Interview mit Tobi (KJU:)

kju.jpgKJU: aus Hannover haben mit „Neon Lights Carve Shadows“ ihr viertes Album veröffentlicht. Im Rahmen der Veröffentlichung nahm sich Sänger Tobi die Zeit für ein ausführliches und sehr informatives Interview. Auf geht's!

Matthias: Seit Eurem letzten Album sind 3 Jahre vergangen, hängt das auch mit den Veränderungen im Line-Up zusammen oder wolltet ihr Euch einfach Zeit lassen, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen?

Tobi: Sicherlich ein wenig von beidem. Die Veränderungen im Line-Up haben ja auch dazu geführt, dass wir nun seit nunmehr drei Jahren in drei verschiedenen Städten wohnen. Außerdem haben wir die Zeit natürlich genutzt, intensiv an den neuen Songs zu feilen, denn wir hatten für die neue Platte hohe Ansprüche. Sie sollte sowohl von den Songs, als auch vom Sound her eine deutliche Weiterentwicklung darstellen. Ein weiterer Grund war außerdem der
recht lange Aufnahmeprozess über ein gutes halbes Jahr, denn wir haben die Platte diesmal ohne Zeitdruck einspielen wollen. Und als sie dann endlich im Kasten war haben wir zurückgeblickt und erstaunt festgestellt, dass mal ganz schnell drei Jahre rum waren. Insgesamt war es uns dieses Mal nicht wichtig, schnell zu sein. Es ging nur darum, dass wir das Beste rausholen und Freude haben dabei. Dem wurde vom Schreibprozess über die Aufnahmen bis zum Mastering alles untergeordnet, egal wie lange es gedauert hat.

Matthias: „Neon Lights Carve Shadows“ handelt in den Texten von einer Nacht in der Großstadt. Muss man das Album als Konzeptalbum verstehen oder stehen die einzelnen Songs für sich?

Tobi: Das Album folgt diesem Rahmen in jeder Hinsicht, sowohl textlich als auch gestalterisch im Artwork und natürlich besonders musikalisch steht die Nacht in der Stadt im Vordergrund. Man kann da also getrost von Konzeptalbum sprechen. Allerdings kann jeder Song auch für sich allein stehen, funktioniert also auch ohne den Kontext des gesamten Albums. Die Texte bauen auch nicht aufeinander auf, man muss nicht Song 1 bis 11 hören, um den 12 Song zu verstehen oder ähnliches. Aber natürlich macht das zusammenhängende Hören am meisten Sinn.

Matthias: Eure Musik lässt sich meiner Meinung nach nicht in gängige Schubladen pressen. Stimmst Du mir da zu und wie würdest Du Eure Musik jemandem beschreiben, der noch nie etwas von Euch gehört hat?

Tobi: Wir hören oft, dass man unsere Musik nicht in irgendeine Schublade pressen kann, und fassen das dann eher als Lob auf. Es ist in der Tat nicht so leicht genau zu beschreiben, wie KJU: klingen. Im Grunde kann man das Rock nennen und dann mit dem Beschreiben aufhören. Oder aber, das andere Extrem, irgendwelche (Sub)-Genres und dazugehörige Bands aufzählen, die dann allerdings oftmals gar nicht hörbar sind in unserem Sound, sondern eben nur da waren als Inspirationsquelle. Letztendlich geht es uns darum, Musik zu machen, die für uns selbst spannend bleibt und Freude beim Schreiben und Spielen macht - ohne immer und unter allen Umständen unverwechselbar sein zu müssen. Wir haben dabei aber dieses Mal wieder etwas besser begriffen, wie wir unsere Ideen und Einflüsse so kombinieren können, dass noch stärker etwas 'Eigenes' daraus wird. Ich glaube, dass das schon immer da war. Und wir es nur über die Jahre besser hinbekommen haben, das auch deutlich hörbar rauszuarbeiten. Wie das dann am Ende heißt, ist uns mittlerweile und glücklicherweise auch egal geworden.

Matthias: Mit „Neon Lights Carve Shadows“ veröffentlicht Ihr Euer bereits viertes Album. Könnt Ihr mittlerweile von der Musik leben oder geht Ihr weiterhin Euren Jobs nach, und wenn ja welche sind das?

Tobi: Viele Leute denken ja immer, dass man nach mehreren Veröffentlichungen von der Musik leben kann. Davon sind wir aber natürlich weit entfernt. Wir gehen alle unseren Jobs nach, teilweise als Selbstständige und teilweise angestellt, wir müssen uns die Freiräume für die Musik neben dem ganz normalen Dayjob also im wahrsten Sinne des Wortes erarbeiten. Das ist, besonders je älter wir werden, aber eigentlich auch ganz gut so. Auch wenn wahrscheinlich jeder Musiker hin und wieder davon träumt, nichts anderes außer Musik machen zu müssen, sind uns zuallererst andere Dinge wichtig, am Ende auch wichtiger als eine mögliche Karriere oder das vermeintliche, dicke Geld. Es geht um die Idee für einen Song oder aber ein Album wie „Neon Lights Carve Shadows“, um das Schreiben, proben, aufnehmen, daran arbeiten, um die Sache selbst. Dann kommt ja erst irgendwann mal das live spielen dazu und der Kram, der sonst noch dran hängt. Nicht, dass das schlechte Dinge wären, die nach der Fertigstellung der Songs bzw. einer Platte kommen, ganz im Gegenteil. Aber sie sind nicht mehr integraler Teil des künstlerischen Prozesses, finden irgendwie in der Peripherie statt.

Matthias: Für das Mastering des Albums habt ihr Troy Glessner aus Seattle hinzugezogen. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?

Tobi: Unser Freund und Produzent Alex Sickel ist in diesem Bereich sehr umtriebig und immer auf dem neuesten Stand. Als wir dann zum Ende der Recording Sessions überlegt haben, wie wir das Mastering angehen wollen, kam von ihm der Vorschlag mit Troy. Alex hat uns einige Sachen die Troy gemastert hat vorgespielt und fand, dass sein Sound am besten zu uns und der Aufnahme passen würde. Wir haben dann noch andere, geografisch etwas nahe liegendere Möglichkeiten, abgeklopft, so dass wir am Ende verschiedene Test-Master vorliegen hatten. Und dann wurde Blind-Date-mäßig reingehört. Die einhellige Meinung der Band, von Alex und auch unserem Label war, dass Troy das Beste Master abgeliefert hatte, daher fiel die Entscheidung leicht.

Matthias: Da wir gerade bei Seattle sind. Gibt es Bands aus dieser Stadt, die Euch beeinflusst haben?

Tobi: Natürlich gib es etliche Bands aus dieser Stadt, die wir sehr wertschätzen. Falls Du auf den klassischen Seattle-Sound á la Nirvana oder Pearl Jam anspielst, der hatte sicher zum Teil maßgeblichen Einfluss auf die musikalische „Sozialisierung“ des Einen oder Anderen KJU: Mitgliedes, kommt man ja als Kind der 90er kaum dran vorbei. Aber weder dieser Sound noch die Bands hatten einen direkten Einfluss auf die Band oder gar auf die Platte.

Matthias: Schreibt Ihr Eure Songs zusammen oder arbeitet jeder im „stillen Kämmerlein“ an seinen Parts?

Tobi: Auf dem Vorgängeralbum sind vereinzelt Songs aus nur einer Feder gekommen und dabei haben wir gemerkt, dass dieser Ansatz viel Gutes mit sich bringt, gerade wenn es um die Details im Arrangement geht und um den Zusammenhang von Musik und Text, da kann man allein manchmal tiefer und gezielter rangehen als im Bandkontext. Diese Erfahrungen - kombiniert mit dem Umstand, dass sich die Band über mehrere Städte verteilt hat - haben dazu geführt, dass wir die Arbeit an "Neon Lights..." grundsätzlich anders angegangen sind. Wir haben das Material für die Platte dieses Mal zu zweit geschrieben, so dass wir vielleicht etwas "analytischer" an das Songwriting rangegangen sind als vorher, früher entstanden die Songs hauptsächlich beim gemeinsamen Jammen im Proberaum.

Matthias: Wo kann man KJU: live sehen und werdet Ihr das Album im Rahmen einer Tour promoten?

Tobi: Wir können auf Grund unserer Verpflichtungen zwar nicht mehr so intensiv unterwegs sein wie früher, aber für die zweite Jahreshälfte stehen noch einige Termine an, zu finden dann immer aktuell auf unserer Webpage oder bei Facebook bzw. MySpace.

Matthias: Auf Eurer MySpace Seite hattet Ihr Eure Fans dazu aufgerufen Euch Fotos Ihrer Stadt zuzusenden, die Ihr im Inlay von „Neon Lights Carve Shadows“ veröffentlichen wolltet. Wie war die Resonanz auf diese Aktion und wessen Idee war es?

Tobi: Die Idee entstand, direkt nachdem die inhaltliche Idee für das Album klar war, alles insgesamt beim bzw. kurz vor dem Betexten des neuen Materials. Da ich gerade durch einen Umzug in einer neuen Stadt angekommen war, hat sich das Thema so ergeben und beim Überlegen wie und was man so drumherum alles machen kann, kam dann die Idee zur Einbindung anderer Menschen außerhalb der Band. Die ganze Aktion hat wirklich viel Spaß gemacht, die Resonanz war super und das sieht man dem Ergebnis auch an. Das Booklet ist voll von wirklich schönen Bildern mit einer ganzen Reihe von typischen und teilweise auch ganz untypischen Eindrücken aus der Nacht in der Stadt.

Matthias: Wie sieht für Dich denn eine typische Nacht in der Großstadt aus?

Tobi: So unterschiedlich wie die Städte und Gelegenheiten würde ich sagen. Letzte Woche haben wir in Berlin auf der unclesally‘s Party gespielt und danach noch mit einer ganzen Reihe von Freunden im Hof des Magnet Clubs gefeiert, ne total warme und schöne Sommernacht. Und als es dann über die Oberbaumbrücke zurück nach Hause ging, ging gerade die Sonne über Berlin auf, das sah wirklich schön aus. Das war zwar eher eine untypische, aber eben doch sehr schöne Nacht in der Stadt.

Matthias: Hannover ist ja momentan durch Lena und Christian Wulff in aller Munde, macht Dich so etwas stolz oder interessiert Dich das eher weniger?

Tobi: Wenn man aus Hannover kommt, hat man ja bei der Frage nach der Herkunft selten was zu lachen. Deshalb bleiben viele Hannoveraner immer kleine Lokalpatrioten. So ist das bei mir, ich glaube bei den anderen Hannoveranern in der Band ist es genau so. Wir sind und bleiben deshalb auch immer 96er und verteidigen Hannover auch gern, wenn die Stadt mal wieder als die mieseste Adresse der Republik dargestellt wird. Dass man deswegen allerdings jeden Hannoveraner zwingend super findet, ganz egal was er so verzapft, kann ich an dieser Stelle getrost entkräften.

Matthias: Welcher Mannschaft außer Deutschland hättest Du den WM-Titel gegönnt?

Tobi: Einer ganzen Reihe von Teams, besonders denjenigen, die noch keinen Titel haben. Deswegen ist das Finale mit der Besetzung auch ne gute Sache. Es gibt auf jeden Fall einen neuen Weltmeister, das ist ganz schön find ich.

Matthias: Was war das erste Album, dass Du Dir gekauft hast und was das Letzte?

Tobi: Oh Mann, das sind immer die fiesen Dinger. Na gut, die „Horrorshow...“ von den HOSEN. Ich glaub ich war 10 Jahre alt. Vor allen Dingen „Alex“ hab ich damals rauf und runter gehört. Immer schön zurückspulen, hatte ich nur als Kaufkassette das Ding. War dann in der Folge aber auch die erste echte musikalische Enttäuschung, diese Band. Zuletzt gabs „White Crosses“ von AGAINST ME!. Toll. Mit jeder Platte besser, auch wenn das die alten Fans nicht hören wollen. Glücklicherweise gibts genug neue.

Matthias: Hast Du ein Lieblingsalbum, eine Lieblingsband? Und  gibt es ein bekanntes Album, auf dem Du gerne mitgewirkt hättest?

Tobi: Gibt es so was wirklich? EIN Album oder EINE Band? Es gibt eine ganze Reihe von tollen Bands und Platten, manchmal fast zu viele für mich, das kann ja fast anstrengend werden wenn man merkt, dass da schon wieder ne tolle Platte ist. Die sich dann vielleicht noch nicht gleich erschließt und mit der man sich dann erstmal wieder auseinander setzen will. Und in der Schlange warten dann noch ganz viele andere Platten, nicht nur aktuelle sondern auch alte Sachen, die man früher verpasst hat. Zu viel gute Musik für eine eindeutige Entscheidung also. Zum Mitwirken: Klaus Voormann hat mal auf der Typo Berlin von den Aufnahme-Sessions zu „Sgt. Pepper‘s...“ erzählt. Das hat sich alles ganz spannend angehört. Mitmachen hätte ich da zwar nicht wollen (oder können),
aber zugucken wäre vielleicht was gewesen.

Matthias: Mit welcher Band würdest Du gerne einmal die Bühne teilen?

Tobi: Das ist einfach: mit STEVE FROM ENGLAND. Aber das wird nie passieren, die Jungs sind einfach zu tough für KJU:.

Matthias: Kommen wir einmal zu Eurem Bandnamen. Hat KJU: eigentlich eine Bedeutung?

Tobi: Mit Bandnamen ist das wie mit den meisten Dingen im Leben, hinterher ist man schlauer. Dass der Name dem einen oder anderen Rätsel aufgeben oder sogar Ausspracheprobleme bereiten könnte, daran haben wir damals nicht gedacht. Verstehe ich auch bis heute noch nicht so richtig...aber die Vergangenheit hat uns da eben eines Besseren belehrt. Im Grunde ist der Name nichts anderes als die Lautschrift des Buchstaben Q. Auf Englisch.
Zur Bedeutung ist zu sagen, dass wir uns mit dem Namen nicht in eine Ecke stellen wollten. Wenn Du Dich “METALLICA” nennst, dürfte jedem auf Anhieb klar sein, wohin die Reise geht. Nicht dass das immer schlecht wäre. Aber da wir uns musikalisch nicht auf eine Schublade oder ein Genre beschränken wollten und diesen Weg auch bis heute verfolgen, haben wir einen stilistisch maximal neutralen Namen gesucht. Und auch gefunden. Dass den dann keiner ohne Hilfestellung aussprechen kann...irgendwas ist halt immer.

Matthias: In welchem Land würdest Du gerne einmal spielen?

Tobi: In Ungarn. Und in Polen endlich mal. Der Osten, das waren für uns bisher Tschechien und die Slowakei, hat immer sehr viel Spaß gemacht. Die Leute sind sehr unprätentiös und offen, sehr freundlich und unkompliziert. Wir haben da einige größere Festivals gespielt, sowohl im Sommer als auch im Winter. Und das war immer toll. Deshalb wäre eine „Osterweiterung“ in Sachen Tour ne schöne Sache. Und in Japan vielleicht. Ich war letztes Jahr das erste Mal in Tokyo und es war wirklich irre. Das wäre bestimmt auch ne spannende Reise als Band.

Matthias: Damit sind wir auch schon fast am Ende. Mich würde jetzt noch interessieren, wo Du KJU: in 5 Jahren siehst?

Tobi: Wenn KJU: in fünf Jahren noch genau da ist, wo die Band heute ist, ist alles gut. Wenn wir irgendwo anders sind, hoffe ich, dass wir nach wie vor Spaß an der Band und Freude mit unserer Musik haben. Wenn das irgendwann auf dem Weg nicht mehr so ist, werden wir KJU: in fünf Jahren nur noch auf Fotos und alten Videotapes sehen. Das wäre aber auch okay, so lange die anderen Jungs dann mit auf dem Sofa sitzen.

Matthias: Wie bei unserem Magazin so üblich, darfst Du jetzt noch loswerden, was unsere Leser unbedingt noch wissen müssen!

Tobi: Essigreiniger nie in warmes Wasser geben: säurehaltige Reiniger nur in kaltem Wasser lösen, dann werden Edelstahl und Chrom besonders schön.

Matthias: Vielen Dank Tobi und viele Grüße.

Tobi: Vielen Dank Dir! Alles Gute weiterhin.

(Matthias)
Kategorie: Interviews