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wallsofjericho_candace2.jpgÜber Candace Kucsulain, ihres Zeichens Aushängeschild von WALLS OF JERICHO wird automatisch viel geredet und geschrieben. Sei es aufgrund ihrer Sonderstellung als Frau an der Front einer Hard-/Metalcore-Band mit ihrer explosiven Live-Darbietung oder als Vorbild der weiblichen Core-Fans bzw. sogar als Sexsymbol für die Herren der Schöpfung.

Als der Interview-Termin mit der Band im Rahmen des HELL ON EARTH-Gigs im Saarbrücker Roxy fest stand, rechnete ich nicht wirklich mit Candace herself als Interview-Partnerin. Eigentlich war Gitarrist Chris dafür ursprünglich vorgesehen, verzog sich aber übermüdet in den Tourbus und schickte die Vertretung - nicht die schlechteste Wahl wie ich meine! Lachend
Candace schien gut gelaunt trotz der unerwarteten "Mehrbelastung" vor dem Konzert. Und nach der Suche eines geeigneten und halbwegs ruhigen (von wegen!) Interview-Fleckchens im Producer-Büro im Backstage-Bereich vom Saarbrücker Roxy konnte sie mir Rede und Antwort stehen.

wallsofjericho_candace1.jpgBrix: Okay, legen wir mal los! Wie du dir denken kannst, bin ich sehr froh, gerade dich als Interview-Partnerin zur Verfügung zu haben, danke schon mal für deine Bemühungen!
Wir befinden uns gerade auf der HELL ON EARTH-Tour im Saarbrücken; ihr wart letztes Jahr bereits der Headliner des Packages und ebenso hier in diesem Club. Kannst du dich an diese Show noch erinnern?

Candace: Oh ja! Da kann ich mich sogar sehr gut daran erinnern! Es war im letzten Jahr eine der ersten Shows der Tour und der pure Wahnsinn. Die Kids machten ne große Party mit Stagediving und allem was dazu gehört; das hat mir sehr gefallen. Deshalb freue ich mich auch schon auf nachher und hoffe, daß es heute genau so sein wird! Was meinst du denn?


 

"Da kann ich mich sogar sehr gut daran erinnern! Es war im letzten Jahr eine der ersten Shows der Tour und der pure Wahnsinn." 

Candace hat gute Erinnerungen an Saarbrücken

 

Brix: Darauf kannst du einen lassen! Wie läuft die Tour denn bis hierher? 

Candace: Oh, ganz gut! Es ist ein wenig anders als im letzten Jahr, da wir wieder Bands verschiedener Stilarten dabei haben. Deshalb kommen auch die Kids aus den verschiedenen Lagern und das ergibt dann eine schöne Mischung. Ausgenommen ALL SHALL PERISH, die waren auch beim letzten Mal an Bord. Auch sehr froh bin ich darüber, daß STICK TO YOUR GUNS für die Hardcore-Kids dabei sind; dann gibt es Metal mit CATARACT und so weiter. Einfach eine gute Mischung!

Brix: Mir kommt es sogar vor, daß das Package insgesamt mehr "Metal" ist. Wer stellt denn die Bands zusammen? Habt ihr da ein Mitspracherecht oder läuft das komplett auf "höherer" Business-Ebene ab?

Candace: Du hast recht, dieses Mal ist mehr Metal dabei. Die Auswahl trifft schon zum Großteil die Booking Agentur, die zum Beispiel CATARACT gebucht haben. Wir selbst haben uns THE RED CHORD und STICK TO YOUR GUNS ausgesucht; gerade von Letzteren bin ich selbst ein großer Fan, da sie wirklich hinter ihrer Musik stehen.

(Durch die Stage-Hands vom Roxy werden wir kurz unterbrochen, da die Jungs diverses Werkzeug zusammensuchen. Die Geräusche auf meinem Diktiergerät kann ich gerne demnächst als Samples für ne Industrial-Combo zur Verfügung stellen Zwinkernd )

Brix: Dann laß uns doch mal über euer neues Album "The American Dream" plaudern. WALLS OF JERICHO scheinen meiner Ansicht nach nun auch mehr im Metal angekommen zu sein! Es gibt mehr Thrash-Riffs, mehr Double-Bass und andere typische Merkmale. Ausserdem singst du weitaus tiefer als auf früheren Veröffentlichungen. Wie kam dies zustande? 

wallsofjericho_presse.jpgCandace: Das war teils eine natürliche, teils eine gezwungene Entwicklung. Eigentlich habe ich von Natur aus eher eine tiefere Stimme. So musste ich mir die hohen Schreie vergangener Tage erst aneignen und dafür eine Menge Kraft dafür investieren. Aber auf Dauer wäre das nicht mehr gut gegangen, ich hätte meine Stimme zerstört. So war ich dazu gezwungen, wieder mit der Stimme zu singen, die ich ursprünglich habe und so haben wir es die Growls bei den Aufnahmen ausprobiert und waren über das gute Ergebnis sehr überrascht.

Brix: Ich finde, die Growls hören sich auch sehr gut an! Somit steht "The American Dream" noch mehr als Kontrast zur "Redemption"-EP, die mit seinen halbakustischen und melodischen Tracks besticht. Wie haben die Fans eigentlich dieses Experiment angenommen?

Candace: Nun, wie zu erwarten mochten es die Einen, die Anderen hingegen nicht. Wir haben auch gar nicht erwartet, daß es alle mögen würden. Aber das war uns recht egal, solch ein Projekt wollten wir schon seit 7 oder 8 Jahren angehen. Ich wollte schon immer mal zu sanfterer Musik "richtig singen" und dieses Jahr hat sich die Gelegenheit endlich ergeben und wir haben sie ergriffen.

Brix: Und wie kam der Kontakt zu Corey Taylor (SLIPKNOT, STONE SOUR) zustande? 

Candace: Wir haben ihn 2006 auf der FAMILY VALUES-Tour, wo er mit STONE SOUR unterwegs war, kennen gelernt und kamen näher ins Gespräch. Er mochte unsere Musik und ganz besonders den Track "No saving me" von der "With Devils amongst us all"-Scheibe. Er sagte, wenn wir wieder so etwas planen würden, würde er gerne ein Teil davon sein. 

Brix: Hatte Corey eigentlich Einfluß auf die Songs selbst? Ich meine da ein paar für ihn typische Melodie-Bögen und Arragements erkannt zu haben... 


"Solch ein Projekt wollten wir schon seit 7 oder 8 Jahren angehen. Ich wollte schon immer mal zu sanfterer Musik "richtig singen"

Cadace über die andere Seite von WALLS OF JERICHO

 

Candace: Ja, sicher! Er hat dem Ganzen schon seinen Stempel aufgedrückt! Vor allem in der Produktion hatte er den Einfluss, ganz klar. Die Songs stammen aber alleine von uns.

Brix: Hattet ihr denn daraufhin kein Interesse daran, mit ihm auch für das reguläre Album zu arbeiten? 

Candace: Definitiv! Da haben wir auch drüber gesprochen. Aber das scheiterte am Zeitmangement: Er hat viel zu tun wie wir auch. Das passte zu dem jetzigen Punkt noch nicht. Aber für die Zukunft sind solche Pläne noch lange nicht vom Tisch, man soll niemals "Nie" sagen.

Brix: Wird es denn einmal eine Chance geben, die Songs live zu hören? 

Candace: Darüber haben wir uns natürlich auch schon Gedanken macht. Aber wenn, dann natürlich in einem intimeren Rahmen. In einer regulären Show würde das wohl zu sehr die Energie aus uns und der Meute herausnehmen. Aber auch hier halten wir uns für die Zukunft alle Optionen offen. 

Brix: Ich würd das mehr als begrüssen, denn ich finde die Songs einfach nur sehr geil!

Candace: Ja, natürlich! Diese Aufgabe reizt uns schon! Es wäre wirklich mal etwas komplett anderes, auf die Bühne rauszugehen und die Leute mal nicht anzuschreien und seine andere Seite zu offenbaren (lacht).

walls_of_jericho-theamericandream.jpgBrix: Auf jeden Fall! Aber kommen wir wieder zurück zum aktuellen Output. Beim Review zur Scheibe habe ich schon gemutmasst, daß sich "The new Ministry" bestens als Show-Opener eignen würde. Wird dem so sein?

Candace: Ja, da hast du richtig vermutet. Ein Intro zum Einsteigen fordert direkt die ganze Konzentration und lässt uns sofort auf den Punkt kommen.

Brix: Beim Titeltrack propagierst du nachhaltig "Fuck the American Dream". Was läuft denn in deinen Augen alles falsch in den Staaten, daß ihr es so hervorheben müsst? 

Candace: Nun, derzeit läuft einfach sehr viel verkehrt. Die Debatten drehen sich in der Politik schon länger nur noch im Kreis. Und jetzt haben wir mit Obama jemanden, der dem ein Ende setzen will und eine gewisse Aufbruchstimmung verbreitet. Im Gegensatz zu McClain, der nur das fortführen wird, was Bush in den letzten Jahren verbockt hat.
Was ich lustig finde, ist daß Obama erst nachdem wir den Song geschrieben haben, davon gesprochen hat, den "Neuen Amerikanische Traum" zu kreieren, also genau das, wovon wir in diesem Song reden. Es ist ja nicht so, daß alle Aspekte des "American Dream" schlecht seien.
Leider ist es mittlerweile so, daß du zur Verwirklichung dessen Geld und Macht haben MUSST! Wir hätten lieber, daß die ursprüngliche Idee wieder zurückkehrt und jeder sein Glück mit kleinen Mitteln finden kann.
Wir haben soviel Scheisse allein in unserer Umgebung erlebt: Familienunternehmen gingen nach und nach den Bach herunter, Leute verloren in Scharen ihre Jobs und damit machte sich großes Leid in vielen Teilen breit. Schuld daran ist hauptsächlich das Wirtschaftssystem unseres Präsidenten! Es geht somit in dem Song darum, die alte Idee wieder aufzubauen.
Wir sind ganz gewiss nicht anti-amerikanisch, sondern eher sehr patriotisch eingestellt. Wir glauben an unser Land und daß man daraus etwas weitaus Besseres machen kann, als es zur Zeit ist. 


 

"Leider ist es mittlerweile so, daß du zur Verwirklichung dessen Geld und Macht haben MUSST! Wir hätten lieber, daß die ursprüngliche Idee wieder zurückkehrt und jeder sein Glück mit kleinen Mitteln finden kann."

WALLS OF JERICHO über den "Amerikanischen Traum"

Brix: So weit ich das von hier aus beurteilen kann, bahnt sich eine Zweiklassen-Gesellschaft an! Die Mittelklasse stirbt aus, wird aber immer mehr von den unteren Schichten geschluckt. Das ist natürlich sehr traurig.

Candace: Allerdings! Denn ich zum Beispiel habe immer der Mittelschicht angehört und habe hautnah mitverfolgen müssen, wie alles nach und nach den Bach runter ging.

wallsofjericho_live.jpgBrix: Hoffen wir, das sich bei euch einiges ändern wird! Ein weiterer Song, der mir aufgefallen ist, wäre "Feeding Frenzy". Der Anfang erinnert mich irgendwie an DANKO JONES´ Song "Code of the Road". Zufall?

Candace: DANKO wer? Nie gehört!

Brix: DANKO JONES! Das ist eine kanadische Rock-Formation. Der Beginn klingt tatsächlich fast gleich! Aber vielleicht ist das tatsächlich nut Zufall.

Candace: Verrückte Sache, ja!

Brix: Welche musikalische Einflüsse habt ihr eigentlich generell?

Candace: Ohje, da kommen tonnenweise Einflüsse zusammen! Wir hören innerhalb der Band eigentlich sehr viel verschiedenes Zueg, von Motown über Thrash und Death Metal ist da alles dabei. Aaron beispielsweise ist schon Ende 30 und ist gewissermassen der "Metalhead" in der Band. Aber genauso sind wir mit Hardcore aufgewachsen. Es geht hauptsächlich darum, daß uns die Musik berührt und inspiriert und uns rasend gemacht hat, als wir jung waren. Daraus formen wir dann unseren Stil. 

Brix: Wie du schon sagtest, kommt ihr ursprünglich aus dem Hardcore und habt euch nach und nach dem Metal zugewandt. Wie kam es zu dieser Entwicklung?

Candace: Nun, wir haben schon immer Elemente von beidem in unserem Sound gehabt. Als wir 1998 begannen, waren auch Bands wie HATEBREED noch in den Kinderschuhe, die das Gleiche taten.
Worin ich dir allerdings beipflichten muss, ist die Double-Bass-Geschichte: Das wollten wir immer schon verstärkt in unserem Sound, hatten aber nie die Drummer, die das so machen konnten, wie wir uns das vorstellten. Dustin bekommt das nun prima hin und bei den ersten Proben mit ihm habe ich mir nur gedacht: "Ich liebe es!" So war es nur logisch, daß nach seinem Einstieg diese Elemente verstärkt zu Hören sein würden.

Brix: Was sind denn deine Lieblingstracks auf der Scheibe? 

Candace: Ich mag vor allem "A long Walk home" und "The Hunter", dem Teil der Triologie darüber, wie böse und abgefucked unsere Gesellschaft mittlerweile geworden is. Da geht´s um einen bösen Kerl, der die Schwachen ausbeutet. Und die Gesellschaft schaut einfach weg bei solchen Dingen. Aber das wäre sehr wichtig, dass sie dies eben nicht tut! Denn solche Vorfälle passieren wirklich und man sollte sich davor nicht verschließen, indem man einfach weg schaut und sich keinerlei Gedanke darum macht. Das alles sind keine Geschichten, sondern stehen sogar in den Zeitungen. 

live_20081003_0616.jpgBrix: Gibt es denn Bands, mit denen du schon immer mal spielen wolltest? 

Candace: Natürlich! Eine meiner absoluten Lieblingsbands ist seit längerem schon IN FLAMES! Das wäre mal was. Natürlich haben wir uns schon einige Träume erfüllt: SICK OF IT ALL oder MADBALL haben wir schon supportet, Bands, die man schon als Teenager verehrt hat.
Wir sind wirklich sehr froh, schon mit einigen wirklich guten Bands gespielt zu haben. QUICKSAND würde mir da noch einfallen, die fehlen noch.

Brix: Gibt es die überhaupt noch?

Candace: Ich glaube schon! Irgendwie werden die schon noch aktiv sein. Ah, SUICIDAL TENDENCIES natürlich auch noch. Wir waren mal gemeinsam auf nem Festival-Billing, aber das ist sicherlich nicht das Gleiche wie gemeinsam zu touren. Und hier darf natürlich auch IGNITE nicht fehlen! Das ist eine Band, die mir liebend gerne JEDEN Abend anschauen und dabei mitsingen würde! Das ist genau das, was mich inspiriert, warum ich hier sitze und nachher da raus auf die Bühne gehe!

Brix: Richtig! Ich mag IGNITE auch sehr gerne! Das ist schon ein Phänomen: Die spielen in Saarbrücken quasi alljährlich, haben eine volle Halle und haben 2006 das letzte Album herausgebracht - das ist den Leuten ziemlich egal, die werden immer abgefeiert!
Ausserdem hat die Band eine sehr positive Botschaft, die Zoli (Sänger von IGNITE) gut zu transportieren weiß.


"Zuhause läuft es nicht wirklich rund für uns - da bestimmt den Erfolg, wer gerade hip ist und das kann sich von Tag zu Tag ändern."

So läuft es in den Staaten...leider!

Candace: So ist es! So ergeht es mir mir STICK TO YOUR GUNS, die du dir nachher unbedingt anschauen solltest! Auch sie haben eine positive Message und halten die Dinge so, wie sie im Hardcore sein sollten! Es geht um die Musik, die Szene. Das gefällt mir sehr.
Es ist sehr schade, daß IGNITE mittlerweile in den Staaten quasi tot sind. Umso schöner ist es, daß die Band in Europa solch einen Erfolg hat, das freut mich sehr für sie. Uns ergeht es ebenso: Zuhause läuft es nicht wirklich rund für uns - da bestimmt den Erfolg, wer gerade hip ist und das kann sich von Tag zu Tag ändern. 
Für uns ist das sehr deprimieren: Hier in Europa sieht man, was möglich ist und bekommt die Anerkennung für seine Arbeit. Dann fahren wir nach Hause und dort herrscht tote Hose. Sehr traurig!

Brix: Wo wir gerade am "heimkommen" sind: Wie sind die Pläne nach dieser Tour und der Rückkehr in die USA? 

candace.jpgCandace: Wir haben erst eine kleine Pause und werden dann mit OTEP und ILL NINO auf Tour gehen. Darauf freue ich mich auch schon sehr, denn Otep Shamaya ist eine sehr bemerkenswerte Frau, die sagt und schreibt, was sie denkt. So etwas beeindruckt mich immer sehr.
Danach geht es nach Hause! Ich denke, wir werden sofort an neuen Songs arbeiten...ja, ich weiss, die Scheibe ist gerade erst herausgekommen, aber bei uns gibt es nie Songwriting-Pausen (lacht). Und natürlich sind wir im Sommer wieder hier für die großen Festivals! (Anm. d.Red.: Für das WACKEN und das ROCK AM BACH im Saarland sind WALLS OF JERICHO bereits gebucht,yippieh!).

Brix: Okay, das sind ja schöne Aussichten! Ich bedanke mich sehr für die Zeit, die du dir für NECKBREACKER genommen hast und wünsche dir und der Band alles Gute!

Candace: Ebenso! Wir sehen uns nachher im Pit!

 

So sprach sie entschwand Richtung Tourbus und zeigte beim Gig wieder ihre andere, aggressive Seite! 

(Brix)

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