Interview mit Hansi Kürsch (Blind Guardian)

interview_blindguardian_20120213_01BLIND GUARDIAN brachten Ende Januar anläßlich des 25jährigen Bandjubiläums erstmal ein Best Of-Album auf den Markt, das auf den Namen "Memories Of A Time To Come" hört. Doch BLIND GUARDIAN wären nicht BLIND GUARDIAN, wenn sie einfach lieblos eine lose Sammlung alter Hits unters Volk werfen würden. Statt dessen kommt die CD mit aufwendigem Artwork in zwei verschiedenen Versionen auf den Markt. Fast alle Songs wurden überarbeitet, remixed und einige sogar neu eingespielt. Die Scheibe gibt es als Doppelalbum und als Limited Edition mit einer zusätzlichen CD, auf der Demoversionen einiger Songs enthalten sind, darunter auch die ersten Demos, die seinerzeit noch unter dem Namen LUCIFER’S HERITAGE veröffentlicht wurden (und verstreut auf den 2007ern Re-Releases der alten Alben zu finden waren). Grund genug, uns mit Sänger Hansi Kürsch zusammenzusetzen, der uns am Telefon eine gute halbe Stunde Rede und Antwort stand.

Und sich dabei als sehr freundlicher Zeitgenosse entpuppte, der sich erstmal entschuldigte, daß er erst eine Viertelstunde nach dem vereinbarten Termin anruft.

Hansi: Entschuldigung, daß ich so spät angerufen hab’, ich bin grade noch in einem anderen Gespräch gewesen und hab’ leider Gottes da etwas überzogen.

Anne: Das ist kein Problem, das macht überhaupt nichts. Wie geht es dir denn?

Hansi: Ja, mir geht’s gut, ich hoff’ dir auch. Ich sitze hier etwas zu warm muß ich grade wieder feststellen. Ich sitz’ zu nahe an der Heizung und jetzt fängt’s schon langsam an so ein bißchen zu bollern. Aber besser als zu kalt oder?

Anne: Genau. Aber ’ne Heizung kann man auch runterdrehen…

Hansi: Ja, aber da müßte man sich bewegen…

Anne: DAS ist natürlich ein wichtiger Grund…

Hansi: (lacht)

Anne: Gut. Wir wollen ja heute über euer Best Of sprechen. Wie seid ihr denn überhaupt auf diesen etwas kryptischen Titel „Memories Of A Time To Come“ gekommen? Was hat der denn zu bedeuten?

Hansi: Eh…also…so ein Best Of ist ja auch erstmal so ’ne Art Zäsur, zumindest wenn man’s so betreibt wie wir, daß man wirklich nur alle Jubeljahre, in unserem Fall zum ersten Mal nach 25 Jahren, so eine Best Of macht, d.h. man schaut so ein bißchen zurück aber da wir immer schon so die Tendenz dazu haben uns auch mit zukünftigen Sachen auch in Bezug auf Musik auseinander zu setzen glaube ich, daß in dem Vergangenem ein Ausblick auf das liegt, was in der Zukunft von uns zu erwarten sein könnte. Deswegen fanden wir den Titel ganz passend.

Anne: Wieso seid ihr eigentlich überhaupt erst nach 25 Jahren mal drauf gekommen, eine Best Of zu machen? Manche Bands machen das ja schon nach zwei, drei Alben.

Hansi: Das wäre uns zu früh gewesen. Wir haben eigentlich immer so nicht unbedingt die Notwendigkeit für ein Best Of gesehen weil uns klar war, daß es in unserer Karriere vielleicht ein oder zwei davon geben würde. Und ich sag’ mal jetzt sind wir so in etwa bei der Halbzeit angekommen, da macht das dann mal Sinn, eins dazwischen zu schalten. Vor allen Dingen, wenn man sich dann auch mal ein bißchen Mühe geben will. Wir hatten in der Vergangenheit auch nie wirklich die Zeit uns technisch und praktisch da so stark damit auseinander zu setzen, daß wir ein Best Of-Album hätten kreieren können, das unseren Ansprüchen genügt hätte. Das war im letzten Jahr der Fall, da hatten wir zwar immer noch sehr viele Konzerte zu spielen, aber zwischen den Konzerten gab’s viel Leerlauf, den wir dann hier im Studio ganz gut nutzen konnten, indem wir dann eben an den einzelnen Songs noch mal rumgedoktort haben.

Anne: Genau. Ihr habt ja auf der Platte neu abgemischte, neu aufgenommene und überarbeitete Songs. Kannst du mal für den Laien erklären, was der Unterschied zwischen diesen dreien ist, insbesondere, was in diesem Zusammenhang „überarbeitet“ bedeutet?

Hansi: Ja, „überarbeitet“ hat sich auf unser Demo „Symphonies Of Doom“ bezogen, da gab’s ein paar technische Besonderheiten, als wir an dem Material das letzte Mal gearbeitet haben. Die sind uns so ein bißchen durchgegangen. Wir mußten da technische Fixierungen vornehmen, die jetzt nicht unbedingt zu verstehen sind wie ein Remaster oder Remix, sondern da ist ganz technisch einfach dieses Material noch mal aufgearbeitet worden, so wie man’s bei ’nem Film macht, der...keine Ahnung…50 Jahre auf Super 8 oder so irgendwo in der Versenkung verschwunden ist und dann wieder aufgearbeitet werden muß. Da gibt es ganz bestimmte Prozedere, die man berücksichtigen muß, damit man dieses Material überhaupt noch mal verwenden kann. Wir hatten Masterbänder, die erstmal technisch bzw. chemisch gebacken werden mußten und dann mußten wir die editier- und computertechnisch noch mal ganz neu erfassen. Das ist „reworked“.


"[...] jetzt sind wir so in etwa bei der Halbzeit angekommen [...]"

Hansi Kürsch hat ja noch so einiges vor...


„Remastered“ heißt, daß du den fertigen Mix eines Albums oder eines Songs nimmst und den noch mal in allen Frequenzbereichen neu gestaltest. Damit kriegt man - ich sag’ mal schon ein ganz neues Panorama hin, man kann unter anderem Sachen nach vorne stellen, die in einer vorherigen Version vielleicht ein bißchen weiter hinten gewesen sind, da geht’s aber auch eher um Frequenzen. Während du bei einem Remix den Zugriff auf sämtliche Spuren noch mal vornimmst, die irgendwann mal aufgenommen worden sind, d.h. du versiehst diese Instrumente mit neuen Effekten, du korrigierst bestimmte Sachen, die dir in der Vergangenheit vielleicht nicht gefallen haben und legst den Augenmerk, was jetzt die soundtechnische Ausrichtung angeht vielleicht in eine komplett andere Richtung. Mag sein, daß du Album XY vor 10 Jahren eher als Gesangsalbum gemischt hast. Dann sagst du jetzt „Ok, wir gehen jetzt ein bißchen weg von der Gesangsversion, und legen unser Hauptaugenmerk auf die Rhythmusgitarren oder aufs Schlagzeug.“ Da kann man ’ne ganze Menge verändern, das ist auch das, was am stärksten hörbar wäre. Und dann die Kür wäre eine neu aufgenommene Version, aber ich denke, das versteht sich dann von selbst. Weil dann letztendlich alles, was an Material vorhanden ist, noch mal neu aufgenommen wird.


Anne: Genau. Das ist klar. Wie habt ihr denn entschieden, welche Songs jetzt wie genau bearbeitet werden?

Hansi: Bei dem Demo blieb uns nix anderes übrig. Bei den Songs ansonsten hatten wir eigentlich vor, alles zu remixen. Das war also unsere ursprüngliche Intention. Als wir dann mit den Arbeiten angefangen haben, ist uns aufgefallen, daß wir eine Referenz brauchten, das war in dem Fall „Sacred Worlds“ von unserem letzten Album, an das wir dann mehr oder weniger die Sounds der anderen Platten angeglichen haben. Von daher war es nicht mehr notwendig, „Sacred Worlds“ auch noch zu remixen, weil das sozusagen auf dem neuesten Stand gewesen ist. Während des Prozederes hatten wir dann einfach das Bedürfnis, bestimmte Songs noch mal neu aufzunehmen. Da stand an erster Stelle „And Then There Was Silence“, weil wir da bestimmte geschmackliche Ideen verwirklichen wollten, die sich dann aber nicht so einfach verwirklichen ließen, wie wir uns das gedacht haben. Bei „Valhalla“ oder „[The Bard’s Song -] The Hobbit“ ist es so gewesen, daß wir einfach schauen wollten, wo wir bei relativ alten Songs aufkommen würden, wenn wir die sehr intentionsnah neu aufnehmen würden. Ob wir ein besseres Ergebnis erzielen würden, oder ob wir in etwa wieder da landen würden, wo wir vor 20 oder vor 23 Jahren schon gelandet sind. Und der „[The] Bard’s Song – In The Forest“ war dann faktisch sozusagen nur noch ein Bonus den wir so gar nicht eingeplant hatten. Da kam einfach nur von der Plattenfirma die Anfrage, ob wir noch einen Song neu aufnehmen würden oder wollten, wenn man uns die Zeit geben würde. Und da wir nur ’ne Woche Zeit hatten oder anderthalb war für uns „The Bard’s Song“ die logische Konsequenz.

Anne: Also ich muß jetzt sagen, ich als Laie höre bei den remixten Songs eigentlich nur wenige Unterschiede. Am stärksten hört man es meiner Meinung nach noch bei den Songs von der „Imaginations From The Other Side“. Ich könnte mir jetzt vorstellen, daß es noch mehr Leuten so geht und insbesondere wenn man jetzt irgendwo weggeht und der Song läuft, dann hört man eigentlich gar nicht, welche Version das grade ist.

interview_blindguardian_20120213_02Hansi: Hm, das müßte man eigentlich hören. Das ist natürlich unterschiedlich. Kommt auch ein bißchen drauf an, wie man jetzt selbst Musik hört. Wenn ich da mal kurz eingreifen darf: Was du auf jeden Fall merken würdest, wenn du dir die 19 Songs in den Originalen runterladen würdest bzw. dir die Compilation mit den alten Songs zusammenstellen würdest, dann würde dir der Unterschied relativ schnell klar werden und du würdest feststellen, daß da doch ein extremer organischer Fluß entstanden ist durch diese neu gemixten Songs. Weil die eben wirklich alle in einem etwas moderneren Gewand rüberkommen. Ich denke auch, daß man das am ehesten grade bei „Follow The Blind“ oder „Majesty“ hört, die…ja…speziell jetzt, wenn man die mit den alten Versionen vergleicht, doch um ein Vielfaches moderner daher kommen. Das heißt nicht unbedingt, daß die von der Grundintension komplett umgeworfen worden sind immer. Also das ist von Song zu Song verschieden, da müßte man wirklich ins Detail gehen. Das ist nicht unbedingt immer notwendig gewesen. Ja, also „Majesty“ kann man jetzt nicht so verdrehen, daß man da auf einmal das Gefühl hat „Oh, da gibt’s ja komplett neue Gesänge!“ oder „Das ist dies und jenes das wäre mir noch nicht aufgefallen“. Also so weit sollte man da auch nicht gehen. Aber wenn man die 1:1 vergleichen würde, dann müßte es eigentlich relativ schnell auffallen.

Anne: Ja, ich finde schon, grade bei den alten Songs fällt es auch stärker auf als bei den neuen…

Hansi: Wenn du jetzt z.B. „Ride Into Obsession“ nimmst, klar, da geht’s auch schon wieder soo klein ins Detail. Das ist ’ne Nummer, die vor 2 Jahren erstmalig abgemischt worden ist. Da kann man nicht so viel an den Setups verändern. Ähm, ja, also ich könnte jetzt auch nicht behaupten, daß ich nach der kurzen Zeit schon unser Mixkonzept von der „At The Edge Of Time“ so über den Haufen werfen würde, daß man da auf riesen Veränderungen zielen sollte.

Anne: Ich denke auch, es macht einen Unterschied, ob man selber Musiker ist und mehr in der Thematik drinsteckt, oder ob man „nur“ Hörer ist.

Hansi: Das kann gut sein. Aber wie gesagt, wenn irgendwer den 1:1-Vergleich machen möchte, der sollte sich dann wirklich diese Compilation über I-Tunes oder keine Ahnung wie – einfach mal die alten Songs zusammenstellen mit den alten Mixen und dann wird’s relativ schnell offensichtlich. Also wenn man jetzt die – ja, nicht direkt nebeneinander stellt  - könnte sein, daß es nicht so auffällt. Du sagtest ja grade, „Imaginations“, die wären dir am stärksten aufgefallen… Das ist auch so, daß das vom kompletten Mixkonzept das Album gewesen ist, das eigentlich am stärksten in seiner Zeit verhaftet war. Da hat Flemming [Rasmussen, Anm. d. Verf.] damals ganz besondere Sachen gemacht, die man auch heute nie mehr machen würde und das anders zu gestalten war dann schlußendlich einfacher als jetzt meinetwegen „Somewhere Far Beyond“ komplett zu verdrehen.

Anne: Ich finde sowieso, die „Imaginations [From The Other Side]“ hat einen ganz speziellen Sound, der sich von dem Sound der anderen Scheiben doch etwas unterscheidet.

Hansi: Genau, das wollte ich sagen. Das ist tatsächlich so. Klar, wir sind immer – weiß ich nicht – anspruchsvoller geworden und logischerweise haben wir auch andere technische Möglichkeiten gehabt, dann gab’s den Sprung von analoger Aufnahmetechnik zu digitaler Aufnahmetechnik, den Sprung von Vinyl auf CD in der Zwischenzeit… Das macht natürlich alles schon ’nen Unterschied. Und hat auch damals immer ganz bestimmte „Mixphilosophien“ mit sich gebracht, die dann heute so ein bißchen überholt sein könnten. Aber „Imaginations“ wäre jetzt auch für mich das Album, was jetzt speziell was Sounds angeht, am meisten heraussticht.

Anne: Ich finde z.B. „Valhalla“ hat diese Neuaufnahme wirklich richtig gut getan. Bei der alten Version hört man einfach, daß es – alt ist (Hansi lacht). Ja, daß es eben einfach nicht auf dem heutigen Stand der Aufnahmetechnik ist, sag ich jetzt mal.

Hansi: Ja, die hat auch am meisten Spaß gemacht. Also hat mir am meisten Spaß gemacht.

Anne: Was war denn für euch der Grund, genau diesen Song zu nehmen? Weil es halt quasi eure Hymne ist, oder gab es auch noch einen anderen Grund dafür?

Hansi: Ja…die Zusammenarbeit mit Kai [Hansen, Anm. d. Verf.] noch mal aufleben zu lassen, war auch ein Grund. Das waren so die beiden Hauptgründe. Daß wir die Nummer…ja, eben immer gut rocken können, auch schnell performen können, das ist auch wichtig bei so ’ner Geschichte, daß man sich da nicht irgendwie verrennt. Dann ist das ‚’ne Nummer, die Frederik auch extrem geil performt. Und ja, dann war’s halt eben wirklich so ein bißchen auch die Selbstkontrolle, wie man so ’ne Nummer heutzutage eben präsentieren würde. Mir hat’s persönlich wie gesagt auch am meisten Spaß gemacht. Was ich nicht gedacht hätte. Marcus jetzt z.B. mag „Valhalla“ generell nicht so gerne, weil wir den schon so oft gespielt haben. Für ihn war’s dann – ja, Tortur ist vielleicht übertrieben – aber er mußte sich ein bißchen quälen.

Anne: Ja, ab und zu muß man sich halt mal quälen. Habt ihr eigentlich schon mal drüber nachgedacht, eure alten Alben komplett neu aufzunehmen, wie das ja z.B. EDGUY mit „Savage Poetry“ gemacht haben?

Hansi: Äh…nee, haben wir noch nicht drüber nachgedacht, aber… Aus heutiger Sicht würde ich sagen, wir hätten vielleicht anstelle von „And Then There Was Silence“ zwei alte Nummern noch mal neu aufnehmen sollen, dann wäre wahrscheinlich für die Leute noch ein bißchen offensichtlicher geworden, was die Platte ausmacht und wir hätten vielleicht ein besseres Ergebnis erzielen können.


"Ich glaub’, unsere Fans verstehen schon, was wir damit bezwecken wollten [...]"

BLIND GUARDIAN fühlen sich mit ihren Fans eng verbunden


Anne: „The Bard’s Song – In The Forrest“ hattet ihr ja schon 2003 noch mal neu aufgenommen…

Hansi: Genau.

Anne: …in einer Version, die ja eigentlich der ursprünglichen sehr ähnlich war. Jetzt habt ihr ja eine neue Version mit Streichern und du hast ja schon gesagt, der Hauptgrund war eigentlich, daß die Plattenfirma gesagt hat, daß ihr noch einen Song machen könnt. Ihr hättet ja eigentlich auch einfach die 2003er-Version noch mal draufpacken können.

Hansi: Ja, das war ja auch die ursprüngliche Idee. Wir hatten auch ’nen Mix angelegt, in dem wir die 2003er Version noch mal neu gemixt hatten, bevor uns dann mitgeteilt wurde „Okay, ihr habt noch ’ne Woche, ihr könnt noch was anderes machen“. Wäre auch okay gewesen, aber ja, wenn wir die Zeit haben ist es uns auch lieber, möglichst viel neues Material zu schaffen oder anderes Material zu schaffen, weil’s dann für alle spannender wird, das ist keine Frage. Daß die Nummer dann so schnell von der Hand ging und sich dann auch merkbar von den ersten beiden Versionen verändert, hat uns natürlich dann auch gefreut.  

Anne: Was hat euch denn bewogen, genau diese Songs neu einzuspielen und nicht z.B. auch „Majesty“ oder „Follow The Blind“?

Hansi: Die Vision einfach, ein bißchen mit den Songs zu arbeiten. Bei „The Bard’s Song“ war da natürlich auch irgendwann wieder die Idee da, das natürlich in so einer größeren Masse publik zu machen, weil die Mischung Crossover-Potenzial hat, das spielt da auch immer so ein bißchen mit rein natürlich. Aber bei den anderen Tracks war’s einfach so, daß wir konkrete Ideen hatten, wie wir eine Neuaufnahme gestalten könnten und dann kann man sich schon mal so ein bißchen verrennen, also das wäre jetzt bei „And Then There Was Silence“ so ein bißchen der Fall gewesen. Man kann’s halt eben…man kann Glück haben, wie bei „Valhalla“.

Anne: Die Scheibe scheint sich ja bis jetzt ganz gut zu verkaufen, z.B. bei EMP ist die Version mit dem Poster schon ausverkauft. Wie sind denn bisher so die Reaktionen auf die neuen Versionen der alten Songs?

Hansi: Sehr gut. Ich glaub’, unsere Fans verstehen schon, was wir damit bezwecken wollten und ich hab’ auch häufig eben jetzt mitbekommen, daß die neuen Mixe eben auch viel Zuspruch gefunden haben, nicht speziell jetzt bezogen auf „Majesty“ und „Follow The Blind“. Ich glaub’, wenn man sich die Platte anhört, merkt man schon, daß da doch Arbeit reingesteckt worden ist und von daher wird das wie bei unseren regulären Studioalben auch von der Großzahl unserer Fans doch sehr positiv aufgenommen.

Anne: Wie habt ihr denn überhaupt entschieden, welche Songs auf diese Best Of kommen? Wie kann man das bei eurem Backkatalog überhaupt entscheiden?

Hansi: Ja, wir wollten zum einen ’ne Art Flow auf dem Album kreieren, der mußte für uns selbst funktionieren. D.h., wir haben so’n bißchen rumprobiert. Dann hatte natürlich jeder seine eigenen persönlichen Faves, da mußte man einen Konsens schaffen. Und dann war’s auch noch so, daß wir Nummern präsentieren wollten, die eine bestimmte Aussage oder eine bestimmte Wichtigkeit hatten. Das ist jetzt zum Beispiel ein Grund für „The Last Candle“, das wir jetzt vielleicht gar nicht auf die Platte genommen hätten, aber wir wissen einfach, daß die Nummer bei einer ganz bestimmten Fangruppe einen extrem hohen Stellenwert hat und dem wollten wir eigentlich Tribut zollen.

interview_blindguardian_20120213_03Anne: Wurden auch Kämpfe um einzelne Songs ausgefochten?

Hansi: Naja, also man diskutiert schon und ist nicht immer glücklich mit allen Entscheidungen, aber insgesamt kann man da glaub’ schon von ’nem Konsens sprechen. Klar, der eine hätte den Song lieber drauf gehabt, der andere den Song. Da sind vielleicht – ja, ich sag mal – innerlich Tränen geflossen (lacht). Aber, ja, wir sind alle gestandene Leute und haben da glaub’ ich für jeden die perfekte Lösung gefunden.

Anne: Wie habt ihr denn die Reihenfolge der Songs festgelegt? Im Booklet ist ja die Reihenfolge chronologisch und auf den CDs ist sie jetzt eher – ich sag jetzt mal „wild durcheinander“.

Hansi: Ja, das Booklet ist zwar parallel zum finalen Mix gemacht worden, aber wir haben uns mit der Reihenfolge sehr lange Zeit gelassen, weshalb dieses Booklet so angelegt worden ist, in chronologischer Reihenfolge. Was ich auch okay fand, weil die Bilder auch so aufgebaut sind. Bei der Reihenfolge der Musik war’s tatsächlich so ’ne Art Dramaturgie, die wir kreieren wollten und hoffentlich auch kreiert haben. Da gab’s dann verschiedene Durchläufe, das war wirklich so ’ne Art Trial and Error. Man hatte so ein paar Fixpunkte, die sich relativ schnell herauskristallisiert hatten und der Rest mußte tatsächlich hin und her geschoben werden.

Anne: Ihr legt ja auch immer viel Wert auf das Cover-Artwork. Und auch dieses Mal ist das Cover meiner Meinung nach wirklich gelungen. Magst du unseren Lesern mal erklären, was genau es denn jetzt darstellt?

Hansi: Das ist auch so ähnlich wie der Albumtitel so ’ne Hommage an die Bandgeschichte. Es gibt wieder einmal den obskuren Wächter zu sehen, der die Gefüge der Zeit durcheinander bringt. Und das unterlegt mit diversen Elementen die auf den vergangenen Alben ’ne Rolle gespielt haben.

Anne: Wie wichtig ist ein gutes Cover-Artwork denn für euch generell?

Hansi: Puh…das ist ’ne gute Frage. Früher war’s megawichtig. Ich glaub’, in den 90ern war das wirklich so ’ne Art Identifikation auch der Fans mit der Band und einfach mit dem Genre. Heute glaube ich, daß wir uns auch anderweitig schon präsentieren können, was das Cover angeht und die Gewichtung auf dem Artwork selbst nicht mehr so hoch ist wie das früher mal gewesen ist. Und…ja…wir sind da halt eben schon auch fantasymäßig unterwegs und finden das auch nach wie vor schön, wenn das so konzeptionell so stimmt und deswegen behalten wir das so bei. Ich glaube nicht, daß es noch die Gewichtung hat wie – keine Ahnung –  vor 10 Jahren oder 15 Jahren.

Anne: 25 Jahre sind ja schon eine lange Zeit. Hättet ihr damals geglaubt, daß es euch mal so lange gibt?

Hansi: Ich hab’ auf jeden Fall geglaubt, daß wir sehr schnell sehr erfolgreich werden. Und daß wir ’ne bekannte Heavy Metal-Band werden könnten, aber als Zwanzigjähriger macht man sich keine Gedanken, was mit 45 ist. Also da hab’ ich mir überhaupt keine Gedanken drüber gemacht, was ich mit 30 oder 35 machen würde. Da hat man sich glaub’ ich noch eher um den Moment Gedanken gemacht als ja, um die Zukunft.

Anne: Kamen viele Erinnerungen hoch, als ihr die Fotos für das Booklet zusammengestellt habt?

Hansi: Ja, klar. Man ärgert sich immer, daß man nicht noch mehr Material hat. Und klar, da wird schon die ein oder andere Erinnerung wach. Das war aber auch beim Abhören vom Material so, daß man einfach Sachen auf einmal wieder entdeckt hat, an die man sich gar nicht mehr erinnern konnte. Wenn ich vor diesem Best Of-Album über „Somewhere Far Beyond“, das Album, hätte sprechen sollen, dann hätte ich gesagt, das wird in erster Linie durch „The Bard’s Song“ definiert und jetzt ist mir eigentlich klar, daß die Songs da generell extremes Potential hatten und ich das Album irgendwie aufgrund der Tatsache, daß es zwischen so wichtigen Alben wie „Tales From The Twilight World“ und „Imaginations From The Other Side“ gelegen hat, immer so ein bißchen… ja, ignoriert hab’.

Anne: Wäre so ein 25. Geburtstag nicht auch ein guter Anlaß gewesen, noch mal ein Festival zu veranstalten?

Hansi: Ja, wir hatten mit dem Gedanken gespielt. Wir haben auch mit dem Gedanken gespielt vielleicht im Laufe des Jahres ein Jubiläumskonzert zu initiieren. Ob’s dazu kommt, keine Ahnung. Also ein Festival wird’s mit Sicherheit nicht geben, weil - ich leg mich darauf fest - für uns da noch mehr Aufhänger sein müßten um einfach ein möglichst breites Programm zu präsentieren. Meine Idealvorstellung wäre die Realisierung unseres Orchesteralbums dann irgendwann dafür zu nutzen um auch so ein BLIND GUARDIAN-Festival noch mal ins Leben zu rufen.


"Ich finde Stillstand grauenhaft [...]"

Hansi Kürsch begrüßt so ziemlich jede Entwicklung im Metal


Anne: In den 25 Jahren hattet ihr ja eigentlich nur einen einzigen Line Up-Wechsel. Damit gehört ihr zu den Bands mit dem stabilsten Line Up. Wie erklärst du dir das?


Hansi: Ja, da kommt alles…da kommt Freundschaft, gesunder Menschenverstand, die gleiche Vision und ein bißchen Glück. Da kommt alles zusammen. Das ist wie mit dem Erfolg selbst auch. Das ist…Erfolg ist teilweise hart erarbeitet, teilweise eine logische Konsequenz aus den Ideen die man hat, aber auch zum großen Teil Glück. Anders ist das mit so ’ner Konstellation, Bandkonstellation auch nicht. Wir mögen uns, wir haben uns immer gemocht und wir haben vielleicht auch ein ganz gutes Händchen dann auch gehabt, als Thomen ausgestiegen ist, daß wir mit Frederik dann praktisch ein unbeschriebenes Blatt in die Band genommen haben, der gut reinpaßt. Wir sind da immer sehr vorsichtig, mit welchen Leuten wir wann wo zusammenarbeiten. Das hat sich eigentlich nie geändert.

Anne: Laut dem Booklet habt ihr jetzt 25 Jahre geübt und wollt jetzt anfangen, ernsthaft Musik zu machen…

Hansi: Ja?

Anne: Ja, das steht da drin (beide lachen). Was plant ihr denn für die Zukunft? Oder, konkreter gefragt, was ist denn der Stand der Dinge beim schon angesprochenen und auch schon ewig angekündigten Orchesterprojekt und habt ihr schon Songs für das neue Album geschrieben?

Hansi: Wir sind schon fleißig dran. Wir sind aber immer noch im Anfangsstadium, was unser nächstes reguläres Album angeht. Wir arbeiten da zur Zeit an drei Nummern, die aber alle noch nicht fertig sind und auch noch nicht spruchreif in Bezug auf die Texte. Beim Orchesterprojekt ist es so, daß wir schon diverse Reisen nach Prag unternommen haben um da Orchesteraufnahmen vorzunehmen. Da sind wir so, was die Instrumentalaufnahmen angeht, auf der Mitte der Strecke. Ich muß das Zeugs allerdings komplett noch irgendwann studiotechnisch einsingen. Lassen wir mal die nächsten 12 bis 24 Monate ins Land gehen und dann werd’ ich glaub’ ich klarer sehen können und klarer sagen können ob unser nächstes Album ein reguläres BLIND GUARDIAN-Album wird oder eben dieses Orchesteralbum. Aber vor Ende 2013, Anfang 2014 braucht man glaub’ ich nicht mit ’nem Album von BLIND GUARDIAN zu rechnen.

Anne: Das hätte ich auch nicht.

Hansi: Gut (lacht)!

Anne: Ihr habt ja sowieso den Vierjahresrhythmus…

Hansi: Ja, wir haben ziemlich genau den Vierjahresrhythmus. Ich würde mich freuen, wenn wir dieses Mal ein bißchen drunter bleiben können, aber ja, es wird nicht so wahnsinnig viel drunter sein, weil wir dann doch jetzt wieder nach Veröffentlichung des Albums mehr oder weniger anderthalb Jahre auf Tour gewesen sind und uns praktisch erst seit drei, vier Monaten ernsthaft Gedanken machen können über neues Material und ’ne Nummer braucht  bei uns ist aufgrund der Konstrukte die wir da immer kreieren auch so sechs bis acht Wochen. Das kann schon mal schneller gehen, aber wie gesagt eigentlich nach spätestens zwei Monaten können wir ’ne Nummer abhaken, was dann bedeutet, für 10 Nummern brauchen wir ungefähr 20 Monate.

Anne: Besteht bei dem engen Zeitplan überhaupt noch Hoffnung, daß es irgendwann mal noch ein drittes DEMONS & WIZARDS-Album geben wird?

Hansi: Ja, Jon [Schaffer, Mainman von ICED EARTH] und ich, wir haben uns in der letzten Zeit ein paar mal getroffen und DEMONS & WIZARDS ist immer Thema, weil uns beiden das auch extrem am Herzen liegt. Aber auch Jon ist terminplanmäßig sehr eingespannt. Wir haben jetzt mal grob ins Auge gefaßt, mit dem Songwriting zu beginnen. Die ursprüngliche Idee war, daß wir uns komplett zusammen setzen würden fürs Songwriting, weil da in der Regel immer die besten Songs entstanden sind. Ob wir das komplett so machen müssen oder wollen, ja, wird sich in Zukunft erweisen. Ich würd’ mal denken, auch da kann man in den nächsten drei Jahren mit einem Album rechnen.

Anne: Im Booklet zu der Best Of bezeichnet ihr euch ja scherzhaft als „Godfathers des Pagan Metal“ (Hansi lacht), gemeinsam mit SKYCLAD. Und die spielen ja jetzt sogar auf ’nem Pagan Festival…

Hansi: Die sind auch glaub’ ich noch ein bißchen mehr in der Szene drin als wir…

Anne: Ja, wie steht ihr denn generell – also ernsthaft jetzt - zur Pagan oder Folk Metal-Szene?

Hansi: Gut. Naja, super. Also, das ist eine schöne Entwicklung. Ich mag jede Entwicklung. Ich finde Stillstand grauenhaft und wenn sich Sachen so herauskristallisieren wie ’ne Pagan Metal-Richtung… Ich mag Viking Metal, ich mag Death Metal, alles super. Soll so bleiben. Solange sich die Sachen echt so befruchten – top!

Anne: Werdet ihr eigentlich jemals einen festen Bassisten oder einen festen Keyboarder im Line Up haben?

Hansi: Glaub’ ich nicht. Das würde mich schwer wundern. Weil das für uns an und für sich  zu kompliziert wäre. ’Ne Person fünf und sechs so eng ins Gefüge mit rein zu nehmen. Die Leute, mit denen wir arbeiten, die bleiben ja auch in der Regel über Jahre dabei und sind auch fest integriert in die BLIND GUARDIAN-Familie, sprich, wenn wir auf Tour gehen, oder bei Albumaufnahmen dieses Instrument benötigen, werden die in der Regel auch von uns gebucht, aber was jetzt die Entscheidungsfindung an sich angeht, fände ich es extrem schlimm, wenn da noch ’ne Person fünf und sechs auf einmal auch was zu sagen hätten.

interview_blindguardian_20120213_04Anne: Jetzt hab’ ich mal noch ‚ne Frage, die paßt nicht so ganz zum Thema: Bis zur „Nightfall In Middle-Earth“ hattet ihr ja auf fast jedem oder auf jedem Album einen Song mit Tolkienbezug und seitdem glaube ich gar keinen mehr. Ist das Thema für euch ausgereizt?

Hansi: Ja, ich mein auf der „Follow [The Blind]“ und auf der „Imaginations [From The Other Side]“ war auch nix drauf. Da taucht zwar der Name Frodo auf, aber „Imaginations“ würde ich jetzt nicht als tolkienrelevanten Song sehen. Ähm…nö, ist nicht ausgelutscht. Ich bewahr’ mir das für den richtigen Moment und ich muß einfach auch musikalisch die Handschrift spüren. Im Grunde ist es immer so, daß die Musik irgendwie die Richtung vorgibt und wenn die bei mir nicht ganz klar so definiert ist, daß ich das mit Tolkien in Verbindung bringe, dann stellt sich für mich die Frage gar nicht. Dann würd’ ich gar nicht erst da in der Richtung irgendwas suchen.

Anne: Könntet ihr euch vorstellen, noch mal mit ICED EARTH zu touren?

Hansi: Auf jeden Fall, ja.

Anne: Die Tour hat ja in diesem Jahr 20jähriges Jubiläum, das würde sich ja auch anbieten…

Hansi: (lacht) Ja, hätte sich angeboten. Die Jungs sind jetzt in Amerika unterwegs, wir spielen demnächst auch wieder ein paar Festivals und sind in Südamerika unterwegs und müssen und wollen uns dann aber ab dem Sommer auch wirklich auf neue Sachen komplett konzentrieren. Wenn alles glatt läuft fangen wir ’ne erste Produktionssession im September 2012, also diesen Jahres, an. Wenn das so klappt, dann klatsch ich in die Hände und dann ist da aber leider kein Platz für eine ICED EARTH/BLIND GUARDIAN-Tour. Aber die wird es in Zukunft geben, ich bin mir sicher.

Anne: Das wäre toll! Ja, das war’s soweit von meiner Seite und ich danke dir, daß du dir Zeit für das Interview genommen hast.

Hansi: Ja, danke daß du gewartet hast. Ich war jetzt schon etwas mit schlechtem Gewissen unterwegs und bin froh, daß du noch da warst.

Anne: Ach, ich komm grad so drüber weg…

Hansi (lachend): Das ist gut…Dann würd’ ich sagen, bis irgendwann on the road. Hau rein!

Anne: Ja, genau! Du auch!

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