Interview mit Frank Turner

interview 20220913 0101 frankturner titel

Anlässlich des Konzertes im Wiesbadener Schlachthof am 13. September hatte ich die Gelegenheit erneut ein Interview mit Frank Turner zu führen. Wir haben gemeinsam zurückgeblickt auf die Pandemie, Frank erzählt von den aktuellen Herausforderungen für Künstlerinnen und Künstler, die neuen Rahmenbedingungen durch den Brexit und gibt Empfehlungen für Netflix. Außerdem schwelgen wir in schönen Erinnerungen an die hessische Landeshaupstadt. Das Wichtigste: Cat Content gibts auch.

Manu: Schön, dass wir wieder miteinander sprechen. Das letzte Mal in Mannheim ist laut deiner Tourmanagerin auch schon wieder zwei Jahre her

Frank: Eher 2 1/2 Jahre, denke ich, im Januar oder Februar vielleicht? Egal: Schön dich zu sehen!

Manu: Welche Konzertnummer haben wir heute?

Frank: 2680. (auf deutsch:) Zweitausendsechshundertundachtzig - war das richtig?

Manu: Das war perfekt! - Wow, das sind ja ne ganze Menge Shows.

Frank: Ja, das sind ne Menge Shows.

Manu: Hast du die Online-Gigs während Covid auch mitgezählt?

Frank: Ja, habe ich. Als das ganze Drama anfing, war ich mir nicht sicher ob ich die mitzählen soll. Schließlich haben alle gedacht, dass es sich beim Lockdown vielleicht um drei Wochen oder so handeln würde. Beim ersten Livestream waren etwa 15.000 Leute dabei und meine Frau meinte „Das ist eine Show!“ Die Regel, die ich immer befolgt habe, lautet, dass alles eine Show ist, bei dem mehr Leute im Publikum sind als auf der Bühne stehen. Und bei diesem ersten Konzert waren meine Frau da und Micah Schnabel. Also waren selbst vor Ort mehr Leute im Publikum als auf der Bühne. Also hat das gezählt. Und bei den anderen war ja immer meine Frau dabei und die Katze, von daher …

Manu: Ja, wir haben deine Katze, Boudicat, ein paar mal gesehen.

Frank: Ja, ab und zu. Sie war ein sehr widerwilliger Star.

Manu: Ich hab mir fast jedes der Konzerte angeschaut, vor allem am Anfang. Meine Freundin und ich haben dann immer gesagt „Juchhu, heute abend gehen wir auf nen FRANK TURNER Gig“

Frank: Fantastisch, danke dafür. Es war schon sehr komisch. Aber auch hilfreich für uns, mich und meine Frau, um durch diese komische Zeit zu kommen.

Manu: Es war sehr schön so auch mal einen Blick ins Zuhause der Musiker zu werfen, das brachte einen in dieser komischen Zeit irgendwie auch nahe.

Frank: Wir sind hinterher aber umgezogen (lacht). Jedes Mal wenn ich mir diese Shows anschaue, denke ich mir „Oh, schau mal, unser altes Haus. Wir leben da nicht mehr.“

Manu: Wir konnten durch diese Konzerte ja auch deine Frau ein bisschen besser kennenlernen. Und jetzt seid ihr zusammen auf Tour. Wie läuft das denn?

Frank: Richtig gut. Unsere erste gemeinsame Tour war ja im März 2020 und das war sehr schön. Es war zusammen mit Jess und Micah und Vanessa Jean Speckman, sehr guten Freunden von uns, und wir waren nicht so viele Leute auf der Tour und hatten viel Platz. Und währenddessen gingen die Infektionen hoch und die Leute wurden immer zurückhaltender um zu den Shows zu kommen. Eine unserer Freundinnen, eine Schauspielerin, zog im Februar 2020 nach Shanghai und kam Anfang März zurück und wusste nicht wo sie hin sollte. Sie konnte bei uns leben, weil wir ja auf Tour waren, und ich hab sie gefragt „Warum hast du das abgebrochen? Was ist los?“ und sie sagte „Es kommt!“ und wir dachten noch so „Ach was, niemals!“ - Jedenfalls, Jess war anfangs sehr besorgt, dass sie bei manchen Leuten auf Ablehnung stoßen könnte, aber ich glaube, dass die meisten Leute es gut finden und sie ist gut. Für mich ist es toll meine bessere Hälfte auf der Tour dabei zu haben.

interview 20220913 0111 frankturner

Manu: Das kann ich mir vorstellen! - Wo wir gerade eben von der Katze gesprochen haben: Wer kümmert sich denn um Boudicat während ihr zusammen unterwegs seid?

Frank: Wir haben einen Freund, der gerade bei uns lebt, und sich um Haus und Katze kümmert. Wir machen immer diesen Witz, der eigentlich kein Witz ist, dass wir in ein anderes Haus umgezogen sind, damit die Katze an einem Ort lebt, den sie verdient. (lacht)

Manu: Das kann ich absolut nachvollziehen.

Frank: Hast du auch Katzen?

Manu: Ich lebe mit zwei Katzen und bei mir ist es tatsächlich auch so, dass ich erst vor kurzem umgezogen bin, unter anderem damit die Katzen mehr Platz haben, einen Balkon …

Frank: Ha, siehst du! Boudicat ist jetzt Freigängerin. Sie war vorher immer nur drinnen, jetzt geht sie abends raus und wir können nur noch hinterherrufen „Bis später dann!“

Manu: Solange sie zurückkommt …

Frank: Ja, das tut sie!

Manu: Der Start der Pandemie liegt ja jetzt schon eine ganze Weile zurück und du warst sehr umtriebig in der Zeit. Du hast die Online-Konzerte gemacht, bist durch die Staaten getourt, hast zwei Alben veröffentlicht - willst du uns dazu was erzählen?

Frank: Sehr gerne. Es ist schon witzig, selbst während dem Lockdown haben Leute zu mir gesagt „Du bist da sehr gut mit umgegangen, du hattest die ganze Zeit viel zu tun.“ Tatsächlich fühlt es sich überhaupt nicht so für mich an. Ich glaube in der ersten Zeit lief es ganz gut, es gab meiner Woche ein bisschen Struktur, aber füllte eben auch nicht die ganze Woche aus.

Manu: Und ist natürlich nicht das Gleiche wie auf Tour zu sein …

Frank: Nein, überhaupt nicht. Und es ist so, dass ich seit meinem 16. Lebensjahr auf Tour gehe und ich fragte mich „Wer bin ich jetzt?“. Im ersten Lockdown habe ich die längste Zeit am gleichen Ort geschlafen seit meinem siebten Lebensjahr und ich dachte „Fuck! Wirklich verrückt!. Aber ich mag es, beschäftigt zu sein. Ich brauche das. Also habe ich gelernt wie man Musik produziert, eine neue Fertigkeit für mich. In Bezug auf das „Buddies“-Album mit Jon war das ziemlich cool, weil ich hab unser Album selbst produziert und gemischt und es dabei gelernt, wenn du verstehst was ich meine. Das war sehr cool.

Manu: Aber ihr habt vermutlich schon vor der Pandemie mit dem Album angefangen?

Frank: Nein! Wir haben es komplett während der Pandemie gemacht. Unser erstes Album haben wir 2010 gemacht, seinerzeit haben wir es an einem Tag geschrieben und in zwei Tagen aufgenommen. Jetzt gab es neue Regeln im Spiel. Also haben wir es während des Lockdowns nochmal versucht. Jon und ich haben die zehn Songs an einem Tag via Skype geschrieben. Das war merkwürdig.

Manu: Aber auch schöne neue Möglichkeiten, oder?

interview 20220913 0107 frankturner

Frank: Absolut! Es gibt so viel neue Technologie, die uns die letzten Jahre sehr viel erträglicher gemacht hat. Ich denke das alles wäre vor zehn Jahren noch viel schlimmer gewesen. Ich mag das Album jedenfalls sehr gerne und bin sehr stolz darauf. Was das „FTHC“ Album angeht, hatte ich mit dem Schreiben daran bereits vor der Pandemie angefangen. Eigentlich wollte ich es im Sommer 2022 über einen Zeitraum von zwei Wochen in Los Angeles aufnehmen. Ich bin sehr froh, dass es nicht so gekommen ist. Ich habe sehr viel länger daran geschrieben, aber auch mehr arrangiert, mehr Demos gemacht, die Songs häufiger umgeschrieben, als ich das üblicherweise tue. Weil die Zeit dafür da war. Das ist eine ganz schöne Veränderung für eine Rock-Band, die Dynamik hat sich vollkommen verändert. Das finde ich irgendwie cool. Es ist so ein ganz anderes Album geworden. Es war trotzdem irgendwie komisch, wir waren so halb zurück im Lockdown im Februar, die Tour wurde gecancelled …

Manu: Das muss auch frustrierend sein, wenn man ein neues Album draußen hat und die Songs nicht live spielen kann.

Frank: Richtig. Und wir haben bis jetzt, sieben Monate später, immer noch keine UK-Tour machen können. Das fühlt sich komisch an. Aber die Tour startet ja jetzt nächste Woche dann.

Manu: Darauf freust du dich bestimmt riesig

Frank: Unbedingt! Vor allem weil wir gerade auf Tour waren als die Pandemie begann und etwas in mir fühlt sich so an, dass eine UK-Tour ein begonnenes Kapitel beendet oder sowas. Ich bin wirklich stolz auf die Veröffentlichung von „FTHC“. Es fühlt sich an wie eine neue Phase in meiner Karriere.

Manu: Was mich noch interessieren würde: Wie ist es eigentlich unter Brexit-Bedingungen zu touren? Ich weiß gar nicht mehr, wann war der nochmal genau?

Frank: Offiziell Ende 2019

Manu: Genau. Also gab es wenig Möglichkeiten bisher unter diesen neuen Rahmenbedingungen auf Tour zu gehen. Ich hab da jede Menge Horrorstories zu gehört, wie viel teurer die Touren geworden sind und der ganze Aufwand mit den VISA und sowas …

Frank: Also, aus einem Blickwinkel … ich hasse es, etwas gutes über die Pandemie zu sagen … war die Eingangssituation ja, dass 2020 sowieso niemand auf Tour gehen konnte und das gab allen Luft herauszufinden, was das alles bedeutet. Ich glaub es wird im Laufe der Zeit besser werden, denn es gibt schon ein paar bescheuerte Regeln. Für jemanden auf meinem Level ist das jetzt nicht das ganz große Problem. Aber für kleinere Bands ist es das auf jeden Fall. Wenn ich zurückschaue auf mein erstes Konzert hier im Schlachthof im Jahr 2009 - wären die Regeln damals die gleichen gewesen wie heute, dann weiß ich nicht ob wir diese Show hätten spielen können. Und gerade Festivals sind für jede Band sehr wichtig, ich denke es ist heute sehr viel schwerer für eine Band sich ein Publikum aufzubauen. Und das ist verdammt scheisse. Aber die meiste Zeit ist es ja auch so, dass du sehr viel Zeit darauf verwendest ne ganze Menge Papierkram auszufüllen, und am Ende will die gar niemand sehen und du denkst dir „Verdammt!“

Manu: „Warum hab ich das überhaupt gemacht?“

Frank: Richtig. Ich hoffe im Lauf der Zeit … Ich denke, ich sehe überhaupt nicht, wer überhaupt etwas davon hat, dass es so schwierig ist. Niemand gewinnt. Also insofern hoffe ich, dass es da Veränderungen geben wird, in der Wirtschaft, bei den Regularien … Es ist schon ein ziemlicher Mist, wir werden sehen was passiert. Irgendwie ist das ne sehr interessante Zeit. Ich bin 1980 geboren und erst seit den letzten fünf bis sieben Jahren fühlt es sich so an, dass es einfach immer schlimmer wird. Das ist ein ganz neues Gefühl für mich. Und ich weiß, dass ist sehr privilegiert, dass zu sagen. Es tut mir leid, wenn ich die Situation mit der im Mittleren Osten vergleiche. Es ist eine neue Empfindung.

Manu: Ich hab von ganz vielen Problemen lokaler Promoter gelesen, dass die ihre Tickets nicht verkauft bekommen. Stellt sich das auf für euch so dar?

Frank: Definitiv! Die ganze Live-Musikindustrie ist insgesamt 30-40% kleiner als im Jahr 2019. Und das ist bedeutend. Das spielt bei allen in die Profitspanne rein. Alle spielen in kleineren Venues. Es gilt einfach für jede und jeden.

Manu: Gab es viele Veränderungen in deiner Crew? Viele haben ja in der Pandemie nach neuen Jobs gesucht.

Frank: Ein wenig, aber zum Glück nicht so viel wie es hätte sein können. Meine Leute können ihre eigenen Entscheidungen treffen. Ich konnte keine staatliche Unterstützung für sie erhalten, weil sie ja alle freiberuflich arbeiten, aber immerhin konnte ich sie zum Teil weiter bezahlen während des Lockdown, durch eine Kombination aus Fundraising und eigenen Mitteln, das hat sich sehr gut angefühlt dazu in der Lage zu sein

Manu: Und das Fundraising gab auch den Leuten das Gefühl etwas tun zu können für die Szene.

Frank: Klar und dafür waren wir sehr dankbar. Ich habe mich sehr verantwortlich gefühlt, wo ich doch über ein Jahrzehnt mit diesen Leuten zusammengearbeitet habe. Es gibt eine familiäre Verbindung und es fühlte sich richtig an zu helfen.

interview 20220913 0105 frankturnerinterview 20220913 0106 frankturner

Manu: Du hast jetzt drei Shows in Deutschland und dann das Festival. Eine der Shows ist hier in Wiesbaden. Du hast ja schon oft hier gespielt. Gibt es besondere Erinnerungen?

Frank: Da gibt es viele gute Erinnerungen. Das erste Mal habe ich hier mit GASLIGHT ANTHEM gespielt, das war im alten Schlachthof. Wir haben in diesem kleinen Raum gespielt …

Manu: … der Räucherkammer

Frank: Ja! Ich erinnere mich daran, dass es ein tolles Konzert war und ich viel Spaß hatte. Obwohl solche Eck-Venues meistens schrecklich sind. Ich erinnere mich auch dunkel, dass Benny von GASLIGHT ANTHEM und ich durchgemacht und Schnaps getrunken haben. Wir waren an den Bahnschienen und saßen auf einem alten Sofa, haben uns unterhalten und getrunken. Ich habe währenddessen gedacht „Das ist so eine scheiss Idee, morgen wird schrecklich werden“. Aber wir waren beide in unseren 20ern und damit unverwundbar. Deshalb ist das eine sehr schöne Erinnerung.

Manu: Hast du denn normal Zeit um rumzulaufen und dir die Städte anzuschauen in denen zu spielst? Bei diesen langen Touren …

Frank: Manchmal ja, manchmal nein. Meistens will ich einfach nur Netflix schauen, wenn ich etwas freie Zeit habe. Und meistens sind Orte ja auch nicht einfach in Laufweite, vor allem in den Staaten ist das sehr schwierig. Ich erinnere mich, wie ich mal eine Nachricht bekam „Oh, da gibt es diesen wunderbaren Ort, nur 40 Minuten Fahrtweg!“. Und ich dachte mir „Er könnte genauso gut auf dem Mond sein!“ Weißt du was ich meine? Wie soll ich denn da hin kommen? Aber in Deutschland bin ich manchmal in der Stimmung Dinge zu unternehmen, an anderen Tagen ist mir mehr nach Netflix. Callum, unser neuer Drummer, hat noch nicht so viel getourt wie wir und er war auch noch nie in den USA. Also hab ich ihm befohlen Tourist zu sein. Ich selbst war so beschäftigt mit der „50 Staaten in 50 Tagen“ Sache, aber ich hab ihm aufgetragen zum Times Square zu gehen und mir von dort ein Selfie zu schicken. Das hat er dann gemacht.

Manu: Und war glücklich.

Frank: Total.

Manu: Was kannst du denn aktuell auf Netflix empfehlen?

Frank (lacht und denkt nach)

Manu: Es gibt da eine sehr nette Katzen-Doku, die ich mir gerade angeschaut habe

Frank: „Don`t fuck with Cats“?

Manu: Nein, eine Tierdoku.

Frank: Verstehe. Ich hab „Don`t fuck with Cats“ gesehen, das war irre.

Manu: Absolut.

Frank: Tatsächlich habe ich zuletzt „Gomorrha“ auf Amazon geschaut, so ein italienisches Krimi-Zeug. Sehr sehr gut.

Manu: Zurück zur Musik. Warum ist dein Festival diesmal in Berlin?

Frank: Es sollte ja schon 2020 in Berlin sein. Ich hatte „Lost Evenings“ von Anfang an so erdacht, dass es ein portables Konzept sein sollte, das umherwandert. Im ersten Jahr hatten wir keine Ahnung wie es aussehen sollte und es hat alle überrascht, dass es so gut abgelaufen ist. Für Nummer 2 hatten wir die Möglichkeit unsere Lehren zu ziehen und es besser für uns und das Publikum zu machen. Nummer 3 war in Boston, das war unglaublich und wir wollten dann 4 in Berlin machen. Dann war da die Pandemie, also haben wir es abgesagt und als das letztes Jahr mit dem Reisen noch so schwierig war, haben wir es in London veranstaltet. Das war alles völlig merkwürdig. Wir waren wegen dem Lockdown total unsicher. „Dürfen wir das überhaupt?“ Und hinterher: „Ist es wirklich passiert“. Die ganze Stimmung war sehr komisch und ich bin sehr froh, dass wir es durchgezogen haben. Aber es war klar, dass das erste Mal, wenn es wieder im Ausland geht, Berlin sein würde. Nächstes Jahr dann wieder woanders.

interview 20220913 0103 frankturner

Manu: Ich kann das komische Gefühl in Bezug auf die Pandemie total nachvollziehen. So ging es mir auch auf dem Sweden Rock mit all den Menschen um mich herum. Und dann hab ich mir, nachdem es mir zwei Jahre gelungen ist dem Virus auszuweichen, Covid als Souvenir mit nach Hause gebracht

Frank: Es ist wirklich schwierig. Es steht mir auch nicht zu, zu sagen wie Menschen sich fühlen sollen. Und vieles von dem was passiert dreht sich um veränderte Gewohnheiten, Ängste, viele Menschen sind noch nicht bereit, wieder auf ein Konzert zu gehen. Dagegen kann ich nichts sagen, das sind total legitime Empfindungen. Es hat Einfluss auf meine Kalkulation. Es gab so viele Diskussionen als ich die Europa-Tour absagen musste, die wir eigentlich im Mai machen wollten. Mir drohte der Verlust von jeder Menge Geld. Früher hätte es für so etwas Rücklagen gegeben, die einen aufgefangen hätten, aber heute hat einfach keiner mehr Ersparnisse. Ich hätte 50.000 verloren, wer hätte das bezahlt? Niemand. Das Geld ist einfach nicht da. Also musste ich alles absagen und einige Leute waren wirklich angepisst. Als Künstler ist die Situation echt verzwickt: Ich will auf gar keinen Fall Shows absagen, seid ihr verrückt? Aber ich kann es mir auch einfach nicht leisten dieses Geld zu verlieren.

Manu: Wirklich total abgefuckt, die Situation.

Frank: Wir werden mit unseren Freunden von BILLY TALENT als Special Guest auf Europa-Tour gehen und nach Deutschland, die Schweiz, Luxemburg und nach Österreich kommen. Hoffentlich können wir das durchziehen und ein bisschen Geld machen. Manchmal ist es schwer, weil manche Leute so unversöhnlich sind. Das ist frustrierend. Zum Beispiel, wenn du … was arbeitest du?

Manu: Ich arbeite in der öffentlichen Verwaltung

Frank: Okay, ich hab davon überhaupt gar keine Ahnung und ich würde dir niemals sagen, wie du deinen Job in der öffentlichen Verwaltung zu tun hast, nur weil ich mal fünf Sekunden darüber nachgedacht hab. Ich denke oft „Verdammt, du hast überhaupt keine Ahnung, wovon du da redest!“ Es nervt manchmal ziemlich mit diesen Experten aus dem Internet.

Manu: Wir haben da diesen Witz in Deutschland von den 80 Millionen Fussballtrainern. Zuletzt hatten wir 80 Millionen Virologen, die jetzt alle zu Kriegsexperten geworden sind. 80 Millionen davon natürlich.

Frank: Ja, ich hab da ein tolle Meme gesehen, das lautete in etwa so: „Nach zwei Jahren Virologie, sattele ich jetzt um auf Militärexperte mit Schwerpunkt auf ukrainischer Geschichte“. Seit doch einfach still. Es kann manchmal schon belastend sein. Aber um mit etwas Positivem auszusteigen: Kennt ihr Tim Barry? Der war Sänger in der Band AVAIL aus Richmond, Virgina. Die waren früher meine absolute Lieblingsband. Er war einer der ersten Leute aus dem Punk, der eine Akustik-Platte gemacht hat. Wir haben inzwischen schon oft zusammen getourt und er ist einer meiner besten Freunde. Ich hab immer gesagt, dass ich so werden möchte wie Tim Barry, wenn ich mal groß bin. Hört euch seine Musik an, sie ist großartig. In aller Ernsthaftigkeit, er ist ein kluger Mann und schon in den 80ern getourt, der hat schon ein paar Meilen auf dem Tacho. Als wir in Richmond gespielt haben und ich den Tag mit ihn zusammen verbracht hab, hat er zu mir gesagt: „Wenn ich auf irgendeiner Bühne auf diesem Planeten stehe und es stehen Leute davor und wir haben alle Spaß, weil ich Musik mache, dann verschwende ich keine Zeit darauf mir zu überlegen, wie ich hier hingekommen bin. Ich bin einfach im Moment.“ Ich mag das, weil das einem wieder zeigt warum wir das hier alles machen. Es ist der beste Job der Welt, wir haben so ein Glück das machen zu dürfen. Essen, Schlafen, … Das ist ein guter Reminder sich zu sagen, dass man hier ist, weil ihr mich hier haben wollt.

Manu: Und wir werden ganz viel Spaß heute Abend haben.

Frank: Das hoffe ich. Wir werden alles geben!

interview 20220913 0113 frankturner

(Fotos: Markus)

Wir benutzen Cookies
Für optimalen Benutzerservice auf dieser Webseite verwenden wir Cookies. Durch die Verwendung unserer Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden