robin_snow.jpgLuxemburg-City, 20.05.2009, 19 Uhr. Ein warmer Frühlingstag neigt sich seinem Ende zu und Mr. Brix wartet vor den Toren des Ateliers auf seinen Interview-Partner Robin Proper-Sheppard, seines Zeichens Sänger und Kopf von SOPHIA, einer der besten Bands auf diesem Planeten.
Ein wenig aufgeregt, aber dennoch voller Vorfreude will ich den genialen und bemerkenswerten Frontmann nach seinem Dinnergang abfangen und das für 19.30 Uhr angesetzte Interview klar machen.
Leider warte ich umsonst: Der sympathische Sänger versetzt mich doch tatsächlich - aber nach ein paar klärenden Gesprächen und einer Entschuldigung des Maestros verschieben wir das Interview auf einen Zeitpunkt nach dem Konzert - welches im Übrigen mehr als fantastisch war und hier nachzulesen ist.

So finden wir uns nach Robin´s getaner Fan-Arbeit am Merchandise-Stand nach dem Konzert auch im gemütlichen Backstage-Raum des Ateliers´ ein und pflanzen uns mitten in die hektische Betriebsamkeit abbauender Musiker und Stagehands.
Auch wenn es mittlerweile nach Mitternacht ist und Robin einen intensiven Gig hinter sich hat, ist er nach wie vor in bester Laune und erwartet neugierig meine Fragen.

Brix: Dann starten wir doch einfach mal! Du musst wissen, daß es für mich persönlich eine große Freude ist, dich treffen und mit dir abseits des Trubels in Ruhe plaudern zu können. SOPHIA sind für mich eine Band, deren Musik und Texte mich stets sehr tief berühren. Ich komme zwar eher aus dem metallischeren Lager und schreibe für ein Metal-Magazin, aber das spielt ja an sich keine Rolle - Gute Musik ist gute Musik und deshalb denke ich, daß unsere Leser mehr über SOPHIA erfahren sollten! Dies vorab.

Nach dem Erscheinen der neuen Scheibe "There Are No Goodbyes" bist du nun mittlerweile ein paar Wochen auf Tour...wie sind deine Eindrücke bisher? live_20090520_0209.jpg

Robin (holt tief Luft und beginnt wie ein Wasserfall zu reden): Also ich hatte schon den Eindruck, daß auch das neue Material ziemlich gut ankam. Um ehrlich zu sein, hatte ich keinerlei Ahnung, wie die Leute auf das neue Album reagieren würden, als ich es fertig gestellt habe. Denn für mich ist es ein Album geworden, das mir sehr schwer fällt, anzuhören. Natürlich kommen die Leute nun auf mich zu und sagen: "Ach Robin, so düster ist das Album doch gar nicht geraten, wie du vorausgesagt hast!"
Aber für mich ist SOPHIA immer düster. Mein Leben war während der Aufnahmen so dunkel. Deshalb konnte ich an diesem persönlichen Eindruck nichts ändern, daß es so düster für mich erschien. Wenn ich Songs wie "Leaving" oder "Heartache" höre zum Beispiel. Sogar "Portugal" ist für mich auf dieser Ebene, denn ich kenne mein Leben, das hinter diesem Song steht. Weisst du, die Leute hören die Musik, die Melodien und den Text und für sie ergibt sich eine bestimmte Vorstellung über mein Leben dahinter, aber die Realität sah halt anders aus - für mich war zu diesem Zeitpunkt einfach nur alles schwarz, schwarz, schwarz. Deshalb konnte ich einfach nicht Positives an der Scheibe erkennen. Deshalb bin ich mir immer noch im Ungewissen, wie ich darüber denken soll. Ich musste mit dieser Platte einfach nur das zu verwirklichen, was ich fühlte. Ohne mir irgendwelche anderen Gedanken zu machen. Das hatte ich nicht immer so gemacht...da achtete ich mehr auf musikalische Dinge und machte mir Gedanken, - dieses mal waren solche Dinge völlig aussen vor! Ich ging bewusst das Risiko ein, daß die Fans das Album nicht mögen könnten.
Es gab für mich keine andere Möglichkeit, als die Dinge so anzugehen, da ich zuvor in meinem ganzen Leben noch nie eine solche Situation durchleben musste.


"Für mich war zu diesem Zeitpunkt einfach nur alles schwarz, schwarz, schwarz!"

Schwere Zeiten im Hause Proper-Sheppard 

Brix: Nun, die Reviews, die ich zu "There Are No Goodbyes" gelesen habe, waren durchweg positiv!

Robin: Ja, das ist sicherlich sehr gut und freut mich umso mehr! Da ich mir so unsicher war, habe ich auch kaum Reviews nachgelesen...nur Eines, das in einem deutschen Magazin veröffentlicht wurde. Hinterher trat ich in Kontakt mit der Journalistin und sie schrieb mir, daß ihr die CD in ihrer derzeitigen Situation eine Menge bedeutete.
Das ist genau das, worauf ich hinaus wollte! Es ist ja so, daß die Medien mittlerweile solch einen großen Einfluss ausüben, daß dies immer das Erste ist, was uns erreicht, noch vor den Reaktionen der Fans. Und da war es für mich so großartig, daß diese Person mit mir auch auf dem persönlichen Level auf einer Höhe war - wir redeten dann auch über unsere jeweiligen Leben; und ich denke, darum geht es letztendlich für mich. 

Brix: Hm, weißt du, mir geht es da ähnlich - heute Abend war zum Beispiel auch meine Ex-Freundin auf dem Konzert.  Die neue CD habe ich mir auf meine Arbeitsstelle schicken lassen und sie kam genau einen Tag nach unserer Trennung an - ich stürmte ins Büro, las als erstes die Texte und dachte mir: "Verdammt, das kann doch nicht wahr sein! Es trifft so vieles davon auch auf mich zu!"
Und so war es auch heute nicht einfach, mit den "zutreffenden" neuen Songs mit ihr in einem Raum zu sein. Natürlich haben wir miteinander geredet usw. aber während des Gigs musste ich mich schon von ihr distanzieren - sonst hätte ich wohl jetzt noch wässrige Augen... 

goodbyes160index.jpgRobin (mit funkelnden Augen) : Und das ist genau das, was ich so schätze: So beschäftigt, wie ich bin, kann ich sehr oft nur dann wirklich mal mit Leuten reden, wenn ich, wie in deinem Fall nun, ein Interview gebe. Aber manchmal habe ich den Eindruck, daß die Journalisten dies nur tun, weil sie dafür bezahlt werden - letztens hatte ich beispielsweise ein Interview mit einem Typen in Berlin, indem ich den Interviewer fast angeschrien hätte!
Wir hatten eine halbe Stunde Zeit zum Reden und haben in dieser Zeit kein einziges Wort über das "Leben" geführt! Hier in diesem Fall ist das zum Glück anders: Wir reden über mein Leben, über Deines...das ist für mich ein Interview! Ich hätte auch sehr gerne mehr Gelegenheiten mit den Fans über solche Dinge zu plaudern, aber leider habe ich hierzu zu wenig Zeit.
Es ging mir ja nicht um das Interview an sich, sondern eher darum, daß die neue CD im Ganzen mein derzeitiges Leben darstellt, und nicht nur die Musik, die dahintersteht.
Das Schwere für mich beim Komponieren war, daß man normalerweise als Musiker über Dinge schreibt, die in der Vergangenheit liegen. Bist du Musiker? Ich weiß, daß du als DJ arbeitest, aber kannst du ein Instrument spielen?

Brix: Nein, leider nicht -  mein musikalisches Können beschränkt sich auf´s Auflegen.

Robin: Ja, nicht weiter schlimm. Aber zurück zum Thema Komponieren und Vergangenheit: Man schreibt halt über Dinge, die zurück liegen, seien es zwei Wochen, sechs Monate oder Jahre - da hat man dann auch einiges schon verarbeitet.
Und der Unterschied bei "TANG" war einfach, daß diese Lieder alle genau in diesem Moment geschehen sind! Zum Beispiel war die letzte Zeile, die ich für das Album geschrieben habe, war für "Heartache" (zitiert) "And I guess I should know by now, that nothing ever lasts - all that´s left is our sorries and regrets". Dies habe ich fünf Stunden, bevor ich den Entwurf an CITY SLANG (Anm.d.Red. Label SOPHIA´s) gesendet habe, geschrieben und eingespielt.
Zwei Wochen später war ich schon wieder auf Tour und selbst da war die Beziehung immer noch so allgegenwärtig und ein Teil meines Lebens... das war wirklich hart für mich, dann eine Zeile wie "I thought you were a Fighter, but in the End I think you lost your Faith in me" (vom Song "Leaving") zu singen...denn das sind die Dinge, die durch deinen Kopf gehen, wenn dich die Liebe deines Lebens verlässt..und ja...ich weiß ja auch nicht.. (lacht verlegen)

Brix: Ja, ich kann das schon nachvollziehen. SOPHIA habe ich nun bereits öfter live gesehen, aber die beste Show war bisher die im Saarbrücker "Roxy" vor zwei Jahren. Ich vermute, daran kannst du dich auch noch erinnern? 

Robin (begeistert): Ohja! Natürlich! Ich hätte mich jetzt nicht mehr an den Namen der Location erinnert, aber richtig, "Roxy" hiess sie. Das war auf der damaligen Tour unser letzer Gig in Deutschland. 

Brix: Ja, das Roxy war ein wenig kleiner und die Stimmung "intimer" als heute hier...

Robin: Ja, aber dennoch waren die Fans sehr gut in Stimmung!robin.jpg

Brix: ...und vor allem in den richtigen Momenten wieder leise! Ich erinner mich an den Gig an gleicher Stelle wie heut fünf Jahre zuvor, wo es wirklich furchtbar laut im Publikum war - ständig gab es Getuschel und Gemurmel, obwohl du die Leute mehrfach drauf hingeweisen hast, bitte leise zu sein.

Robin: Stimmt, das war mal hier...aber da waren auch noch einige Leute mehr da als heute, kann das sein? Aber in diesem Fall ist mir sogar lieber, vor kleinerem, aber fokussierterem Publikum zu spielen. Natürlich will man immer vor einer größeren Menschenmenge spielen, aber wenn ich da beispielsweise an die "People Are Like Seasons"-Tour denke, da gab es eine Show in Heidelberg oder Frankfurt mit dieser Gruppe von vielleicht gerade mal 18-jährigen Mädels. Die standen da zu fünfzehnt in erster Reihe und hatten diese Leuchtarmbänder an, waren ständig am Schwatzen und johlten und jubelten herum. Das wurde dann noch schlimmer, als wir "Oh My Love" spielten. Und kaum hatten wir den Song fertig gespielt, ich hatte die Augen geschlossen und spielte den letzten Akkord, und als ich sie wieder öffnete, sah ich nur noch die Hinterköpfe der Mädels und wie sie sich von der Bühne weg entfernten! Das kam mir vor wie eine Geburtstagsparty oder so...die kamen tatsächlich nur wegen dem "Hit" "Oh My Love" und verzogen sich dann wieder! Das passiert halt, wenn ein Song mehr oder weniger gehypt wird. Deshalb spiele ich viel lieber vor einem kleineren Publikum mit Leuten, die wirklich etwas für SOPHIA empfinden, als welche, die mir dann erzählen, daß sie gerade mal die Singles wie "Pace" kennen.


"Da gab es eine Show in Heidelberg oder Frankfurt mit dieser Gruppe von vielleicht gerade mal 18-jährigen Mädels. Die standen da zu fünfzehnt in erster Reihe und hatten diese Leuchtarmbänder an, waren ständig am Schwatzen und johlten und jubelten herum"

Kindergeburtstag bei SOPHIA? Nein, eher die Kehrseite einer Radio-Single...


Brix: Dementsprechend angepisst warst du wohl damals hier auch, als du nach "The River Song" deine Gitarre voll aufgedreht hast und ihr "If A Change Is Gonna Come" in ohrenbetäubender Lautstärke gespielt habt...

Robin: Stimmt, zu so etwas kann es schon mal kommen. Aber mittlerweile macht mich so etwas schon nicht mehr so an. Jetzt lache ich lieber mehr auf der Bühne. Sie (zeigt auf Astrid Williamson, die inzwischen auf der Couch nebenan die Beine hochgelegt hat) bringt mich zum Beispiel zum Lachen.

Brix: Ja, das konnte man vorhin deutlich sehen!

Robin: ...aber genauso bringt sie mich gleichzeitig zum Durchdrehen (lacht).

Brix: Hehe. Sind Live-Gigs für dich eigentlich so etwas wie eine Art "Katharsis"? Gewissermassen durchlebst du fast jeden Abend deine kleinen Dramen auf´s Neue und offenbarst dein fragiles Gefühlsleben fast schon exhibitionistisch. 

Robin: Nun, das ist immer unterschiedlich. Wenn du die Songs schreibst, hat das auch schon so eine katharsische Wirkung.  Manchmal reicht es schon, über diese Dinge zu schreiben und sie dadurch auszudrücken und aufzuarbeiten. Das ist derzeit mit den Songs gerade vom neuen Album irgendwie anders: Ich durchwandle gerade so eine düstere Periode in meinem Leben und kann einige Songs irgendwie gar nicht mehr so richtig nachvollziehen.
Nehmen wir beispielsweise den Song "Something", den ich mit Astrid aufgenommen habe: Den Text, den ich ursprünglich dafür geschrieben habe, ließ mich Astrid so nicht einsingen! Wir waren ja auch längere Zeit zusammen und ich habe schon einige Songs über sie auf "People Are Like Seasons" und "Technology Won´t Save Us" geschrieben, aber hier meinte sie, daß ich zu streng mit mir selbst umgehen würde - ich mein, ich bin ein mieser Bastard, wirklich! (Astrid aus dem Hintergrund: "Nein, das bist du nicht!"). Oh doch! Und so wirst du mich in nächster Zeit bestimmt noch öfter nennen! (lacht)
Aber genauso habe ich auch meine guten Seiten - daran erinnert mich dann dieser Song. Ich bin ohnehin in meinen Songs immer sehr kritisch mir selbst gegenüber und den Beziehungen, die ich hatte. Aber "Something" erlaubt es mir nicht, schlecht über mich zu denken, sondern zeigt mir letztendlich eher meine positiven Seiten auf. 
Um auf die Frage zurückzukommen: Ist es katharsisch? Ja, das ist es, aber in einer Art und Weise, die ich mir vorher so nie vorgestellt hätte.

Brix: Das ist ja ohnehin die große Stärke von SOPHIA: Du schreibst Songs mit magischer Musik und bedeutungsvollen Texten, die man bei ähnlichen Erfahrungen sehr gut nachvollziehen kann und man wahrhaftig mit dir mitfühlen kann. 

Robin: So wie wohl in deinem Beispiel, als du die CD einen Tag nach der Trennung bekommen hast. Ich weiß auch nicht, warum ansonsten scheinbar niemand solche Musik erschaffen kann - ich wünsche dir bestimmt nicht, daß du ein gebrochenes Herz hast, aber andererseits bin ich froh darüber, daß ich dann die passende Musik zu deiner Lebenssituation geschrieben habe, wenn du weißt was ich meine. "There Are No Goodbyes" ist sicherlich die Art von Platte, die nicht jeder in seinem Leben ständig gebrauchen kann, aber im Moment bin ich sehr zufrieden damit.
Ich glaube, ich habe bereits eine Menge deiner Fragen mitbeantwortet, nicht wahr? (lacht)


"There Are No Goodbyes" ist sicherlich die Art von Platte, die nicht jeder in seinem Leben ständig gebrauchen kann, aber im Moment bin ich sehr zufrieden damit!"

Ein Resumée à la Robin

 

Brix: Ohja, da muss ich erst mal wieder auf meinem schlauen Zettel suchen..ach ja, den Song "Portugal" wollte ich nochmal aufgreifen: Du sagtest eben, daß er für dich sehr düster und traurig erscheint, aber wie kannst du dies dann in eine solche "schöne" und hoffnunggebende Musik verpacken? 

live_20090520_0211.jpgRobin: Das ist sehr schwer zu erklären. Der Song beschreibt ja eigentlich mein gesamtes Leben; nicht nur die Sache mit den Frauen, sondern auch meine Familie, meinen Beruf usw. Es lief zu diesem Zeitpunkt wirklich alles schief für mich. Und gleichzeitig war mir bewusst, daß sich einiges ändern musste - das grenzte schon an Schizophrenie! Auf der einen Seite war mir bewusst, was ich alles falsch gemacht habe und auf der anderen klopfe ich mir selbst auf die Schulter und denke: "Wird schon alles wieder gut werden". Oder um es mit dem Engelchen und dem Teufelchen auf der Schulter zu sagen: Das Engelchen sagt: "Ach, du bist schon in Ordnung!" und der Teufel hingegen: "Junge, du bist sowas von gar nicht okay!"
Und genau so fühlte ich mich auch. Ich wusste irgendwo, daß alles wieder besser laufen würde, wenn ich mich ändere und mich auf das Wesentliche fokussiere. WARUM ich ein besserer Mensch werden muss, ist eine ganz andere Sache. Aber man weiß, daß etwas passieren muss und das ist immerhin ein Anfang.
Aber wenn du dann inmitten dieser ganzen Probleme sitzt, weißt du genauso, daß dies alles nicht so einfach möglich sein wird - und das ist letztendlich die ganze Ironie an der Depression, nicht wahr? Natürlich kann man in so einem Song nicht immer alle Zusammenhänge und Gefühle erklären. Hier sagten mir zum Beispiel die Leute: "Hey, ein Sommer-Song!" Aber ich muss sagen: Als ich da in Portugal in kurzen Sachen in der Sonne saß, fühlte ich mich wie ein Stück Dreck! Das kann man nicht wirklich einen "Sommer-Song" nennen, oder?

Brix: Könnte man dies auch beim Song "Another Trauma" vom "People Are Like Seasons"-Album so verstehen?

Robin: Volltreffer! Genau das! Ein wirklich prima Vergleich! Diese Verbindung hab ich selbst noch gar nicht hergestellt, sehr gut! (lacht)

(Der Redakteur klopft sich stolzgeschwellt erstmal selbst imaginär auf die Schulter und wird bei der nächsten Frage von Astrid unterbrochen, die zum Bus aufbricht und Robin anweist, am Ende noch einmal zu kontrollieren, ob sie alles mit hat)

Robin: Ja, klar, ich mache dann den "Idiot-Check"! Diesen Ausdruck kennst du nicht? Das bedeutet, daß am Ende, wenn alle aufgebrochen sind, einer den letzten Rundgang macht und schaut, daß wirklich nichts liegen geblieben ist. Und es bleibt IMMER irgendwas liegen, das kann ich dir sagen...aber was war die Frage, die du gerade stellen wolltest?  

Brix: Ja, ein Thema, auf das wir noch gar nicht zu sprechen kamen: Das Artwork der neuen CD! Es zeigt eine leere Wohnung in blassen Farben, ein kompletter Kontrast zum vorherigen Artwork der "Technology"-Scheibe. Dort waren die Farben kraftvoll, aber auch irgendwo bedrohlich.
Was stellt diese leere Wohnung dar? Eher, daß man alleine zurückgelassen wurde oder vielleicht auch ein wenig hoffnungsvoller im Sinne eines neuen Starts in einer neuen Umgebung?

Robin: Also es steht defintiv für Einsamkeit. Weißt du, ich bin mittlerweile vierzig Jahre alt und hatte ein wirklich festes Zuhause, ich war immer am Umherziehen. Aber so langsam hätte ich wirklich gerne einen Ort, an dem ich mich wirklich wie Zuhause fühle, an dem ich dauerhaft bleiben möchte. Aber das wird nicht einfach für mich, da ich so etwas in meinem bisherigen Leben nie kennengelernt habe. Mit der Zeit entsteht ja auch so etwas wie ein vertrauter Geruch deines Zuhauses, und das ist etwas, was ich einfach nur vermisse.
Und das wird in diesen Bildern auch so ausgedrückt - sie zeugen vom Leben, das einmal in diesen Räumen war und das nun einfach weg ist. Die Räume sind noch da, aber das Leben, daß sie erfüllte ist fort. So erging es mir schon zu oft, aber ich bin nie so lange an einem Ort geblieben, um meine Schatten an den Wänden zu hinterlassen. 

Brix: Ok, zurück zum Musikalischen: Mir erscheint es insgesamt, daß du wieder einen Schritt zurück zu den Wurzeln von SOPHIA gegangen bist - es wurde wieder akustischer und zurückgefahrener. Die härteren Rock-Stücke, die auf den letzten Scheiben zu hören waren, fehlen eigentlich ganz. 

Robin: Och, das würde ich so nicht wirklich sagen! Der Titeltrack und "Save Our Last Dance" sind doch ziemlich rockig. Natürlich auf andere Art und Weise, das ist richtig.

Brix: Das hing wohl mit deinen Lebensumständen zusammen, daß du nicht gerade Lust zum harten Rocken hattest... tangpromo3.jpg

Robin: Das ist wohl wahr! Ich habe auch noch ein paar andere Songs mit mehr Gitarren geschrieben, die nicht auf dem Album gelandet sind. Aber textlich repräsentierten sie nicht meine Gefühlslage. "There Are No Goodbyes" hat gewissermassen zwei Ebenen: Die Erste  beschreibt, wie ich die Person verloren hab, die ich so sehr mochte und das Hinnehmen, daß dies ein Teil meines Lebens ist. Das Akzeptieren, daß es so etwas wie "Liebe" gibt, aber halt nicht mehr in meinem Leben.
Und dann platzt diese eine Person wieder zurück in mein Leben und die Hölle bricht aus - das ist der Moment, an dem das Album wirklich startet. Und hierfür hatte ich musikalisch einfach andere Konzepte.
Aber möglicherweise habe ich bald ein neues "Collections" Album am Start, auf der wieder mehr Gitarren enthalten sein werden...aber das sind Dinge, die ich im Moment weder planen noch vorraussehen kann. 

Brix: Steht vielleicht auch irgendwann mal ein neues THE MAY QUEENS-Album ins Haus? 

Robin: Ha! Genau das hat Jeff (Drummer) auch vorgeschlagen! Er sagte: "Robin, du musst mal wieder ein bisschen Spaß haben!". Und wie ginge das besser, als mit einem TMQ-Album? Aber möglich wäre so etwas immer! Einer meiner besten Musiker-Kollegen ist MALCOLM MIDDLETON und mit dem hatte ich um die Weihnachtszeit herum ein übles Gelage...ein weiterer Freund hat italienisch gekocht und wir hatten um die 25 Bier und ich weiß nicht mehr wieviel Weinbuddeln dran glauben mussten. Da kam dann die Schnapsidee zu einer gemeinsamen "Rockband" auf; keine Ahnung, ob wir das je zustande bekommen werden - aber es ist immer in meinem Hinterkopf, einfach nur mal wieder "Lärm" zu machen! 
Das Schwerste daran für mich ist, daß es immer den emotionalen Bezug zu meiner Situation haben muss - daran scheiterte auch immer ein weiteres TMQ-Album, da dies ein reines Spassprojekt war und ich einfach nicht den emotionalen Level dafür hatte. Sofern ich irgendwann mal wieder für einen Monat alles beiseite schieben kann, weiß ich, daß ich wieder dazu fähig sein werde, Spaß an diesem Projekt mit seinen harten und noisigen Songs zu haben.


"Aber es ist immer in meinem Hinterkopf, einfach nur mal wieder "Lärm" zu machen!"

Es spricht der Rocker in Robin

 

Brix: Ich denke, den würdest nicht nur du haben! Jeff zum Beispiel scheint hinter seiner Schiessbude besonders bei den rockigeren SOPHIA-Songs ziemlich viel Spaß zu haben...

Robin: Ja, irgendwo schon - aber er genießt ebenso die anderen Songs mindestens genauso. Er liebt einfach Musik!

Brix: Und welche Musik hört ein Robin Proper-Sheppard, wenn er alleine ist? 

Robin: Also das hat mich auch noch niemand gefragt! Was höre ich, wenn ich alleine bin...um ehrlich zu sein, höre ich derzeit nicht wirklich viel Musik im Privaten, da ich immer sehr damit beschäftigt bin, selbst Musik zu machen und zu produzieren. Aber wenn ich jemanden nennen müsste, dann vielleicht RYAN ADAMS. Er hat da ein paar Songs geschrieben, die mir sehr wichtig sind. Aber noch mehr eigentlich JOSH ROUSE, das ist einer meiner absoluten Lieblings-Songwriter! Obwohl gerade diese "speziellen" Songs von RYAN ADAMS mir mehr als das Gesamtwerk von JOSH bedeuten, auch wenn ich dessen Musik jeden Tag den Rest meines Lebens hören könnte.
Sicherlich bekanntere Lieblinge von mir sind dann NICK CAVE und JOHNNY CASH.
Komischerweise höre ich kaum Rock-Musik - das war sogar schon in den THE GOD MACHINE-Zeiten so! Da waren mir dann THE CURE oder BAUHAUS lieber - aber dennoch kam damals diese riesige Soundwand bei TGM heraus und wir waren trotzdem niemals ein Teil dieser lärmigen Szene damals.
Das hat mir auch nichts weiter ausgemacht,aber dennoch haben uns die Fans von damals wirklich in ihr Herz geschlossen, auch wenn wir die ruhigsten Songs wie "It´s All Over" gespielt haben, gingen auch die toughesten Leute voll mit - deshalb mache ich auch immer wieder gerne meine Späße mit "harten", tättowierten Jungs, die nun alle SOPHIA-Songs mitsingen!
Dazu fällt mir auch eine großartige Story ein: Ich habe mal eine Zeitlang in Brüssel gelebt. Und da war eine Bar, in der ich öfters mal abhing, wenn ich nix besseres zu tun hatte. Da waren dann diese schweren Jungs, über und über mit Tattoos bedeckt. Ich dachte mir nur: "Diese Burschen sind wirklich "Mean Fuckers"!"
Aber sie waren auch Musiker und so kamen wir ins Gespräch. Ich habe halt beschrieben, welche Musik ich so mache und sie haben sich daraufhin nicht wirklich lustig über mich gemacht, aber hatten mir auch keinen Respekt entgegengebracht. Sie gaben mir dann nicht wirklich ernst gemeinte Tipps, wie ich die Dynamiken und Texturen vielleicht ändern könnte, aber ich nickte nur und dachte mir meines dabei. 
Nach rund einer Stunde kamen wir dann darauf zu sprechen, in welcher Band ich eigentlich spielte - ich antwortete natürlich: "SOPHIA". Da wechselte einer der Jungs die Gesichtsfarbe und meinte:
"Bitte,was? Wie heisst deine Band?"
"SOPHIA!"
"No fucking Way! Du machst Witze! Was spielst du denn in der Band?"
"Ich bin der Sänger!"
"Das kann nicht wahr sein! THE GOD MACHINE ist einer meiner absoluten Lieblingsbands aller Zeiten! Eigentlich würde ich das niemals zugeben, aber ich habe mir "It´s All Over" jeden Tag für verschissene sieben Monate lang angehört!"

Das finde ich immer noch so witzig: Komplett tättowierte, harte Jungs, die sich solch einen ruhigen Songs wie "It´s All Over" so oft reinziehen! Deshalb halt immer meine Sprüche über ähnlich geartete Leute im SOPHIA-Publikum!
Ich weiß das echt zu schätzen, daß viele, die damals TGM so verehrt haben, nun auch mit SOPHIA mitgehen; das ist diese große emotionale Verbindung zwischen den Fans und mir. TGM war halt für mich etwas ganz Spezielles, mein ganzes Leben! Mit Ronald und Jimmy lebte ich lange Zeit in einem Raum, der gerade mal so groß wie dieser hier war! Wir hatten gerade mal drei Betten nebeneinander stehen und sonst nur das allernötigste - das ist und bleibt ein so großer Teil meines Lebens und das will ich auch niemals vergessen! 
Auch wenn ich immer Vorwürfe gemacht bekomme, daß ich Leute anmotze, wenn sie TGM-Songs hören wollen: Ich motze einfach jeden an, auch wenn sie SOPHIA-Songtitel hineinrufen - das ist einfach ein Teil meiner Show! Es ist eigentlich nur Spass! 


"Ich dachte mir nur: "Diese Burschen sind wirklich "Mean Fuckers"!"

In so manch rauer Schale steckt dennoch ein weicher Kern...

 

Brix: Schön, daß du von dir aus so über die THE GOD MACHINE-Zeiten plauderst - ich hätte mich ehrlich gesagt nicht gewagt, darüber Fragen zu stellen, da es heisst, daß du sehr empfindlich darauf reagieren würdest...

Robin:  Das komische daran ist, daß ich so etwas nie offiziell gesagt habe! 

(Anm.Brix: Leider werden in diesem Moment die Veranstalter so langsam aber sicher unruhig und wünschen ein Ende des Interviews, um den Backstage-Bereich wieder herrichten zu können)

robinme1.jpgWo waren wir? Ahja: Ich kann dir nicht sagen, woher dieses Gerücht kommt! Ich habe niemals in irgendeiner Weise in einem Interview verlauten lassen, daß ich nicht über TGM sprechen möchte, wirklich niemals! 
Ich werde nie mehr einen TGM-Song live spielen, das ist soweit richtig! Aber das ist alles vorbei - als Jimmy starb, war auch gleichzeitig die Ära TGM für mich beendet.
Vielleicht haben manche Leute das so interpretiert, daß ich auch nicht mehr drüber sprechen möchte. 

Brix: Du hast ja auch so manche TGM-Dinge mit zu SOPHIA übernommen, z.b. "The River Song" oder generell die Bennenung der Titel mit "The ... Song"

Robin: Sicherlich! Aber dennoch hat sich mein Leben zwischen TGM und SOPHIA dramatisch verändert - deshalb gab es eher die Abkehr von den lärmigeren Songs. Natürlich sind da immer noch einige Elemente in mir drin, die ich auch bei TGM verwendet habe, dennoch werde ich sicherlich keinen Song mehr wie "Home" für SOPHIA schreiben. Aber andererseits hat sich SOPHIA quasi aus "In Bad Dreams" entwickelt - von daher...

(Anm.Brix: Erneutes Drängeln der Veranstalter tritt ein und wir müssen an dieser Stelle das Interview beenden - leider blieb dann auch keine Zeit mehr, meine mitgebrachten Booklets und CD´s mit Robin´s Otto zu versehen *Schnief*
Dennoch trat ich den Weg zum Auto mit dem Hochgefühl, diesen tollen Musiker interviewt zu haben, bestens gelaunt an.
Doch auf halber Strecke fiel mir auf, daß ich das Diktiergerät im Backstage-Raum habe liegen lassen - flugs zurück und wieder eingesackt!) 

Ergo: I failed the Idiot Check!Fuss im Mund

 

 

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