Interview mit Erik Ravn (Wuthering Heights)

Das dritte Studioalbum der Dänen WUTHERING HEIGHTS namens "Far From The Madding Crowd" ist gerade veröffentlicht - da bot sich die Gelegenheit, ein Interview mit Erik Ravn - seines Zeichens Gitarrist, Bassist, Hauptsongschreiberling und einziges verbliebenes Gründungsmitglied - zu führen.
Der Gute erwies sich als sehr mitteilsam, so dass ich an manchen Stellen ein wenig sinnwahrend gekürzt habe.

Neckbreaker: Wenn du jemanden treffen würdest, der nie von WUTHERING HEIGHTS gehört hat - wie würdest du ihm die Musik, die ihr macht, beschreiben?

Erik: Ich würde einfach sagen "Heavy Metal", weil es genau das ist, was wir immer machen wollten. Über all diese verschiedenen Untergliederungen, die heute existieren, habe ich nie wirklich nachgedacht. Als ich angefangen habe, Musik zu machen, war alles "Heavy Metal" - und für mich ist es das heute immer noch.
Was mich zum Heavy Metal gezogen hat ist, dass er so unglaublich vielseitig ist - er kann so viele Dinge ausdrücken, er kann aggressiv, episch, pompös, aber auch eben mal ruhig sein.
Außerdem würde ich mich ungern auf eine einzige Richtung festlegen wollen und uns damit unsere Möglichkeiten eingrenzen. Wer weiß schon, wie wir in der Zukunft klingen werden?
Unsere Musik ist auf jeden Fall sehr auf den einzelnen Song konzentriert - kein "Riff-Orama" oder eine Plattform für langatmige Soli.
Ich schreibe auch nur wahre Texte über Dinge die mir passiert sind - oder über Dinge, an die ich glaube oder über die ich mich wundere - mit anderen Worten: es gibt kein "Drachentöten" in meinen Songs.
Sorry, ich schweife ab, um's mal abzukürzen - unsere Musik ist sehr variabel - es geht von schnellen, aggressiven Stücken über ruhige, "unplugged"-Songs bis hin zu richtigen Orchesterarrangements - und zwischendrin immer ein wenig Folk-Music-Einfluss dabei.
Ich versuche eigentlich nur, den bestmöglichen Heavy Metal zu schreiben, den ich schreiben kann - und das bedeutet, mit den Möglichkeiten zu spielen. Vielleicht es ja genau das, was "progressive Metal" sein soll, aber ich würde es nie so nennen.
Du siehst - ich kann diese Frage gar nicht beantworten, haha, was ist denn die nächste Frage?!

Neckbreaker: Wieso hast du dir diese Musikrichtung ausgesucht, und wo/wer sind deine Vorbilder und Einflüsse?

Erik: Ich habe mich nie bewusst für eine Stilrichtung entschieden, ich habe vielmehr einfach mit dem Schreiben angefangen, weil wir ein paar Songs brauchten - und seitdem gehe ich in die Richtung, in die mich die Songs bringen.
Ich glaube schon, dass es ein paar unterschiedliche "Gruppen" von Einflüssen auf mein Songwriting gibt - Zum Einen sind es die ersten Metal-Bands, die ich gehört habe - HELLOWEEN, IRON MAIDEN, MANOWAR, RIOT - eben klassischer Metal. Eine andere Gruppe ist der 70er-Jahre-Rock, den ich als Kind gehört habe, STYX oder experimentelles wie PINK FLOYD. Und natürlich ist da noch Folk-Music, was ich ziemlich genau so lange wie Metal höre - und schon früh habe ich versucht, diese Einflüsse miteinander zu verbinden. Natürlich findest du nicht die perfekte Balance von Anfang an - aber ich denke, auf dem aktuellen Album sind wir schon sehr sehr nah dran.

Neckbreaker: Euer aktuelles Album "Far From The Madding Crowd" ist tatsächlich ein kleines Meisterwerk geworden - und es hat von diversen Magazinen auch durchweg Bestnoten eingesammelt - erzähl uns doch ein wenig über die Story, die das Album transportiert.

Erik: Danke! Nun, es ist eigentlich so, dass unsere drei Alben miteinander verbunden sind - es ist weniger eine Art Konzept, sondern verwandte Melodien. Das erklärt sich auch leicht daraus, dass wir viel von dem Material schon Anfang der 90er geschrieben haben - der Rest der Zeit ging dafür drauf, die Band zusammen zu bringen und die Alben aufzunehmen.
So ist es, dass die Songs zwar alle für sich stehen können, aber insgesamt eine Art Reise beschreiben. Ich habe ja gesagt, dass ich meine eigenen Erfahrungen in den Songs verarbeite - so ist es ein wenig auch eine Reise durch mein eigenes Leben - aber auf einem anderen Level, es geht zum Beispiel auch um die Menschheitsgeschichte im Laufe der Jahrhunderte, insbesondere werden Fragen aufgeworfen, was den Konflikt Menschheit <--> Natur angeht.
Ich möchte jetzt nicht die Erfahrung für den Hörer vorwegnehmen, wenn er versucht die Texte zu verstehen, aber ich glaube, ein wenig kommt die Reise am Ende wieder zu dem Punkt zurück, wo sie angefangen hat… Egal, die Texte sollten ein wenig poetischen Wert für sich allein besitzen, es ist also nicht nur Geschichten erzählen...

Neckbreaker: Wer kam denn auf die Idee, ein solches (bzw. drei) Album zu schreiben? Bist du sozusagen das "Mastermind" in der Band, oder arbeitet ihr als Team an den Songs?

Erik: Nein, nein, ich schreibe das gesamte Material - die anderen können zwar ihre Ideen mit einwerfen, aber das passiert recht selten. Ich denke, das hat auch damit zu tun, WIE ich schreibe. Es ist eben ein sehr persönlicher Prozess für mich - und vor allem schreibe ich die Texte VOR der Musik - also genau das Gegenteil von dem, was die meisten anderen machen. So ist es schwierig für andere, Teil des Songwriting-Prozesses zu sein. Ich kann mich nicht in den Probenraum stellen und ein wenig jammen - es ist bei mir viel komplexer, so kann ich auch nur schwer erklären, worauf ich beim Schreiben achte - bis es eben fertig ist und du das Ergebnis hören kannst.

Neckbreaker: Du bist das einzige verbliebene Gründungsmitglied in der Band - willst du uns etwas über die Vielzahl an personellen Wechseln und die Geschichte von WUTHERING HEIGHTS erzählen?

Erik: Wir haben angefangen, als wir noch sehr jung waren, ich denke mal, dass es einfach noch persönliche Entwicklungen waren - ich meine, das Interesse an der Musik verlieren und so. Aber die Gründe für die Wechsel waren so vielseitig - manchmal waren es auch "Gelegenheiten" - also solange man wechselt, um etwas Besseres zu machen, ist es halt ok. Unser derzeitiges Line-Up ist sehr stark, und ich hoffe sehr, dass jeder von den anderen die Lust am Weitermachen behält. Das aktuelle Album haben wir wirklich in guter Stimmung eingespielt und ich würde gerne so weitermachen. Und - nebenbei bemerkt - die Band gibt's bereits seit 1989 - in einem solchen Zeitraum sind Wechsel doch nur normal (Anm.: dann sind Bands wie ZZ Top ja mächtig anormal :-)

Neckbreaker: Wie habt ihr euren derzeitigen Sänger Nils Patrick Johansson gefunden?

Erik: Da war ein wenig Glück mit im Spiel - wir waren gerade auf der Suche nach einem neuen Sänger, da erinnerte sich unser Management an ein altes Demotape von ihm. Wir fanden seine Stimme sofort passend und haben ihn kontaktiert. Und glücklicherweise war er sofort interessiert, so haben wir gar nicht mehr woanders gesucht.

Neckbreaker: Er ist ja noch bei einigen anderen Bands wie ASTRAL DOORS aktiv, zudem habe ich gelesen, dass er 750 km vom Rest der Band entfernt wohnt. Wie habt ihr denn die Aufnahmen gehandhabt - war er noch in der Entwicklung/im Finish der Songs involviert, oder ist er nur kurz zum Einsingen "eingeflogen"?

Erik: Lustigerweise ist WUTHERING HEIGHTS die erste ernsthafte Band, bei der er eingestiegen ist - danach kamen die ganzen Angebote von den anderen Bands. Und da es so lange gebraucht hat, unser Album zu produzieren, haben es sowohl ASTRAL DOORS als auch SPACE ODYSSEY geschafft, vor uns zu veröffentlichen. Aber wir können uns auf die Fahnen schreiben, ihn "entdeckt" zu haben, haha!
Die Band probt überhaupt nicht regelmäßig zusammen, so waren die Sessions mit Nils auch kein größeres Problem als sonst. Im Grunde habe ich die gesamte Pre-Production des Albums in meinem Heimstudio gemacht und den anderen geschickt, damit sie ihre Ideen für die Soli und so einwerfen können. Dann sind wir direkt im Studio zusammen gekommen und haben aufgenommen. Das gute daran ist, dass ein solches Vorgehen ermöglicht, bei relativ komplexen Alben die Studiozeiten einigermaßen in einem Zaum zu halten. Weil wir eben so viel Zeit auf die Pre-Production verwenden, weiß jeder, was er zu tun hat, wenn's an die eigentliche Aufnahme geht, so kann er sich ganz auf die Sache konzentrieren. An den Texten hat Nils nichts mehr geändert, aber er hat eine Menge Arbeit dafür aufgebracht, sie jeweils mit der entsprechenden Emotion in der Stimme rüberzubringen. Er hat sich da wirklich angestrengt!

Neckbreaker: War die Arbeit mit Nils denn "einmalig", oder hat er sich dauerhaft für WUTHERING HEIGHTS entschieden - kommt vielleicht schon bald ein vierter Teil?

Erik: Ich versuche immer, das jeweilige Line-Up intakt zu halten, aber du kannst ja leider die Zukunft nicht vorhersehen. Ich hoffe, jeder will weiterhin dabei sein, vor allem, weil ich denke, dass wir derzeit eine wirklich starke Truppe sind. Es würde verdammt hart werden, mit einem anderen Sänger als Nils zu arbeiten, wenn man erstmal mit einem Sänger seines Kalibers arbeiten konnte!

Neckbreaker: Als ich die Trackliste zum Ersten Mal gesehen habe, musste ich bei "Bad Hobbits Die Hard" schmunzeln - ein lustiges Wortspiel in dem Titel - oder sollte es gar nur ein Vertipper auf dem Cover sein?

Erik: Ja, den Titel finde ich auch lustig. Auf jeden Fall ist das absichtlich, auch wenn es überhaupt nicht von Hobbits handelt. Der Kern von diesem kurzen Instrumental ist, dass ich zum Teil recht alte Themen und Melodien aus unserer Vergangenheit verarbeitet habe, die es nicht auf die anderen Scheiben geschafft haben - also einfach "nicht totzukriegende Melodien"!

Neckbreaker: Wie lange habt ihr dafür gebraucht, den Tracks den letzten Schliff zu verpassen - um die Arrangements so hinzukriegen, wie ihr sie euch vorgestellt habt - oder war es mehr so, wie es sich der Produzent sich die Titel vorgestellt hat? Es gibt ja eine Menge an komplexen Arrangements, insbesondere bei den Streicher-einlagen… oder kommen die Streicher nur aus dem Computer?

Erik: Nun, so ungefähr 15 Jahre hat's gedauert!! Nein, ernsthaft - einige Songs gingen relativ schnell, andere brauchten wirklich Jahre. Wie ich schon sagte - einige Tracks sind schon sehr alt, einige sind in Rohfassung auch bereits auf unserem ersten Demo von 1992 gewesen. Glücklicherweise hatten wir jetzt endlich die Möglichkeit, die Sachen anständig zu spielen und vor allen Dingen den Plattendeal, um sie anständig aufzunehmen.
Und du hast recht - es ist komplexe Musik. Nicht die Songs an sich sind komplex, aber sie sind sehr vielschichtig - ich denke, das liegt an meiner Vorliebe für die Musik der 70er - so was wie ALAN PARSON's PROJECT - denk nur an die Overdubs, haha! Insofern stammt also alles aus meinem verrückten Kopf.
Für das Vorgängeralbum habe ich ein Jahr Pre-Production gebraucht, dieses Mal ein wenig kürzer. Aber es braucht immer noch eine Menge Zeit, um die Orchesterparts zu schreiben, mit den Gitarren abzustimmen, die Background-Vocals einzubauen und so weiter und so fort.
Ja, dank der Computer können arme, untalentierte Rocker wie ich solche Dinge heutzutage machen. Deine Vorstellungskraft ist die einzige Grenze! Auf jeden Fall macht es Spass, diese Dinge zu tun und es hilft ungemein dabei, den richtigen Ausdruck in die Musik zu bekommen. Ich denke zwar nicht, dass der Sound das Rückgrat der Musik ist, das sind die Songs an sich, aber es kann ja nicht schaden, wenn es sich dabei auch ein wenig "cool" anhört.

Neckbreaker: Apropos Produzent - wie seid ihr dazu gekommen, mit der Produzentenlegende Tommy Hansen zu arbeiten?

Erik: Wir haben schon auf dem letzten Album mit Tommy zusammen gearbeitet, und das hat wunderbar funktioniert, da hatten wir diesmal gar keinen anderen im Kopf. Er ist eine wahre Koryphäe, er hat so viel Erfahrung, sowohl vom Spielerischen, als auch vom Produzieren - er ist wirklich eine Quelle, von der man zehren kann. Zudem ist er ein netter und ruhiger Kerl. Manchmal kommt es mir vor, je besser die Leute sind, desto einfacher ist es, mit ihnen zu arbeiten, weil sie nichts mehr beweisen müssen. Tommy hat jedenfalls nicht versucht, uns seine Ideen aufzudrücken. Wir konnten immer auf ihn zählen, wenn's darum ging, ein Problem dabei zu lösen, unsere Vorstellungen auf's Band zu kriegen.

Neckbreaker: Wie groß sind die Chancen, euch auf Tour zu sehen - insbesondere in Deutschland?

Erik: Naja, eine Tour an sich steht in weiter Ferne. Die andern Bandmitglieder haben alle noch andere Bands und ich bin mir auch nicht sicher, wie der finanzielle Hintergrund dafür aussieht. Aber hoffentlich haben wir demnächst die Chance, ein paar Festivals zu spielen. Jetzt sehen wir erstmal, wie das Album ankommt.
Ich würde mich schon freuen, in Deutschland zu spielen. Ich bin schon ein paar Jahre jetzt auf dem Wacken-Festival gewesen - und da ist jedes Mal eine tolle Atmosphäre, jeder ist da, um einfach nur Spaß zu haben und gute Musik zu hören.

Neckbreaker: Wie sieht die Metal-Szene bei euch aus? Gibt es sowas wie Rivalität unter den Bands, wie groß ist die Zahl der Fans, gibt es Metal-Kneipen, etc.?

Erik: Nein, ich habe nie Rivalität zwischen den Bands bemerkt. Ich denke, hier gibt es so wenige Bands, da sollte es eigentlich genug Platz für jeden geben. Oder ich war einfach nie richtig Teil der "Szene". Nein, in der Tat wird Metal sehr sehr klein in Dänemark geschrieben, in den Medien existiert er eigentlich gar nicht und es gibt auch nur sehr wenige Veranstaltungsorte und schon gar keine gut sortierten Plattenläden. Du glaubst nicht, was man alles an Platten in Dänemark NICHT kaufen kann!! Aber was soll's - ein paar interessante Bands sind dabei, groß raus zu kommen, vielleicht sieht die Zukunft ja ein wenig besser aus.

Neckbreaker: Noch einmal Thema "Metal-Szene". Was ist deine Meinung zu Online-Magazinen (wie Neckbreaker) - siehst du darin eine wachsende Chance, über die Grenzen des Landes hinaus bekannter zu werden, als früher?

Erik: Ja, ich denke, das Internet ist eine großartige Sache für alles "underground"-mäßige. Sei es Politik oder Musik, die nicht mainstreamig genug ist, die Möglichkeiten sind definitiv besser, wenn du die ganze Welt als Zuhörer haben kannst. Und je mehr die großen Medien den Metal ignorieren, desto mehr Leute haben ihre eigenen Netzwerke aufgebaut. Es ist ja fast so, dass der Metal ein "Business im Business" ist. Das macht es erheblich einfacher für uns, denn du musst dich nicht um jeden Preis mit den großen Magazinen oder Companies anfreunden um deine Sachen unter die Leute zu bringen. Auf der anderen Seite besteht natürlich die Gefahr, dass zu viel Zeug auf den Markt kommt. Aber mal ehrlich - kann man zuviel von einer wirklich guten Sache haben? Ich denke, am Ende wird die Qualität siegen. Zumindest sollten wir uns an diese Hoffnung klammern.

Neckbreaker: Und wie schaut's mit deiner Meinung zu MP3, Kopierschutz und Musik-Downloads aus?

Erik: Ich bin nicht wirklich technisch interessiert, also kenne ich mich da auch nicht so gut aus. Ich sehe darin aber nicht das große Problem, wie es viele andere sehen. Ich meine, wenn die Leute meine Platte mögen, kaufen sie sich die vielleicht auch, und wenn die Alternative zum Download wäre, dass sie sie gar nicht erst hören, mein Gott - dann lass sie halt downloaden und dann können sie die Musik eben hören. Kopierschutz finde ich ein wenig unsinnig. Soweit ich weiß, funktioniert es bislang eh die meiste Zeit gar nicht oder nicht richtig. Also das ist glaube ich nicht der richtige Weg. Alles in allem ist diese Geschichte wohl auch eher ein Thema für die Pop-Musikindustrie. Für sie ist das wirklich eine Bedrohung. Sie leben von den Leuten, die nur Chart-Hits hören wollen und denen es egal ist, ob sie eine Platte haben oder nicht, also werden sie alles downloaden, was sie kriegen. Aber auch hier: was soll's - wenn die Pop-Industrie crasht und untergeht, ich glaube nicht, dass das für die Welt ein so großer Verlust wäre.

Neckbreaker: Zu guter Letzt - gibt es noch was, was du gerne loswerden möchtest?

Erik: Ich hoffe, ihr gebt unserem neuen Album eine Chance und ich hoffe, dass ihr es mögt. Egal ob ihr dabei headbangt, nackt und mit geschlossenen Augen auf dem Bett liegt, oder rund ums Lagerfeuer tanzt - für jeden sollte was dabei sein!

Neckbreaker: Vielen Dank für die Zeit zum Interview und die ausführlichen Antworten. Für die Zukunft weiterhin viel Erfolg.

(Naglagor)

Kategorie: Interviews