Interview mit Climaxia (Melencolia Estatica)

MelencoliaEstatica_LogoNeben all den nicht weiter bemerkenswerten Veröffentlichungen gibt es glücklicherweise immer mal wieder Überraschungen, die ebenso unerwartet wie einschlägig daherkommen. Eine dieser Überraschungen bereitete mir vergangenes Jahr das Album „Hel“ (Review) der italienischen "quasi-one-woman-Ausnahmeband"  MELENCOLIA ESTATICA. Diese ursprünglich einem sehr anspruchsvollen und rohen, depressiven Black Metal verschriebene Band kam nämlich mit einem Album an, das ungewohnt heftige, progressive und intensive Elemente enthielt, die sich ganz und gar nicht mehr in das alte Schema einfügen ließen. Damit ist MELENCOLIA ESTATICA wohl eine der wenigen Bands, denen eine 180°-Drehung in eine immer noch richtige Richtung gelungen ist. Über dieses Album, dem Verhältnis des Künstlers zu seiner Musik und Science Fiction der alten Schule äußert sich in diesem Interview „Climaxia“, der Kopf dieser Band.

 

Jannick: Stell doch zu Beginn das Projekt MELENCOLIA ESTATICA in ein paar Sätzen vor.

Climaxia: MELENCOLIA ESTATICA wurde vor 8 Jahren eigentlich als Nebenprojekt von mir gegründet.  Die Idee dahinter war, eine originelle Musik zu machen, die an den norwegischen Black Metal der Neunziger angelehnt sein sollte. Es war mein großer Wunsch, neben meiner Aktivität bei ABSENTIA LUNAE auch etwas melodischeres zu spielen als nur den typischen Black Metal. Auch sollten bestimmte Themen und Gefühle gänzlich anders behandelt werden. Über die Jahre hinweg wurde MELENCOLIA ESTATICA zu einem sehr wichtigen Kapitel meiner künstlerischen Laufbahn, dementsprechend stolz machte mich „Letum“ (2008), da es genau den Stil manifestierte, den ich mir für dieses Projekt gewünscht hatte. Dieses Album hat mir überhaupt erst die Möglichkeit gegeben, „Hel“ aufzunehmen, was wohl nunmehr zu den wichtigsten Werken von MELENCOLIA ESTATICA zählt.

Jannick: Jetzt, da MELENCOLIA ESTATICA auf 8 Jahre Banderfahrung zurückblicken kann, haben sich bestimmt einige Dinge geändert. Wo kann man diese Änderungen auf „Hel“ hören?

Climaxia: Die primäre Absicht hinter „Hel“ war es, MELENCOLIA ESTATICA auf ein musikalisch höheres Level zu bringen, indem Konzepte und Atmosphären früherer Alben weiterentwickelt und verfeinert wurden. Ich habe versucht, diese Entwicklung meinen gegenwärtigen Interessen anzupassen, weshalb in erster Linie mit neuen Klängen und Melodien, speziell im Bezug auf die Vocals, experimentiert wurde. Auch die Zusammenarbeit mit GNAW THEIR TONGUES verdient an dieser Stelle Erwähnung. Prinzipiell habe ich versucht der Musik den Banner des depressiven Black Metals zumindest teilweise zu entreißen, um sie auch anderweitig kategorisierbar zu machen. Dieser Prozess hat einige Jahre Arbeit gekostet, aber letztlich hat mich das Ergebnis dann doch zufriedenstellen können. Die Ambient-Matrix auf „Hel“ ist allgegenwärtig, was auch auf künftigen Alben so sein wird. Ebenso die stimmliche Orchestrierung, die wohl mit ein Grund für den Erfolg dieses Albums ist.

ME_Hel_FrontCoverJannick:  Was diente als Motivation und Inspiration für „Hel“? Gibt es relevante persönliche oder allgemeine Hintergründe, die zu diesem Album führten?

Climaxia: Sicherlich gibt es einen persönlichen Einfluss, was aber auf jedes Album von MELENCOLIA ESTATICA zutrifft. Es geht um mich als Person und über die Art und Weise wie ich über bestimmte Themen denke. Der Beginn dieses Albums wurde durch meinen Wunsch konzipiert, Fritz Lang und seinem Werk „Metropolis“, mitsamt seiner dunklen, dekadenten Atmosphäre, eine persönliche Widmung zu machen. Das Kino des frühen zwanzigsten Jahrhunderts war immer schon ein interessantes Thema, und die behandelten Konzepte dienten als gute Inspiration für dieses Album. Zudem bot sich mir die Gelegenheit einer Zusammenarbeit mit GNAW THEIR TONGUES, wodurch ich zusätzlich motiviert wurde, dieses Konzept zu verfolgen, da es sehr gut zu meinen Ideen und Experimenten passte.
Mit diesem Album habe ich die Gelegenheit wahrgenommen, neue Zusammenarbeiten zu beginnen die sich als sehr interessant und fruchtbar herausgestellt haben. Ich wollte, dass jeder involvierte Musiker seinen eigenen, musikalischen Fingerabdruck auf diesem Album hinterlässt (Thorns am Schlagzeug, und Afthenktos an den Vocals und  der GNAW THEIR TONGUES an der Orchestrierung).

Jannick: „Hel“ ist insgesamt erheblich aggressiver ausgefallen, als die eher melancholischen Vorgängeralben. Generell kann auch von einem allgemeinen Hang hin zu progressiveren Elementen gesprochen werden. War das beabsichtigt? Gab es besondere Anlässe dafür?

Climaxia: Wie bereits erwähnt, war es meine Idee, speziell in Bezug auf die Produktion, von den alten Alben weg zu kommen. Während auf den alten Alben ein besonderes Augenmerk auf Rhythmusvariationen und abrupte Atmosphärenwechsel gelegt wurde, sollte nun in erster Linie die Orchestrierung im Vordergrund stehen. Ich nehme an, dass die sauberen Aufnahmen, die nicht allzu künstlich wirken, sehr gut zu „Hel“ passen. Vermutlich wird das auch auf künftigen Alben so zu hören sein.

MelencoliaEstatica_ClimaxiaJannick: MELENCOLIA ESTATICA hat sich ja, zumindest szeneintern, als eine weltbekannte Größe des Undergrounds etablieren können. Was sind die Gründe, die diese Band so besonders und interessant für die Black Metal Szene machen?  

Climaxia: Ich würde sagen, MELENCOLIA ESTATICA wird für die Atmosphären und Klänge gemocht. In zahlreichen Kritiken sind es in erster Linie die Melodien und die Riffs, die auf besonders positive Resonanz stoßen. Das sind auch genau die Aspekte, auf die ich sehr viel Wert lege.

Jannick: Was sind denn für MELENCOLIA ESTATICA die wichtigsten Schritte, die bei der Produktion eines Albums anfallen?

Climaxia: Alles beginnt mit einer Idee oder einer Inspiration, wie z.B. Metropolis. Ich habe mir den Film vor einiger Zeit angesehen und fand ihn einfach perfekt für ein neues Album. Dann habe ich einige Riffs geschrieben und Material durchgelesen, dass ich direkt nach „Letum“ geschrieben hatte. Ich habe mir keine Deadlines gesetzt, damit ich mir Zeit nehmen konnte, meine Ideen und Konzepte ordentlich umzusetzen.Dann kam ich in Kontakt mit Afthenktos, der mir mit den Lyrics geholfen hat, und schließlich mit Mories von GNAW THEIR TONGUES, der die Orchestrierung komponiert hat. Auf jeden Fall ist für mich die Zeit ein sehr wichtiger Faktor. Es hat zwei Jahre gedauert, bis „Hel“ fertig war, und ich bin sehr froh darüber, diese Zeit in den Erfolg dieses Albums investiert zu haben.

Jannick: Wo würdest du MELENCOLIA ESTATICA in der europäischen Black Metal Szene am ehesten zuordnen?

Climaxia: Weder verfolge ich die europäische, noch die italienische Szene, was es mir nicht möglich macht, hierauf eine brauchbare Antwort zu geben. Ich kann aber sagen, dass speziell in Europa die früheren Alben gut aufgenommen wurde, was ich natürlich auch für „Hel“ hoffe.

Jannick: Gibt es irgendwelche speziellen Besonderheiten, die man über „Hel“ wissen sollte?

Climaxia: Nun ja, das Coverartwork verdient auf jeden Fall gesondert Erwähnung. Da ohnehin zahlreiche Zusammenarbeiten stattfanden, habe ich dafür den Künstler von Monochrome Art verpflichtet, dessen künstlerischen Sinn ich sehr bewundere. Das Cover und die Graphiken tragen fundamental zum Verständnis dieses Albums als Gesamtwerk bei. Ich habe beabsichtigt, durch das Bild sowohl den Black Metal- als auch den Metropolis Aspekt abzudecken. Dahingehend muss ich Monochrome Art wirklich meinen Dank aussprechen, denn er hat meine Wünsche und Anfragen respektvoll umgesetzt, ohne seine individuelle Note untergehen zu lassen. Vermutlich wird auch das nächste Album von einem vergleichbaren Künstler illustriert.

Jannick: Die letzten Worte gehören dir!

Climaxia: Vielen Dank für das Interview. Ich hoffe, dass jeder, der sich „Hel“ anhört merkt, dass MELENCOLIA ESTATICA    reifer geworden ist. Ebenso hoffe ich, dass es in seiner Gesamtheit gut aufgenommen wird.
Kategorie: Interviews