Interview mit Dirk Thurisch (Mercury Tide)

interview_mercurytide_20120726_01Im Jahr 2003 hatte Dirk Thurisch, damals noch Frontmann von ANGEL DUST, mit “Why?” das erste MERCURY TIDE-Album veröffentlich. Damals war MERCURY TIDE noch eher ein Projekt, in dem auch Musiker wie Anders Iwers (TIAMAT) und Stefan Gemballa (FLOWING TEARS) mitwirkten. ANGEL DUST kamen nach 2002 nie mehr richtig in die Pötte und um beide Bands wurde es sehr still. ANGEL DUST sind mittlerweile wohl endgültig zu Grabe getragen, aber von MERCURY TIDE gibt es jetzt mit „Killing Saw“ ein neues und frisches Album. Dabei ist aus dem Projekt mittlerweile eine Band mit festen Mitgliedern geworden, die auch durchaus Pläne für die Zukunft haben, wir uns Frontmann und Bandgründer Dirk Thurisch am Telefon erläutert. Dabei stellt sich heraus, daß der Herr Thurisch ein durchaus angenehmer Gesprächspartner ist, der einen mit seiner lockeren Art sich auszudrücken immer wieder zum Lachen bringt.

Anne: Ich will mal mit einer Frage beginnen, die wohl den meisten Fans auf den Nägeln brennt, und zwar: warum hast du so eine lange Pause vom Metal gemacht, beziehungsweise hast nichts mehr von dir hören lassen?

Dirk: Erstmal war das so nach dem Split von ANGEL DUST - wir hatten uns ja 2002 getrennt - weil unser Baßmann – och, da war irgendwie eine längere Geschichte – das ist alles ziemlich schief gelaufen und wir hatten viel Ärger und haben uns gestritten und so und zur gleichen Zeit hatte ich ja auch das erste MERCURY TIDE-Album herausgebracht oder war damit grade im Studio gewesen und ja, danach ging halt alles so ein bißchen schief und krumm. Und dann brauchte ich halt erstmal eine kleine Pause, aber daß die jetzt so lange wird, habe ich mir irgendwie auch nicht überlegt - das ergab sich einfach so. Ich habe in der Zeit auch meine Frau kennengelernt und unsere Kinder kamen dann und so…ja. Und dann gehen natürlich schnell mal die Jahre so rum, nich (lacht)?

Anne: Ja. Warum wurde denn ANGEL DUST nicht mehr weiter geführt? Die sind ja jetzt komplett weg vom Fenster.

Dirk: Ja, wie gesagt, wir hatten ja schon den ersten kleinen Split so innerhalb der Band, da hatten wir ja schon einen anderen Gitarristen, weil sich unser Schlagzeuger und der [Bernd] Aufermann (ehemaliger Gitarrist, Anm. d. Verf.) die haben sich da nicht mehr verstanden. Der wollte schon irgendwie was anderes machen und dann ist er gegangen und dann hatten wir ja den Richie (Wilkinson, Anm. d. Verf.), der auch auf dem letzten ANGEL DUST-Album „Of Human Bondage“ mit drauf war und mit dem haben wir ja auch die US-Tour gemacht. Und wie gesagt, eigentlich wollten wir dann noch ein Album machen und dann kamen halt die ganzen Streitereien, weil unser Baßmann wieder ausgeflippt ist und uns beschimpft hat und all so Kram. Den hab’ ich jetzt auch seit der Zeit nicht mehr gesehen und das ist auch irgendwie ganz gut so. Ja, und dann hat sich das alles irgendwie erstmal im Sand verlaufen. Dann haben wir erstmal ANGEL DUST auf Eis gelegt. Und dann haben wir ja nochmal 2004 mal wieder so ein bißchen was ausprobiert und da haben wir dann auch gesagt, da brauchen wir nochmal ‘nen anderen Gitarristen, weil Richie kam ja aus Amerika, das ist ja schon blöd irgendwie. Und da sagte dann unser interview_mercurytide_20120726_03Keyboarder, Steven (Banx, Anm. d. Verf.): „Ja, dann laß uns doch wieder den Aufermann reinnehmen“ und ich sagte „Na, ich weiß nicht, das wird nicht gut und dann wird das wieder genauso sein wie vorher“ und dann haben wir das ausprobiert und das klappte aber nicht und dann bin ich ja auch ausgestiegen. Ja und da haben die dann einfach mit ‘nem anderen Sänger weitergemacht, aber – weiß nicht, das war wohl irgendwie die ganzen Jahre nur Gequatsche, aber kein richtiges Ziel und die haben dann jedes Mal den Leuten erzählt „Jetzt kommt ein neues Album“ und „Jetzt kommt ein neues Album“ und da wieder ein neues Album und irgendwie war das die ganze Zeit nur Fanverarsche und ich hab’ den Jungs dann auch gesagt, ich hab’ zwischendurch mal mit dem Asi (Dirk Assmuth, Schlagzeuger, Anm. d. Verf.) gesprochen und hab’ dann gesagt „Hör, mal, das könnt ihr nicht machen!“. Und da kamen auch schon die ersten Beschimpfungen im Gästebuch und was weiß ich nicht alles. Und da war ich auch an der Stelle ganz froh, daß ich halt da nicht mehr dabei war. Ja, und wie gesagt, dann haben wir’s halt nochmal ausprobiert vor 2 Jahren, aber dann nicht mit dem Baßmann, sondern mit meinem Kumpel, der jetzt auch bei MERCURY TIDE spielt, der hat ja auch mit mir schon immer Musik gemacht, weil wir halt aus einer Stadt kommen, wir kennen uns schon über 20 Jahre. Und wie gesagt, den hab’ ich ja auch damals mit zu ANGEL DUST genommen, aber er meinte dann auch „Sach mal, da läuft ja überhaupt nix“. Und dann hat er bei ANGEL DUST gespielt und ich hab’ aufgehört und dann war das immer nur ein Hin und Her und dann haben wir vor zwei Jahren das nochmal ausprobiert. Die erste Zeit, die war ja dann ganz gut, das lief auch so, wir hatten auch schon ein, zwei neue Songs – ja, und dann war das wieder genau das Gleiche. Also wir haben innerhalb von ‘nem halben Jahr nur dreimal gezockt oder so. Das waren dann auch alles nur Ausreden. Ja, und dann haben sich wieder der Gitarrist und der Drummer gezofft und dann hat der Drummer, weil er auch der Älteste in der Gruppe war, gesagt: „Nee, komm, jetzt hab’ ich auch keine Lust mehr.“ Und dann hat sich halt wieder alles auf Eis gelegt.

Anne: Also ANGEL DUST sind für dich jetzt definitiv gestorben?

Dirk: Ja, sagen wir mal so, wenn sich mal irgendwann wieder irgendwas ergeben sollte – aber ich glaub jetzt nicht dran. Manche Dinge die muß man auch einfach mal lassen. Aber wir spielen jetzt live mit MERCURY TIDE auch ANGEL DUST-Songs, dann ist das ja wieder ok.

Anne: Genau, das wäre meine nächste Frage. Und zwar habe ich euch beim Konzert in Bonn gesehen und da waren die Fanreaktionen beim ANGEL DUST-Song eigentlich am größten. Ist das eigentlich nicht in gewisser Weise auch ein bißchen demotivierend, wenn dann die Songs der alten Band vom Publikum besser angenommen werden als die neuen, oder denkst du, das liegt eher daran, daß das neue Material einfach noch nicht so bekannt ist?  

Dirk: Ich denke mal, das neue Material, das müssen sich die Leute erstmal reinziehen. Die haben ja auch gut mitgemacht, das war ja ganz gut. Und klar, so „Bleed“ und so Kram das ist natürlich ein Hit. Das war sogar damals so, wenn wir mit ANGEL DUST gespielt haben. Da haben wir die Songs von ANGEL DUST gespielt und das fanden die Zuschauer cool und alles aber wenn wir dann „Bleed“ gespielt haben, da ging die Hölle los. Das ist natürlich immer cool. Aber da hatten wir auch die gleiche Reaktion gehabt zum Beispiel als wir damals mit ANGEL DUST das „Border Of Reality“-Album rausgebracht haben. Das war ja quasi auch was ganz neues gewesen, wie die ganzen alten Dinger von ANGEL DUST und die Leute, die kannten halt eigentlich nur das alte Zeug. Und als wir dann mit Keyboards ankamen…die haben sich da also auch erstmal reingehört und die ersten Reaktionen, die waren dann quasi genauso wie jetzt. Also wir haben zum Beispiel bei der ersten Tour viel von dem neueren Kram gespielt und haben auch viel von dem alten Zeug gespielt und da sind ja die Leute auch drauf abgefahren. Der neue Kram war dann „Ja, hm, hör’ ich mir an, ist gut“. Ich schätze mal, die Leute brauchen jetzt einfach die Zeit um da reinzukommen. Das ist ja alles auch noch frisch.

Anne: Wie war es denn, nach so langer Zeit wieder auf einer Bühne zu stehen?

Dirk: Das war richtig geil. Die erste Show war ja schon im April bzw. letztes Jahr hier in Essen im Turock mit CRIMSON GLORY, gut, das waren halt so die ersten Dinger, da war die Show noch nicht so ganz ausgereift. Also wir sind dann auf die Bühne gegangen, haben gespielt und du hast da eigentlich gar nicht groß drüber nachgedacht, du hast gehofft, daß alles gut funktioniert ja und dann war die Show auch irgendwie zu Ende. Ja und jetzt, wo wir ein eingespieltes Team sind, dann ist man auch viel, viel sicherer auf der Bühne und weiß, das klappt auch, und wir sind richtig eingespielt, jetzt haben wir ja auch einen zweiten Gitarristen, ja, und das war dann irgendwie super gewesen. Also die ersten Release-Shows… die erste Show war ok, und dann die anderen, die waren richtig gut und dann jetzt halt und das jetzt in Bonn das war halt auch sehr schön, vor allen Dingen auf der großen Bühne und da war auch genau das richtige Publikum gewesen. Und auch sehr schön mit Jon Oliva. Ne, ich als alter SAVATAGE-Fan hab’ natürlich erstmal meinen ganzen Kram dann mitgebracht zum Unterschreiben und so das war natürlich richtig cool gewesen. Und ich hab’ noch ein altes Foto, das haben wir zusammen gemacht als wir mit SAVATAGE und ICED EARTH in Hagen 1998 auf dem Rock Hard Festival gespielt und da waren wir auch irgendwie richtig fett am Start …und da hab’ ich die Jungs ja alle kennengelernt. Und da hab’ ich mit Jon ein Foto gemacht und das hab’ ich ihm dann auch gezeigt nach 14 Jahren und er fand das dann auch cool. Ja (lacht). Also es machte auf jeden Fall wieder Spaß und wir freuen uns auf jeden Fall schon wieder auf die nächsten Shows. Jetzt haben wir noch zwei Open Air-Shows und das ist immer sehr, sehr gut und wir bemerken auch die Reaktionen auf Facebook oder was weiß ich. Die Leute, die kommen dann auch zur Show. Die sagen „Ey, super, ihr spielt ja!“ oder jetzt hier in Essen, da haben wir natürlich ein Heimspiel und da sind dann natürlich auch schon die Hälfte oder ein großer Teil der Leute wegen uns dann da. Und nicht nur so ja, gut, da kommen dann zwei Mann, sondern die Fanbasis, die wird auch immer größer.

Anne: Schön! Wie kam es denn dazu, daß du MERCURY TIDE wieder ins Leben gerufen hast und nicht z.B. eine neue Band gegründet hast? Oder stand das nie zur Debatte?

Dirk: Also damals beim „Why?“-Album, da wollte ich eigentlich nur das Album aufnehmen. Ich hatte mir jetzt noch gar nix groß dabei gedacht ob wir da mal auf Tour gehen oder nicht. Das wäre zwar schön gewesen, aber da hatten wir jetzt auch nicht so die große Unterstützung der Plattenfirma bekommen, weil die ja auch immer die Hoffnung hatten, daß es nach der Soloscheibe wieder mit ANGEL DUST weitergeht. Und dann hat sich das ja wie gesagt alles so verlaufen und so und, nee, ich wollte auf jeden Fall unter MERCURY TIDE weiter machen, weil die Ideen dazu hatte ich ja schon vor zwei oder zweieinhalb Jahren oder so. Da hatte ich wieder so richtig Bock mal wieder was zu machen und da sprachen mich auch ein paar Leute an „Ey Alter, jetzt mach mal wieder was hier! MERCURY TIDE war doch so gut, da hattest du doch gute Reaktionen gehabt“. Ja, und dann hab’ ich halt einfach wieder so richtig Lust gehabt. Da kamen dann auch die ganzen Ideen und so. Ja, und da hat sich das alles dann so ergeben (lacht).

Anne: MERCURY TIDE waren ja am Anfang eigentlich eher ein Projekt, bestehend aus verschiedenen Musikern von mehr oder weniger bekannten Bands. Wann hat sich denn MERCURY TIDE von einem Projekt in eine richtige Band verwandelt?

Dirk: Ja, quasi als ich dann wieder die ersten Ideen hatte. Da dachte ich mir, ich möchte jetzt aber ‘ne Band haben, ich muß auch nicht der Chef sein, ich möchte nur einfach ‘ne coole Band haben, mit der man Shows macht oder ins Studio geht und ja, da hab’ ich dann als erstes mal meinen alten Kumpel angehauen. Nee, quatsch, erstmal die richtige Reihenfolge: Ich hab’ die Songs gehabt und hab’ so’n bißchen hier und da aufgenommen auf 8-Spur. Ich hab’ einem alten Kumpel, mit dem ich zusammen vor ANGEL DUST in einer Band gespielt hab’, und der hat in Essen in der Zeche Carl sein Studio gehabt; der war damals Schlagzeuger bei der alten Band. Also der ist auch heute noch Schlagzeuger, aber nicht mehr bei dieser Band. interview_mercurytide_20120726_02Da bin ich einfach mal da hingegangen, als ich in der Zeche war; wir hatten uns auch schon lange nicht mehr gesehen. Und dann hab’ ich ihn halt mal gefragt „Hör mal, ich möchte hier mal was aufnehmen, so drei, vier Songs, was willste haben dafür, ich hätte das gerne und tralalla“. Und er meinte „Ja klar, sicher, können wir mal machen“ und dann hat er sich den Kram mal angehört und meinte „Hey Mann, das gefällt mir!“ und ich sagte, „Ja, wenn du Lust hast, dann steig ein!“ Ja, alles klar, da war er dann da und wie gesagt und der alte Kumpel, der Christian [Pohlmann, Anm. d. Verf.], der auch schon bei ANGEL DUST mal ’ne kurze Zeit was gespielt hat den hab’ ich dann angerufen und ja, den hätte ich eigentlich gar nicht fragen zu brauchen, da hätte ich auch einfach sagen können, „Ja, hopp, du spielst jetzt hier!“ „Ja, alles klar!“ Ja, da haben wir das dann so aufgenommen, ich hatte dann so ein bißchen die Keys dann draufgespielt und dann ergab sich das, daß er noch in ‘ner anderen Band namens THE SPOOK gespielt hat, von daher hatte der dann auch noch den Simon, unseren jetzigen Keyboarder, gefragt, ob er da mal so ein bißchen Keyboards einspielen kann auf den Aufnahmen. Ja, und dann kam er und wir haben uns auch total gut verstanden und dann hat er die Keys eingespielt und da hab ich gefragt, „Sach mal, wie findste dat?“ „Joooo, is ganz cool und so aber ich spiel ja jetzt schon in zwei Bands…ich schau mal.“ Und irgendwann ergab sich das dann auch, daß er gesagt hat „Hörmal, ich steig jetzt hier ein“ und dann hat sich das alles so entwickelt. Und dann haben wir quasi auch das Album so aufgenommen.

Anne: Also ist das jetzt eine Bandkonstellation, von der du sagen würdest: „Ja, das ist es!“ und das ändert sich jetzt auch nicht mehr komplett z.B. fürs nächste Album?

Dirk: Nee, nee, nee, also so wollen wir auf jeden Fall das nächste Album machen, wir haben sogar noch einen Zugang dazu gekriegt. Wir haben ja noch für die Liveauftritte ‘nen zweiten Gitarristen gebraucht und wir haben gesagt „Ja, gefällt dir hier unsere kleine Family? Dann steig ein!“ Ja, das gefiel ihm und so werden wir auf dem nächsten Album noch einen Gitarristen haben. Aber ich bin jetzt auch nicht so der riesen Sologitarrist, also er wird jetzt zum größten Teil die Solos da drauf spielen. Und natürlich dann auch die restlichen Songs live spielen. Also das Schreiben und so, das hab ich dann zum größten Teil gemacht, ich spiel‘ dann so die Rhythms und so ein. Aber wie gesagt, wenn er dann da Ideen hat, dann werden wir das so aufnehmen und dieses Line-Up, das bleibt jetzt auch. Wir haben uns jetzt auch gut eingespielt, jetzt kennen wir uns auch richtig. Man muß da auch erstmal so ein gewisses Feeling haben und wenn man öfter zusammen spielt und wenn man öfter zusammen abhängt, dann hat das auch so ein gewisses Flair.

Anne: Genau. Ich fand euch jetzt nämlich live in Bonn nicht so gut wie auf Platte, könnte mir aber vorstellen, daß das vielleicht einfach auch daran lag, daß ihr noch nicht so wahnsinnig oft zusammen aufgetreten seid.

Dirk: Also an dem Abend – ich weiß nicht – da ging irgendwie so manches schief, was sonst immer geklappt hat. Das isses ja meistens. Da ist z.B. meine Sendeanlage ausgefallen, dann bei „Set Me Free“ haben wir da angezählt und waren dann irgendwie ganz woanders gewesen. Und ja, dann sind wir da irgendwie falsch eingestiegen und ja, so war das dann halt. Und dann hatten wir eh noch ein bißchen Soundprobleme auf der Bühne. Aber ich glaub‘ wir hatten da einfach nicht so ‘nen guten Tag – obwohl, wir fanden es so eigentlich auch ganz witzig…

Anne: Ja, lustig war’s…

Dirk: Ja, manchmal hat man ja so Shows, da denkste, alles ist geil hier, große Bühne und das wird ‘ne super Show und dann haste hier was und da was und irgendwann denkst du dann nur noch „Oh Gott!“

Anne: Ja, manchmal ist einfach der Wurm drin.

Dirk: Ja, manchmal haste den Wurm drin. Und manchmal denkste, ach, mir egal, wir spielen jetzt hier und dann fahren wir wieder nach Hause und das sind dann die geilsten Shows. Jaja, that’s life (lacht)!

Anne: Genau. Sind denn die Songs auf „Killing Saw“ jetzt erst in den letzten Jahren entstanden oder schon über die vergangenen 10 Jahre, also daß du quasi immer mal wieder irgendwas geschrieben hast?

Dirk: Nee, nee, das ist jetzt so die letzten Jahre, also so die letzten zwei Jahre entstanden. Also das Album war eigentlich im letzten Jahr im Studio schon grob fertig gewesen. Nur da hatten wir ja noch kein Label, das hatten wir ja erst seit letztem Jahr. Und dann mußten wir noch einige Sachen da machen, dann mußte das Album noch gemastered werden und dann hier noch ein bißchen und da noch ein bißchen und ja, da ist ja das halbe Jahr immer schnell rum oder ein Jahr. Ich habe seit so ca. 2010 richtig damit angefangen. Es gibt einen Song auf dem Album, der ist quasi schon richtig alt. Das ist so, der sollte eigentlich schon für die Band vor ANGEL DUST sein, da hab’ ich mal ein bißchen Klavier gespielt drauf und so. Aber irgendwie alles so „Ja, nee…“ und die wollten den Song dann nicht so direkt. Ja, und dann bin ich ja bei ANGEL DUST eingestiegen und hab’ noch ein paar andere Lieder gemacht und irgendwie war der Song dann ein bißchen in Vergessenheit geraten. Und dann hab’ ich den nochmal für das „Why?“-Album gehabt. Und dann hab’ ich so gedacht „Ey, coole Nummer!“ aber irgendwie wußte ich nie genau, wie ich den jetzt schreiben sollte und dann hab’ ich den erst ein bißchen langsam gemacht. Das ist diese Ballade vor „Have No Fear“, mit diesem Klavieranfang („No MOre Pain“, Anm. d. Verf.). Und irgendwie konnte ich mich da dann auch nicht entscheiden, auf der „Why?“ und dachte mir dann „Ja, warteste erst mal, wir haben ja genug Songs, das reicht ja“. Ja, und dann hab’ ich den erstmal wieder auf Eis gelegt. Und dann irgendwann hatte ich die richtige Idee. Ich weiß gar nicht, einfach mal soundso und soundso, ganz easy, einfach mal ein bißchen Klavier, ein bißchen groovig und so. Ja und so war er dann fertig (lacht). Und da hab’ ich gesagt „Jetzt nehm’ ich ihn auf!“ (lacht).

Anne: Also die Songs für „Killing Saw“ hast du eigentlich alle alleine geschrieben…

Dirk: Ja genau. Außer – ja, was hamn wa denn zusammen geschrieben? – ich hatte oft das Grundriff gehabt, aber den Rest den haben wir zusammen gemacht; z.B. „Searching“ hab’ ich mit unserem Schlagzeuger gemacht, „The World Of Pain“ und noch ‘ne Nummer, die weiß ich jetzt nicht mehr. Achso, was warn das, laß mal überlegen…was war denn das jetzt noch? Ach, weiß ich jetzt nicht mehr…irgendwann da weißte schon gar nicht mehr, was du alles gemacht hast…nee, aber da hab’ ich so das Riff gehabt und da hab’ ich gesagt, „Hier, laß uns daraus mal was machen!“ und dann entstand halt „Searching“ zum Beispiel, aber das steht ja in der CD drin.

Anne: Wird das sich denn in Zukunft noch ausweiten, daß ihr mehr als Band schreibt oder denkst du, du wirst weiterhin der Hauptsongwriter bleiben?

Dirk: Hm, ich sag mal so: Ich hab jetzt schon wieder fürs neue Album Ideen, aber die Jungs haben schon gesagt, „Wenn du interview_mercurytide_20120726_05Ideen hast, dann spielen wir die gerne“. Wie jetzt zum Beispiel letztens bekam ich so ‘ne SMS von unserem Keyboarder, er hätte da so ‘ne richtig coole Klavierballade, und wenn ich da drüber was Geiles singen könnte…also wir werden da dann gemeinsam alles machen auch. Aber unser Drummer sagt, „Ey, ich kann keine Songs schreiben, mach du mal und dann hör ich mir das an und dann spiel’ ich da meinen Kram zu…“ - ist auch ok. Unser Baßmann ist da eigentlich auch sehr relaxed, der sagt auch „Joa, ich hör’ mir das an und dann spiel ich dazu und dann is gut.“. Ja, aber jetzt der Keyboarder und ich hier zum Beispiel, er hat halt auch irgendwie coole Ideen und da haben wir auch gesagt „Mein Gott, laß uns mal gemeinsam was machen, und fertig.“ Also sagen wir mal so, ich hab’ halt immer Ideen. Irgendwie hab’ ich immer so ein Riff im Schädel und weiß ja nicht, da macht man sich manchmal selber irgendwie total bekloppt, ne? Naja, egal, also das nächste Album, das kommt auf jeden Fall nächstes Jahr raus und nicht wieder erst in 10 Jahren (lacht).

Anne: Gut! Also ich finde das neue Album deutlich härter als das letzte. Wie kommt’s?

Dirk: Hm…ich schätze mal, weil ich da einfach mehr Bock hatte zu rocken, vielleicht. Obwohl, ich hab’ auch schon in manchen Interviews gehört „Das „Why?“ war aber irgendwie härter“. Aber ich hör’ jetzt da nicht so ’nen großen Unterschied, wobei, vielleicht isses ein bißchen härter. Ich find’, das ist irgendwie gleich oder so. Sagen wir mal so, auf der „Why?“ haben wir ruhige Nummern drauf und da finde ich, da haben wir etwas mehr ruhigere Nummern drauf. Naja, gut. Der eine so, der andere so. Sagen wir mal so, ich hab’ die Songs geschrieben, weil ich mal wieder Lust hatte zu rocken und vielleicht sind die deswegen so. Weil das ist ja doch 10 Jahre her und man hat ja doch ein anderes Feeling wie früher. Zum Beispiel als ich das „Why?“ geschrieben hab’, hab’ ich ja zu dieser Zeit – was hab’ ich denn da so gehört? – ANATHEMA und so Kram, SAVATAGE und so und jetzt halt hör ich auch noch so den Kram aber irgendwie, weiß nicht, man ist ja auch ein bißchen reifer…mal gucken.

Anne: Ich finde, ihr klingt auch relativ oft nach SAVATAGE, vor allem beim Gesang und beim Keyboard…

Dirk: Echt? Ok, das hamnse schon damals bei ANGEL DUST gesagt, weil halt dieses klassische Klavier und weil ich halt gerne mal so hoch singe und mal so Schreie da reingeknallt hab’  - das hamnse schon früher gesagt, aber ich glaub’ das ist jetzt so eine automatische Reaktion. Harte Riffs und Klavier dabei, dann haste sofort diesen SAVATAGE-Effekt, ne?

Anne: Ja, ich denke, das liegt vor allem am Klavier.

Dirk: Gut, das kann ja sein. Das ist ok…

Anne: Du magst die Band ja anscheinend.

Dirk: Ja, sicher, aber das ist jetzt nicht so, daß ich mir dachte, ich muß genauso klingen, das ergab sich einfach so. Aber ich bin jetzt auch nicht einer der sagt „Oh Mensch, das gibt’s ja vielleicht schon mal“. Der Eine der hat mir auch letztens erzählt, „Ja, das klingt so wie da!“. Ich sag immer „Ich kenn’ die Gruppe überhaupt nicht“ Weißt du, klar, es gibt ja nur 12 Akkorde, was willst du da noch groß verändern, nicht (lacht)? Wenn sich da ständig irgendwelche Sachen ähneln oder fast gleich anhören, die in die Richtung gehen – mein Gott, dann isses dann halt so.

Anne: Genau, da hab’ ich nämlich auch noch was: ich finde, der Anfang von „Killing Saw“ und der Anfang von NIGHTWISHs „Nemo“ klingen auch sehr ähnlich, aber hörst du überhaupt NIGHTWISH?

Dirk: Also ich fand’ jetzt zum Beispiel dieses „Nemo“ total geil. Vielleicht kommt das auch daher, diese Idee so die Melodie hier mit Klavier zu spielen. Das kann natürlich sein. Also ich fand’ die Nummer als die rauskam supergeil, also ich find se auch heute noch gut. Das ist auch so der einzige NIGHTWISH-Song, den ich so richtig im Kopf habe, die anderen, die waren alle so…weiß nicht. Aber die Nummer die fand ich gut, die groovte, die war richtig so  - das war für mich so ’ne richtig geile Nummer, ne? Auch dieser Refrain. Vielleicht hatte ich das irgendwie so im Unterbewußtsein, daß ich den Gesang und genauso die Melodie spiele. Aber is ok.

Anne: Ja, ich finde den Song auch gut. Also von den Texten her hat man – zumindest was ich so höre, ich habe das Booklet noch nicht zum durchlesen – eher den Eindruck einer düsteren Stimmung. Ist „Killing Saw“ ein düsteres Album?

Dirk: Ich hatte eigentlich so die restlichen Jahre, die ich so erlebt hab, da hatte ich auch so einige Höhen und Tiefen, auch so von Freunden oder auch damals mit ANGEL DUST. Das hab’ ich dann alles – also nicht das ganze Album, aber so stellenweise hab’ ich das einfließen lassen, also das hast du zum Beispiel oft, wenn du in ’ner gewissen Situation bist oder was erreicht hast, da entscheidet sich dann erstmal, wer dein Freund ist und wer nicht. Und da wirst du dann einfach enttäuscht von Leuten, wo du denkst „Ey, hallo?“. Na ja, und das paßte dann ganz gut. Da hab’ ich dann auch immer Glück mit so was. Also wenn ich ’nen Song schreib’, oder was heißt schreib’, der entsteht dann so einfach. Also ich setz mich ja jetzt nicht hin und nehm’ mir ’nen Stift und denke mir „So, jetzt spiel ich hier das und hier das..“ Das entsteht bei mir immer in meinem Kopf so. Manchmal ist das so, da hab’ ich dann irgendwie so ein Riff im Kopf oder ’ne Melodie und so und weiß nicht, ich hör’ den dann irgendwie schon so fertig im Kopf.

Anne: Also, ein Konzeptalbum wird’s von euch wohl eher nicht geben?

Dirk: Ja, schau’n wir mal. Ich hab’ nämlich jetzt letztens eine neue Nummer geschrieben, die auf das nächste Album kommt, das war zum Beispiel auch so ’ne Idee, die hab ich mal einfach so bekommen. Vor ein oder vor zwei Jahren, da waren wir auf ’ner Kirmes und da hieß so ’ne Geisterbahn „House Of Horror“. Und ich so „Cool, hört sich gut an. House Of Horror“. So, da hab’ ich mir dann nix dabei gedacht, ich fand’ das nur irgendwie gut. So, und jetzt irgendwann vor drei Wochen oder so, da hatte ich die Idee zu ’ner Melodie gehabt so „Welcome to the house of horror“ (singt) und dachte mir so „cool!“. Und ja, House Of Horror so wird dann irgendwann mal ein Song heißen und mal gucken. Vielleicht heißt auch das ganze Album so und das könnte man als Konzept dann ausarbeiten. Weil wir machen ja jetzt am Samstag noch das Video für „Searching“ und der Kameramann, dem hab’ ich das dann irgendwann mal erzählt und nur mal so vorgespielt und er meinte dann wenn wir das mal machen wollten, hier House of Horror, er hätte da in Köln eine Location, da ist irgend so ein Ding, wo die Engländer früher Sklaven – nee, nicht Sklaven, aber so irgendwas da hatten. Und klar, sicher. Unser Baßmann der war auch super begeistert, der kam dann auch noch direkt mit Ideen „Das kann man alles noch ausbauen!“ und ja, alles klar (lacht). Ja, und wenn man selber dann so Jungs hat, die da dann so richtig dahinterstehen, da weiß man dann schon mal, wie man die Bilder macht, man kann sich dann die Texte so schreiben, daß die da reinpassen und so, ja. Vielleicht wird das neue Album auch etwas – „Huuuh!“ – gruseliger (lacht).

Anne: Also ihr habt jetzt schon so richtig Pläne für die Zukunft?

Dirk: Ja klar, also der Motor der läuft. Für mich ist das auch wieder genauso wie früher, man hat so ’ne Gruppe und man ist auch wieder so richtig am Start. Also bevor jetzt das Album raus kam, da wußte ich ja selber nicht, wo es hingeht. Werden wir ausgelacht oder werden wir zusammengeschlagen oder kaufen die das wie blöd; aber bis jetzt sind die ganzen Rezensionen und Reviews ja alle irgendwie gut. Da sind vielleicht zwei dabei, die das schlecht finden, aber so „ja, ist jetzt nicht so mein Stil, aber ist ganz cool“. Aber der Rest ist alles gut irgendwie und – puh, cool.

Anne: Das beruhigt, oder?

Dirk: Ja, da freuste dich natürlich auch drüber, grade nach so ’ner langen Zeit.

Anne: Klar. Hattest du eigentlich jemals Gesangsunterricht oder bist du eher Autodidakt?

Dirk: Ich hatte Unterricht nach dem „Bleed“-Album von ANGEL DUST weil ich vorher irgendwie gesungen hab’ aber halt immer so yeah, volles Rohr und ich war dann natürlich immer schnell platt. Und unser Produzent, der meinte dann immer, “Ruf doch mal die Birgit an“ und ich sagte, ich weiß nicht, Gesangslehrer, ich will ja auch einen haben aber die meisten die interview_mercurytide_20120726_04waren irgendwie an so ’ner Volkshochschule und dann kam ich da an früher, mit Matte, weißte und mit Lederhose an, und dann standen da so Hausfrauen und ich „Ja, hallo! Was ist denn mal, wenn ich mal heiser bin, was ist denn mal hier, wie kann ich denn schnell mal Warmups machen?“ „Das weiß ich nicht“ Und ich so „Ja, toll, ey!“ (lacht). Und wie gesagt, da hab’ ich durch Siggi [Bemm, Produzent, Anm. d. Verf.] dann halt Birgit kennengelernt, die wohnte auch hier in Essen, das war natürlich super, und die hat das dann auch so richtig von der Pike auf gelernt, die hat mir auch erzählt, auch wenn du heiser bist, egal, du kannst singen. Weil man hat wohl zwei Stimmbänder und so und man muß nur da oben den Schalter ausmachen. Ja, und die meinte dann, daß sie mir ja nur ein wenig Technik beibringen muß, damit ich nicht so schnell platt bin. Das war dann das einzige, was ich dann gemacht hab. Also weißt du, ich sing auch gerne. Mich fragte auch einer mal „Was singst du denn am liebsten?“ und ich so „Wie, was singste denn am liebsten?“ „Ja, so welche Tonart?“ „Ja, das weiß ich nicht“ (lacht). Ich singe irgendwie ganz einfach. Ich weiß auch nicht, ob ich jetzt was weiß ich ein hohes C oder so singe; ich sing das, was ich so grade fühl. Zwischendurch, da schrei ich dann mal rein, dann sing ich mal ganz hoch – egal (lacht).

Anne: Steht denn demnächst vielleicht mal noch eine Tour oder irgendwas an?

Dirk: Ja, wollen wir hoffen. Wir haben jetzt halt noch zwei Open Air Shows, dann spielen wir noch am 28.11. glaub’ ich, in Köln mit dem [Oliver] Hartmann (AT VANCE, AVANTASIA, Anm. d. Verf.) im Underground und eventuell da noch mehrere Shows mit dem. Also der wollte wohl auch eine kleine Tour mal machen, aber die jetzt nicht so am Stück, sondern immer mal da, mal da; so hörte sich das an. Aber wir gucken mal irgendwie, wenn wir da noch was kriegen, also wenn, dann werden wir da erstmal als Support spielen, ist aber auch ganz gut so oder ja, wenn wir nächstes Jahr ein neues Album rausbringen, mal gucken vielleicht hat sich dann auch alles erhöht, die Zuschauerzahlen und so und dann…ja. Wir wollen das auch ganz ruhig angehen lassen, also wir wollen jetzt auch nicht auf Festivals spielen, wo wir normalerweise gar nicht hingehören. Ne, also das ist blöd. Wenn wir jetzt zum Beispiel auf Festivals spielen wo nur Geknüppel ist und Gegrunze, und die mischen dann unseren Keyboarder auf (lacht), da denken die schon, „Hä? Was kommt denn jetzt?“ und dann so „Haha!“…nee, das ist dann nix. Da haste dann danach nur schlechte Kritiken, und so, dann, nee.

Anne: Gut, Dirk, ich wäre mit meinen Fragen soweit durch…

Dirk: Ach, schade…

Anne: Du kannst mir auch noch einfach so was erzählen, wenn du willst…

Dirk: Äh…ja, ach, ich weiß nicht. Ja.

Anne: Ich bedanke mich auf jeden Fall ganz herzlich, daß du dir die Zeit genommen hast für das Interview.

Dirk: Ja, auch wenn es etwas später geworden ist.

Anne: Ach, das macht nichts, ich bin ja da.

Dirk: Ja, super.

Anne: Gut, dann wünsch’ ich euch auf jeden Fall noch viel Erfolg.

Dirk: Ja, wir sehn’ uns ja bestimmt noch mal irgendwann.

Anne: Ich hoffe doch.

Dirk: Ja, klar!


Fotos: Miriam Guigueno @ Vision 'n' Style
Kategorie: Interviews