es ist immer klar, worum es geht. Dann kommt der Andy Sneap ins Spiel, der so ein bisschen den moderneren Touch mit rein bringt.
Die Mischung zwischen dem traditionellen Songwriting und der modernen Produktionsweise macht, glaube ich den Reiz dieser neuen Phase von ACCEPT aus. Die Fans finden das auf jeden Fall gut, alles klingt etwas tighter und direkter dadurch, aber es hat immer noch viel von dem früheren Vibe. Das ist uns auch ganz wichtig, auch bei „Blind Rage" wollten wir unbedingt erreichen, dass wir Titel schreiben, die zwar vom Sound her frisch und modern klingen, aber von der Essenz Songs sind, die wir schon vor dreißig Jahren hätten schreiben können. Das hört sich jetzt einfach an, ist aber im Detail ganz schön verfuchst, das versuchen ja viele.

Pfälzer: Jetzt habt ihr ja auch zwischendurch Songs geschrieben, die sich nicht ganz so nach ACCEPT angehört haben. Habt ihr da beim Songwriting mit einer ganz anderen Zielsetzung begonnen?

Wolf Hoffmann: Natürlich kam so etwas auch mal von uns, das hat jeder Mal gemacht! Du musst ja als Künstler auch deine Grenzen ausloten und Erfahrungen sammeln, sonst kannst Du das ja nie fest stellen, wie weit Du gehen kannst. Da geht man sicherlich auch anders ran, es gab ja eine Phase in den Neunzigern, als keiner so richtig wusste, wo die Reise hingeht, da haben auch wir ganz andere Wege eingeschlagen, beispielsweise mit „Eat The Heat". Als dann Mitte des Jahrzehnts keiner mehr den traditionellen Metal hören wollte, das war eine schwierige Zeit. Da haben wir auch mal den Weg verlassen und versucht uns im Dschungel der neuen Musik zu finden. Genau wie viele andere klassische Metalbands haben wir dabei ziemlich Schiffbruch erlitten.
Doch das ist schon lange vorbei, uns gibt es wieder und wir haben uns wieder auf den alten Stil besonnen. Wir haben uns ganz bewusst dazu entschlossen, die Songs im alten Stil zu machen und keine Experimente einzugehen. Die neue Platte sollte jetzt nicht anders sein, wir wollten unseren Stil nicht erweitern, es ging einfach darum knochenharte Songs zu schreiben, die sofort als ACCEPT identifizierbar sind. Es sind nun Lieder geworden, welche den Nagel auf den Kopf treffen, die wir halt früher noch nicht geschrieben haben, obwohl wir es hätten tun können. Es sind einfach nur neue, bessere Songs, ohne dass sie anders sind, das war die Vorgabe und ich glaube, das hat geklappt.


"In den Neunzigern wusste niemand wirklich, wo die Reise hingeht. Da haben wir, wie viele Größen der Achtziger, etwas anderes ausprobiert und haben damit alle Schiffbruch erlitten."
Hoffmann sieht das damalige Dilemma heute ehrlich und nüchtern


Pfälzer: Und wo habt ihr aufgenommen, in England bei Andy?

Wolf Hoffmann: Nein, wir haben diesmal alles in Nashville aufgenommen, in England wurde gemischt. Wir haben ja die letzten drei Platten immer ähnlich aufgenommen, bei der ersten haben wir die Playbacks noch in England gemacht, dann nur die Overdubs teilweise in Nashville. Bei „Stalingrad" wurden dann die Drumtracks in Nashville aufgenommen und wurden in England nur gemischt, und dieses Mal war es wieder genauso.

Pfälzer: Wart ihr mit der ganzen Band gemeinsam im Studio oder kommt da jeder nur für seine Parts vorbei?

Wolf Hoffmann: Das kommt darauf an, die Playbacks, die Gitarrenarbeit mache ich ja ohnehin alleine, da ist der Herrmann nicht dabei. Das machen wir seit 1982 so, dass ich die Gitarren alleine und meist auch ohne Produzent einspiele. Bei den Rhythmusgitarren ist manchmal der Andy Sneap noch mit dabei, weil er als Produzent auch einen besseren Blick für manches hat. Das Ausarbeiten der Soli und der Overdubs mache ich dann auch wieder alleine. Mark singt seine Sachen meist alleine mit Andy ein, erst später wenn die Drumtracks und der Bass kommen sind wir dann alle im Studio, das sind alles verschiedene Entstehungsphasen.

interview 20141020 0103 acceptPfälzer: Wo Du gerade erwähnt hast, dass du viele Gitarren alleine einspielst, es gab ja von Dir auch ein Soloalbum mit Adaptionen von klassischen Werken. Hast Du da irgendwann mal vor, das fortzusetzen?

Wolf Hoffmann: Ja, das habe ich schon vor und ich arbeite auch daran, wie man sich denken kann. Die Arbeit an dem Nachfolger zieht sich allerdings hin, weil ich derzeit kaum dazu komme, alles fertig zu stellen. Ich bin ja pausenlos mit ACCEPT unterwegs, beim letzten Album haben wir acht Monate an den Songs gefeilt, bis wir der Meinung waren genügend zusammen zu haben. Das hat sich vom letzten Mai bis Weihnachten hingezogen, dann haben wir noch aufgenommen, sind gleich danach auf Tour gegangen, haben im Sommer Festivals gespielt und noch ein Video gedreht. Ich komme nie dazu die Soloscheibe fertig zu stellen, sie ist zu achtzig Prozent im Kasten und ich hoffe, dass ich sie demnächst abschließen kann.

Pfälzer: Du bist ja ein recht einflussreicher Musiker, ACCEPT prägen die Metalszene bis heute, welche Musik hört Wolf Hoffmann privat?

Wolf Hoffmann: Ja, da bin ich schon stolz drauf, wenn sich Bands auf uns berufen, wir haben in der Tat viel bewegt. Eigentlich haben wir den Metal in Deutschland erst salonfähig gemacht, vor uns gab es nichts Vergleichbares. Höchstens die SCORPIONS, aber die waren dann eher Rock oder Hardrock, später Pop (lacht), aber als wir kamen, bestand die aktive Metalszene hierzulande wirklich nur aus uns.
Heute höre ich so gut wie gar keine Musik mehr, ich war noch nie so ein richtiger Musikkonsument, der sich da total reingesteigert hat. In den Siebziger Jahren habe ich viel von den Klassikern gehört, die es damals gab, wie DEEP PURPLE, QUEEN, THIN LIZZY, STATUS QUO, die ganzen Bands aus Amerika und England, auch AC/DC. Mittlerweile höre ich fast gar nichts mehr privat und wenn dann auch wieder die alten Klassiker. Das einzige was bei mir öfter läuft ist klassische Musik, ich bin ja bekannterweise auch ein großer Klassik-Fan.

Pfälzer: Da ich eben die letzte Frage angekündigt bekam, wollt ich noch nach dem Toursupport fragen. Ihr habt ja mit DAMNATIONS DAY eine eher unbekannte Band dabei, wie kam denn da der Kontakt zustande?

Wolf Hoffmann: Ich finde es cool, dass da eine junge Band mal die Chance hat, sich zu präsentieren. Die Jungs kommen aus Australien, sind supernett und sehr froh dabei zu sein, es funktioniert auch gut mit denen unterwegs. Der Kontakt kommt wie immer über irgendwelche dunkle Kanäle im Hintergrund zustande, übers Management, über tausend Ecken, die Entscheidung trifft die Band eigentlich nie selbst. Aber wir sind echt froh mit denen und kommen gut aus. Da denken die Fans immer, das machen die Bands untereinander aus, aber das ist fast nie so. Normalerweise wird da zwischen Managern, Promotern und Bookern hin und her verhandelt, wer gerade Zeit hat, wer passt, finanzielle Dinge werden geregelt, die Band selbst erfährt das meistens ziemlich als Letztes.

Pfälzer: So, dann bedanke ich mich recht herzlich für das Interview, wir sehen uns nachher bei der Show.

Wolf Hoffmann: Ich danke!

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