interview powerwolf 20131005 00POWERWOLF befinden sich ja schon lange auf dem aufsteigenden Ast, schon mit dem letzten Album „Blood Of The Saints“ und ihrer ersten Headlinertour, den Wolfsnächten konnten sie zeigen, daß sie alles andere als eine kleine Nummer sind. Und spätestens seit der aktuellen Scheibe „Preachers Of The Night“, mit der sie von 0 auf Platz 1 der deutschen Albumcharts hüpften, sollte auch dem Letzten klar sein: Diese Band hat’s drauf. Und das beweist sie auch auf der aktuellen Wolfsnächte-Tour, bei der sie in größeren Hallen als auf der letzten spielt und diese sind auch immer mindestens gut gefüllt, oft sogar ausverkauft. Der Erfolg gibt den Wölfen also Recht. Es gibt daher mehr als einen Grund, sich mit Matthew Greywolf und Falk Maria Schlegel vor der Show im Stuttgarter LKA Longhorn zusammenzusetzen und mal ein ausgiebiges Interview zu machen (und das, obwohl die beiden behaupten, daß sie heute kurz angebunden seien), in dem klare Worte gesprochen werden und der Wolf kein Blatt vor den Mund nimmt.

 

Anne: Zunächst einmal, da unser Interview ja jetzt so spät ist und eigentlich schon früher hätte stattfinden sollen, möchte ich euch noch verspätet beglückwünschen zu eurem Chartsentry...

Matthew: Vielen Dank!

Anne: …und dann komme ich auch schon zur ersten Frage: Ihr seid meines Wissens die erste deutsche Metalband, die es überhaupt geschafft hat, von 0 auf 1 in die Charts einzusteigen. Hat sich für euch dadurch irgendetwas verändert?

Falk: Ja gut, ich kann halt nicht mehr zum Bäcker gehen in Saarbrücken. Man erkennt mich jetzt. Nee, im Ernst, aber du hast Recht damit, es ist glaub ich…

Matthew: Wir sind in der Tat die erste deutsche Heavy Metal-/Power Metal-Band, die das geschafft hat. Das ist natürlich eine Ehre, das muß man sagen. Geändert hat sich für uns insofern nix...

Falk: Also, Entschuldigung, wenn ich jetzt unterbreche, aber was ich vielleicht noch beeindruckender finde als den ersten Platz der Charts, ist dass wir 6 Wochen in den Top 10? Top 50? Top 100?...

Matthew: Top 100.

Falk: …drin waren. Das ist eigentlich noch nachhaltiger als der erste Platz. Das bedeutet, man ist nicht nur auf den Punkt, auf Platz 1, gechartet, sondern konnte sich auch noch eine Weile drin halten. Die Frage jetzt, ob sich was für uns geändert hat? Für uns als Band eigentlich weniger…

Matthew: Eigentlich weniger, weil ich denke, auch als Metalband arbeitet man jetzt nicht unbedingt auf einen Platz 1 in den Charts hin. Das war vorher nicht das Ziel und deswegen hat es unsere Denkweise auch nicht verändert, sondern das ist einfach sowas, wenn das passiert, freut man sich natürlich, das ist eine große Ehre; es zeigt vor allem, daß letztlich POWERWOLF ein sehr großes Following haben. Das sehen wir auch auf der Tour hier an den sehr, sehr vollen Hallen. Andererseits zeigt es auch, daß Metal ganz allgemein in der Mainstreamwahrnehmung oft unterschätzt wird.

Anne: Ja, und ich glaube, die Medien haben das irgendwie noch nicht so mitbekommen.

interview powerwolf 20131005 01Falk: Wenn du mit Tagespresse oder generell mit Nichtfachpresse sprichst, dann merkst du, das wird immer noch ein bißchen belächelt, ja Metal und dann auch noch ein Name wie POWERWOLF. Und wenn du dann in so einem Interview sagen kannst „Naja, das ist Platz 1 der deutschen Albumcharts“ dann nehmen dich zumindest mal solche Leute für diesen Moment etwas ernster, aber es ist eigentlich für mich nicht so unbedingt entscheidend und wichtig. Ich finde also viel nachhaltiger auch die Tatsache, dass die Hallen voll sind und die Tour gut läuft. Das ist eigentlich das, was man damit untermauert. Der Chartplatz 1 wird dadurch untermauert, daß die Hallen voll sind, oder Paris, London ausverkauft. Das sind Dinge, die mir persönlich als Musiker wichtig sind; das kann man direkt greifen. Platz 1 haben wir aber trotzdem schön gefeiert, oder?

Matthew (lacht): Wir haben den sehr schön gefeiert, ja.

Anne: Warum habt ihr eigentlich das Label gewechselt? Gab's dafür einen bestimmten Grund?

Matthew: Der Vertrag mit Metal Blade ist einfach ausgelaufen nach „Blood Of The Saints“ und das ist natürlich immer so ein Zeitpunkt, wo man eben einfach auch... Ja, man ist ungebunden, kann einfach mal schauen, was andere so bieten. Der ausschlaggebende Punkt letztlich, warum wir gewechselt haben, war einfach, daß wir auch gesagt haben, nach vier Alben wäre es auch mal interessant mit anderen zu arbeiten. Einfach mal zu gucken wie geht ein anderes Label, wie geht ein anderes Team mit dem Wolf um. Es war einfach Zeit für einen Tapetenwechsel, würde ich sagen.

Falk: Ganz genau so ist es. Also es gab kein böses Blut zwischen Metal Blade und POWERWOLF, also auch gestern hatte noch jemand ein Metal Blade T-Shirt an und ich hab' mit dem Andreas Reissnauer noch gut einen getrunken auf den Metal Hammer Awards. Natürlich war auch das Label traurig, aber wie gesagt, man trifft manchmal Entscheidungen, um einfach mal  - ja vielleicht auch ein Stück neue Wege zu gehen. Wie viele Platten haben wir bei Metal Blade gemacht? 4 Stück?

Matthew: 4 Stück.

Falk: Also von daher kann man jetzt auch nicht sagen, wir waren dem ganzen nicht treu und so sind wir dann jetzt halt bei Napalm gelandet.

Anne: Von eurem neuen Album gibt’s ja jetzt ziemlich viele verschiedene Versionen, Earbooks und diese Riesenbox. Findet ihr das eher positiv oder eher negativ wenn es von einem Album so viele verschiedene Versionen gibt?

Falk: Also ich find's manchmal etwas irreführend, muß ich gestehen (lacht).

Matthew: Ja, also ich denke, das ist eine zwiespältige Sache. Auf der einen Seite bin ich Fan von aufwendigen Editionen, weil man ja sagen muss - grade in Zeiten von Downloads und Spotify und diesem ganzen Schwachsinn - ist es einfach für mich - auch aus der Fansicht -  schön, ein wertiges Produkt geliefert zu bekommen. Insofern finde ich Editionen mit größeren Booklets, das Earbook zum Beispiel auch, einfach schön und wertig. Man ist ja auch nicht gezwungen, sich diese zu kaufen. Auf der anderen Seite ist es natürlich verwirrend, wenn du dann 8 Farben Vinyl hast und…

Falk: Aber letztendlich hast du ja Recht, es ist ja 'ne Auswahl, die das Label gibt, bzw. dann grade das Earbook als besondere Edition, das wird einfach angeboten. Und ich habe auch den Eindruck, daß das angenommen wird. Das ist nicht so, daß das ein Ladenhüter ist. Sondern daß die Leute einfach sagen „Ja cool, das paßt zwar nicht in mein CD-Regal, aber das kann ich mir auch schön auf den Tisch stellen“.

interview powerwolf 20131005 08Matthew: Ich denke auch ganz einfach da ist der Unterschied. Ich denke, langjährige Fans freuen sich einfach über diese Gimmickeditions und Leute, die jetzt die Band neu kennenlernen, werden wahrscheinlich eher die normale Version kaufen. Ich finde es eigentlich ganz schön, daß es die Auswahl gibt.

Anne: Wie kommt ihr auf Songs wie „Coleus Sanctus“ oder „Resurrection By Erection“? Was und wieviel davon muß man konsumieren?

Matthew (beide lachen): Eine sehr gute Frage! War das die Frage?

Anne: Ja.

Falk: Achso. Äh...Matthew! (beide lachen)

Matthew: Ja, ich würde sagen, man braucht einfach nur eine relativ grenzenlose Kreativität. Konsumieren kann man die nicht, keine Ahnung, so ein kreativer Prozess, auch grade dieses Rumspinnen, was wir eben manchmal haben – ich nenn das jetzt einfach mal bewußt so – das ist einfach so eine Dynamik, die entsteht, wenn wir als Band zusammen Songs schreiben. Man muß einfach ein bißchen rumspinnen können. Man kann Songwriting nicht supertodernst betreiben, sondern muß eben manchmal auch einfach die Sau rauslassen, da kommen dann auch mal Sachen wie „Ressurection By Erection“ raus. Das ist letztlich so ein Funke Humor, der uns einfach auch sehr wichtig ist, denn je größer eine Band wird, umso mehr Struktur um eine Band herum entsteht, umso professioneller alles wird, umso ernster wird auch alles und deswegen ist es grade beim Songwriting manchmal auch einfach so einen Rückzug, einfach mal ein „Coleus Sanctus“ rauszuhauen, einfach mal zu sagen „Interessiert mich jetzt überhaupt nicht, ob das jetzt jemand lustig, dämlich oder saucool findet“.

Anne: Und wie schafft ihr es, diese Songs auf der Bühne zu performen, ohne euch dabei die ganze Zeit kaputt zu lachen?

Matthew: Naja, das Problem stellt sich eigentlich nicht, weil eben „Coleus Sanctus“ meiner Meinung nach auf musikalischer Ebene ein großartiger Song ist. Ich liebe diesen Song. Ich liebe es, diesen Song auf der Bühne zu performen. Und die Tatsache, daß der Text eben ein gewisses Augenzwinkern erfordert, heißt für mich jetzt nicht, daß ich mich auf der Bühne fühle als würde ich gerade einen Witz erzählen.

Falk: Das sind Songs, die live die Sache auch auflockern. Also ich glaube, jeder, der POWERWOLF kennt, weiß, daß wir unser ironisches Augenzwinkern benutzen und ich glaube, wenn's den Menschen noch nicht klar war, spätestens bei „Coleus Sanctus“ und „Resurrection“ ist es den Leuten dann klar.

Matthew: Also ich hatte da einen sehr schönen Aha-Moment vor ungefähr einer Woche bei der Show in London, wo das Publikum geschlossen sämtliche Strophen von „Resurrection By Erection“ mitgesungen hat. Und eben einfach Spaß dran hat. Und spätestens die Engländer wissen, was sie da mitsingen und ich fand das einfach einen coolen Moment, weil da hat eben jeder gemerkt „Ok, das ist jetzt ein Song, der hat Spaßfaktor“. Natürlich meinen wir das jetzt in dem Moment nicht ernst, aber trotzdem ist es irgendwie ein guter Song, den man einfach zelebrieren kann.


"...der lateinische Genitiv klingt auch meistens echt scheiße."

Und spätestens hier merken Lateinfans: "Die Kunst tut weh."



Anne: Und an dieser Stelle möchte ich protestieren. Ich als Frau fühle mich von euch diskriminiert. Ich hätte gerne einen Song über die Vulva dolorosa.

Falk (seufzt): Tja...

Matthew (unter lachen): Das – äh -  kann man natürlich auch verstehen, aber du mußt bitte verstehen, daß die Kunst frei ist und ich als Künstler kann ja auch wirklich nur glaubwürdig aus meiner eigenen Perspektive schreiben. Und da ich keine Vulva besitze, wäre es doch sehr unglaubwürdig, wenn ich entsprechend einen Song auf der Bühne darbieten würde. Denn DANN könnte mir natürlich jeder unterstellen, daß ich unglaubwürdige Texte verbreite. Da mußt du dich leider an eine Frauenband wenden.

Anne: Oh, das macht mich sehr traurig.

Matthew: Ja, damit mußt du leben. Die Kunst tut weh.

Anne: Ja, ich merk's. Warum habt ihr einen deutschen Song gemacht? Wolltet ihr beim Bundesvision Song Contest mitmachen?

Falk: Auf keinen Fall!

Matthew: Wir wollten eigentlich - das hat aber leider nicht geklappt - wir wollten eigentlich die BÖHSEN ONKELZ beerben und auf ganz vielen GTI-Rückscheiben landen... Das ist aber nach hinten losgegangen...

Falk: Sag bitte, daß das ein Scherz ist (alle lachen)!

Matthew: Nee, ist ein Scherz. Der ist einfach passiert. Um ehrlich zu sein, ich mag deutsche Texte eigentlich auch überhaupt nicht. Aber manchmal geht die Kreativität eben seltsame Wege und du hast da auf einmal eine Idee im Kopf, die eben einfach  - wie in dem Fall -  mit dem deutschen Wort „Kreuzfeuer“ verbunden ist und...

Falk: …Crossfire paßt nicht zum Lied...Crossfire – das geht nicht.

Matthew: …du übersetzt es und das Ganze verliert 'ne gewisse Sprachästhetik. In dem Fall war es dieser stampfende Rhythmus, diese majestätische Melodie, da mußte einfach ein „Kreuzfeuer“ her und kein „Crossfire“.  

Falk: Außerdem haben das die SCORPIONS schon gemacht.

Matthew: Eben. „Crossfire“ gibt’s auch von den SCORPIONS. Wir haben uns – kann man ja ehrlich sein – anfangs etwas schwer getan mit der Idee, aber sie war so nachhaltig eingängig, daß wir irgendwie alle nach Wochen gesagt haben „Scheiße es fehlt noch was, wir müssen das Kreuzfeuer machen und zwar tatsächlich als Kreuzfeuer.“ Um die Frage vorweg zu nehmen, das heißt auch nicht, daß wir jetzt weiter deutsche Songs schreiben werden, oder daß das Teil vom Konzept ist – das fragen sie alle.

Anne: Nein, ich nicht.

Matthew: Ich sag's trotzdem. Das ist eben so eine einmalige Geschichte, die passiert ist und ob's wieder irgendwann einen deutschen Song geben wird oder nicht – keine Ahnung.

Anne: Ist es schwerer, deutsche Texte zu schreiben als englische?

interview powerwolf 20131005 02Matthew (langes Schweigen): Das ist eine gute Frage, weil eigentlich beides nicht schwierig ist, in dem Moment, wo du den Song schreibst und einfach 'ne Vorstellung von dem Song da ist. In dem Moment muß sowas einfach fließen, sag ich mal. Im Fall von „Kreuzfeuer“ war eben einfach dieses Schlagwort „Kreuzfeuer“ schon da, es war auch sehr früh schon der Text für den Refrain da. Da hat sich die Frage einfach eher gestellt, wollen wir jetzt wirklich den deutschen Text umsetzen oder nicht. Aber die Schwierigkeit war nicht, einen deutschen Text zu schreiben.

Anne: Wo versteckt sich Attilas Akzent beim Singen?

Matthew: Naja gut, man kennt das ja auch bei Menschen, die Stottern, die können keinen graden Satz sagen, aber sobald sie ein Mikro haben und fangen an zu singen, klappt das.

Falk: Da klappt das! Wird auch in der Therapie eingesetzt.

Matthew: Bei Attila ist das ganz ähnlich. Ja, vielleicht liegt es daran, daß er besser singt als er sprechen kann, aber in der Tat singt er akzentfrei (lacht). Aber gute Frage.

Anne: „Nochnoi Dozor“ ist ja bestimmt an das gleichnamige Buch angelehnt, vermute ich mal.

Matthew: Richtig.

Anne: Wird's denn dementsprechend auch noch mehrere Teile auf folgenden Alben geben?

Matthew: Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich nicht beantworten. Wir planen in dem Sinn nichts. Wenn sich das beim Songwriting fürs nächste Album so ergibt, dann gibt’s vielleicht 'ne Fortsetzung, das hängt aber auch ganz entscheidend davon ab, ob es dann irgendwie musikalisch eine Verbindung gibt. Sollte da dann eine Idee entstehen, die daran angelehnt ist, liegt es natürlich nahe, sowas fortzusetzen. Aber...

Falk: …der Song war ja auch eine Art Hommage an die russischen Fans. Ich meine, wir waren jetzt zum ersten Mal in Moskau und St. Petersburg.

Matthew: Das muß man auch sehen. Es war eine Hommage...

Falk: Und, ja, das hängt dann irgendwie auch zusammen. Ich glaube, wenn wir das nächste Mal in Moskau spielen - das ist ja in der Planung - dann wird der Song dort bestimmt auch entsprechend gut ankommen, denke ich.

Anne: Spricht einer von euch russisch? Der die Texte dann macht, oder?

Matthew: Nee, da arbeiten uns sprachgewandte Menschen zu. Manches ist vielleicht auch nicht ganz korrekt. Wir werden sehen, wie die Russen reagieren, wenn wir wieder in Moskau aufschlagen.

Anne: Und bei Latein ist es ähnlich?

Matthew: Die lateinische Sprache nutzen wir - das kann man ja ganz offen sagen - nach künstlerischem Gusto. Das muß gut klingen. Das muß nicht unbedingt grammatikalisch korrekt sein. Wir bekommen immer wieder von Fans zu hören… Vor kurzem haben wir einen Teddybär mit Kardinalsmütze geschenkt bekommen mit einem Gutschein für eine Lateinnachhilfestunde - fand ich großartig. Aber aus künstlerischer Sicht muß ich einfach sagen – mich interessiert's einen Scheiß ob jetzt der Kasus korrekt ist, wenn dadurch der Reim verloren geht. Wir nutzen Texte auch oft ein bißchen im Sinn von Sprachmalerei. Das muß klingen, das muß passen, das muß griffig sein, und...

Falk: …der lateinische Genitiv klingt auch meistens echt scheiße.

interview powerwolf 20131005 09Matthew: Das muß man einfach so sehen.

Falk: Das kann kein Mensch singen.

Anne: Bei „Lust For Blood“ hab' ich gemerkt, daß der Text, den Attila singt, nicht immer mit dem Text im Booklet übereinstimmt. Kommt das öfter vor...

Matthew: Oh!

Falk: Oh!

Matthew: Da müßte ich mal den zuständigen Grafiker ins Gebet nehmen, der vielleicht...
aber ist mir noch nicht aufgefallen.

Falk: Ist mir auch noch nicht aufgefallen. Wir werden das an Napalm Records weiterleiten.

Matthew: Genau. Da ist die Plattenfirma schuld.

Falk: Das muß irgendjemand bei denen gewesen sein...

Matthew: Ja, Österreicher, tz...

Falk: Ich muß mit Napalm sprechen. Also so geht’s nicht!

Anne: Warum habt ihr denn nach dem letzten Song diese lange Stille mit dem Regen und dem Donner...

Matthew: Da sind auch Krähen!

Anne: Ich finde das immer etwas seltsam...

Matthew: Da sind auch Krähen!

Anne: Ja, meinetwegen auch Krähen…

Matthew: Das ist wichtig. Die sind essentiell, die Krähen.

Falk: Ich würde sagen, das ist ein Trademark von POWERWOLF, das ist eigentlich immer bei unseren Platten so.

Matthew: Also ich persönlich vergleiche das immer ganz gern mit 'nem Abspann von einem guten Kinofilm. Ich mag's persönlich überhaupt nicht, wenn der letzte Akkord verklingt von einer Platte und mein CD-Player springt auf 0 und ich muß sofort überlegen, was ich jetzt mache (Falk lacht). Ich finde das eigentlich ganz angenehm, wenn der letzte Ton rum ist und ich krieg dann so ein bißchen eine Atmosphäre, mit der sich einfach das Ganze so ein bißchen – ja - setzen kann, mit dem die Platte einfach auch ausklingt. Und deswegen ist uns das durchaus wichtig. Wir werden öfter mal gefragt, ob wir die Minutenzahl damit strecken wollen. Da argumentiere ich immer gerne mit „Reign In Blood“; die ist auch nur 28 Minuten lang und eine legendäre Platte und das heißt, die Länge des Albums ist nicht relevant. In dem Fall ist das wirklich so....

Falk: Es kommt ja nicht auf die Länge an!

Matthew: In dem Fall ist es wirklich das Ding, daß wir so eine Art Abspann haben.


"Wenn du viel Feuer verbrennst, mußt du ordentlich Geld in die Hand nehmen."

So ist das.



Anne: Welche gesangliche Ausbildung hat eigentlich Attila? Wißt ihr das überhaupt?

Matthew: Das müßtest du jetzt Attila selbst fragen.

Falk: Der hat 'ne Ausbildung.

Matthew: Der hat 'ne Ausbildung. Einbildung auch (lacht).

Falk: Nee, der hat 'ne ordentliche Gesangsausbildung. Aber was das jetzt ist? Diplom oder was? Keine Ahnung.

Matthew: Keine Ahnung, ich weiß auch nicht, ob man da jetzt Zeugnisse und Urkunden vorlegen kann...

Falk: Er hat auf jeden Fall von irgendwem das Singen gelernt und nicht einfach angefangen zu singen und so jetzt mach ich mal. Also ihm wurde das schon beigebracht. Auch vom Blatt zu singen und solche Geschichten.

Anne: Lest ihr eigentlich bevor es ans Songschreiben geht die Bibel so als Inspirationsquelle, oder…

Matthew: Nein, die Bibel ist ja allgegenwärtig. Also ich behaupte einfach mal, wenn man in Mitteleuropa aufgewachsen ist, kommt man eigentlich nicht umhin, das eine oder andere aus der Bibel mitzukriegen. Der eine vielleicht mehr als der andere, aber so eine gewisse Bibelkenntnis trägt man einfach auch mit sich.

Falk: Das ist aber auch ein Teil Erziehung. Man weiß ja auch vieles schon einfach. Man kann's ja auch nochmal nachlesen. Bzw. man weiß auch aus geschichtlichen Aspekten heraus, im Sinne von Religion oder bei uns was bei den Kreuzzügen halt passiert ist. Das sind ja Dinge, die sind ja auch belegt. Das heißt, im Grunde genommen ist es ein Stück weit auch Allgemeinbildung – für uns jetzt. Aber daß ich jetzt quasi mir die Kapitel noch einmal durchlese, das ist es eher nicht, sondern es gibt eher so Fragmente, dass man sagt, da könnte man mal den Fokus drauf legen. Bei „Preachers Of The Night“ und mit den Kreuzzügen, das hat sich irgendwie auch so angeboten, daß wir da den Fokus drauf legen. Und wir betonen immer, daß wir halt keine religiösen Fanatiker sind, und nicht missionieren wollen, sondern wir sagen immer wir beobachten. Also religiöse und geschichtliche Ereignisse. Und da kann man  - das ist auch eine Frage, die oft gestellt wird, vielleicht willst du die noch stellen – „gehen euch irgendwann die Themen aus?“ Nein! Also, das ist ja quasi ein Buch ohne Ende. Sozusagen. Also man kann da ganz viel rausziehen. Mal sehen, was wir beim nächsten Album verbraten. Also, da gibt’s noch einiges, oder?

Matthew: Definitiv.

Falk: Oh Gott, das nächste Album!

Matthew: Erst mal die Tour spielen!

Anne: Habt ihr eigentlich keine Angst, daß sich eventuell auch musikalisch die Sache irgendwann totlaufen könnte, wie das z.B. bei HAMMERFALL der Fall war? Die ja auch Power Metal machen.

interview powerwolf 20131005 03Matthew: Die Frage muß man natürlich stellen. Das kann natürlich mal irgendwann passieren. Keine Ahnung. Dann muß man sehen wie man damit umgeht. Im Moment ist es eigentlich eher so, daß ich ganz selbstbewußt sagen kann, wir haben uns eine Nische geschaffen, einen eigenen Sound, den in der Form eigentlich keine andere Band zelebriert. Und in der Nische fühlen wir uns sehr wohl. Sollte es jemals so sein, daß uns die Ideen ausgehen, werden wir wahrscheinlich auch ganz konsequent sagen, dann machen wir auch nix mehr.

Falk: Man wartet dann auch länger mit dem Album.

Matthew: Danach sieht's im Moment eigentlich aus. Denn wir haben wirklich diese sehr glückliche Situation, daß sowohl wir das lieben, was wir da an Musik fabrizieren, als auch  - wie im Moment der Erfolg grade zeigt -  sehr viele andere Menschen das Ganze mögen.

Falk: Entschuldigung, wenn ich unterbreche. Die Frage zielt auch ein bißchen drauf ab, kann man mit diesem Stil so weiter machen oder muß die Band irgendwann einen ganz neuen Stil kreieren. Ich bin einfach mittlerweile ein Verfechter davon, daß Bands doch bei ihrem Stil bleiben sollen und sich darin einfach bewegen. Ich meine, man muß nicht immer dieselben Songs schreiben aber man kann halt...

Matthew: Ich finde das auch immer ganz interessant: Klassische Frage, die man sehr oft hört: „Was habt ihr bei dem neuen Album anders gemacht?“ Und ich sage immer einfach: „Gar nichts“.

Falk: Wir haben neue Songs geschrieben.

Matthew: Und das ist die ganz ehrliche Antwort, weil wenn du als Band über Jahre hinweg deinen Sound gefunden hast und einen ganz eigenen Sound geschaffen hast, geht’s beim neuen Album eigentlich nicht drum zu sagen, „Was können wir denn jetzt krampfhaft anders machen? Weil verdammt nochmal, wir lieben das, was wir machen.“ Sondern es geht einfach nur drum, neue, gute Songs zu schreiben. Genau das ist die Herangehensweise. Was man anders machen will, das macht man halt, wenn man als Band ewig rumeiert und keinen Sound findet. Diese Bands tun mir leid (lacht), aber wir für unseren Teil müssen nicht mehr mit Industrialmist oder sonst was herumexperimentieren.

Falk: Wir brauchen auch keine Akustikgitarren, wir brauchen keine Balladen, wir brauchen nix elektronisches.

Matthew: Offensichtlich.

Falk: So. Guck dir die Bands an, die das alles machen. Man weiß doch wie das ist. „Ja früher fand ich die Band ja toll, aber jetzt machen die nur noch so modernen Scheiß.“ Im Grunde genommen sind wir ein Stück weit konservativ, was unseren Sound angeht und trotzdem würde man sagen, ok, es gibt Unterschiede von „Preachers Of The Night“ zu „Blood Of The Saints“, die ist schneller, härter, was weiß ich. Aber im Grunde genommen ist es unser Stil. Was natürlich immer passieren kann, daß irgendwelche Leute sagen: „Ich hab' da keine Lust mehr drauf.“ Da hat ja auch jeder ein Recht dazu, aber dann sich zu verbiegen und zu sagen, ok, wir benutzen doch Loops oder irgendeinen Scheiß... Wir werden uns auch keine Gastsänger einladen, die irgendwas da trödeln, wenn der Stern mal sinken sollte, sondern es wird POWERWOLF sein und Punkt, aus, Ende. Wir sind sowieso eine Love-us-or-hate-us-Band; das heißt im Grunde genommen haben wir eigentlich ein bißchen Narrenfreiheit. Das ist eigentlich künstlerisch echt gut. Intern ist diese Freiheit auch eine Crux weil es ja auch irgendwie verdammt hart ist, so ein Album zu schreiben, was irgendwie Arsch hat und eingängig ist und nicht plumper deutscher Heavy Metal. Das muß man ja auch mal sagen. Es ist ja nicht so, daß wir uns hinsetzen, schreiben „Coleus Sanctus“ und sagen, „Haha, wie schnell, hab ich mal schnell geschrieben“, sondern das sind Wochen und Monate, die wir da arbeiten. Und das ist manchmal echt ätzend (lacht). Aber umso schöner  ist das Resultat, wenn du es nachher in den Händen hältst. Und sagst, so, jetzt haben wir was. Und das sagen wir auch ganz selbstbewußt, dann ist man stolz auf das, was man da geschaffen hat. Und wir sind stolz auf jedes Album einzeln für die Zeit (zu Matthew gewandt) - du sagst immer als Vergleich das ist wie so eine Art Familienfoto zu dem Zeitpunkt - das  „Preachers Of The Night“-Foto sieht so aus, das nächste sieht so aus, „Blood Of The Saints“ so, das „Return in Bloodred“ sah nochmal ganz anders aus. Von daher hab' ich ganz schön ausgeholt bei der Frage, kommen wir nochmal zum Thema zurück.

interview powerwolf 20131005 10Anne: Hattet ihr eigentlich schon mal Probleme mit Kirchenvertretern? Stichwort Gotteslästerung oder sowas?

Matthew: Nein, bisher eigentlich noch nie. Erstaunlicherweise, aber, da muß man ja auch sagen, hier komme ich wieder zurück zu dem Augenzwinkern das wir haben. Ich denke, jeder, der sich ein bißchen eingehender mit dem beschäftigt, was wir da machen, wird mitkriegen, daß wir letztlich aus künstlerischer Sicht mit sehr viel Abstand und in gewissen Punkten auch mit 'nem Funken Humor unsere Texte schreiben.

Falk: Und wir verletzen keine religiösen Gefühle, zumindest gehe ich wirklich davon aus, daß wir das nicht tun.

Matthew: Nö, die Tatsache, dass wir da noch nie was zu hören bekommen haben, zeigt ja, daß das durchaus verstanden wird, daß wir da  definitiv niemandem auf die Füße treten oder Dinge verunglimpfen. Gott und Satan kriegen gleichviel ab bei uns (beide lachen). Wie gesagt, aber da sind eben Songs wie „Coleus Sanctus“ oder „Resurrection By Erection“ durchaus Mittel zum Zweck, um auch zu zeigen, daß wir aus 'ner gewissen - sagen wir mal  künstlerischen, manchmal grenzweise satirischen - Sicht Themen behandeln.

Anne: Beim Video zu „We Drink Your Blood“ hattet ihr ja schon einige Pyros und jetzt beim neuen Video ja den absoluten Pyrooverkill. Da mußte die Plattenfirma ja ganz schön latzen?

Matthew: Nee, da muß man immer auch sagen, daß wir eine Band sind, die schon immer künstlerisch und auch organisatorisch sehr, sehr viel selbst gemacht hat, also im Fall unserer Videos kriegt unser Label das Video zu sehen, wenn es fertig geschnitten ist.

Falk: Ja, also die ganze Logistik ist eigentlich bei uns - zwei muß man ja sagen -  und es hätte noch mehr Feuer sein können, es war nämlich noch mehr geplant, aber nee, was wollte ich sagen, es ist einfach auch so, daß beim „We Drink Your Blood“-Video beim letzten Mal und auch beim neuen, da ist 80 % immer noch von uns organisiert, da ist eigentlich die Plattenfirma nicht diejenige, die da so viel organisiert. Im Gegenteil, wir sind das, die das komplett abwickeln, was natürlich wiederum Kosten reduziert, aber natürlich mußt du wenn du viel Feuer verbrennst auch viel Geld in die Hand nehmen, das ist auch klar. Und ja, weiß nicht, ob ich das jetzt eindeutig beantworten kann.

Matthew: Reicht doch. Wenn du viel Feuer verbrennst, mußt du ordentlich Geld in die Hand nehmen. Das ist ein gutes Statement.

Anne: Wenn ich mir so die Fotos im Booklet angucke, da frage ich mich: Kann man Drummern kein offenes Feuer in die Hand geben?

Matthew: Dann mußt die Frage richtig stellen. Unser Drummer ist in dem Fall ja nicht nur Drummer, sondern auch Holländer. Und einem Holländer offenes Feuer in die Hand zu geben ist natürlich doppelt riskant. In dem Fall haben wir ihm das Feuer besser in einer schicken Laterne in die Hand gegeben.

Falk: So isses.

Matthew: Zum Schutz der Location (alle lachen).


"[...] wie offensichtlich kann man denn Müll anbieten als Bonus-CD?"

Danke, danke, danke! Das frag' ich mich nämlich auch schon lange.



Anne: Wie entscheidet ihr eigentlich, was ihr covert? Ergibt sich das spontan?

Falk: Du meinst jetzt wegen der Rock Hard [„The Rockhard Sacrament“ (Beilage zum Rock Hard Ausgabe Juni 2013), Anm. d. Verf.]?

Anne: Ja, die Rock Hard und auch auf der „Trinity In Black“ waren ja Cover drauf.

Falk: Ich glaub', die Songs, die da drauf sind, das sind die Songs, die wir immer covern wollten, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt. Und das Ding ist manchmal... dieser BLACK SABBATH-Song war für uns irgendwie auch so ein Ding; die Ära Tony Martin, die wird ja gerne immer totgeschwiegen, ich meine, manches kann man gerne totschweigen, aber es gibt ja auch gute Songs und das war so ein Song, wo du dich auch als Band fragst, was soll man covern und da ist auch vieles schon abgedroschen.

Matthew: Es ist einfach nicht interessant, IRON MAIDEN zu covern. Das haben hunderte von Bands getan. Ich würde einfach sagen, das müssen Songs sein, die uns in irgendeiner Form  etwas bedeuten, die uns vielleicht irgendwie schon lange begleiten, und aber auch soundtechnisch Anknüpfungspunkte zum Wolf haben.

Falk: Das isses.

Matthew: Bei „Headless Cross“ hab ich z.B. als ich den Song nach Jahren einfach mal wieder gehört hab', gefragt: „Wie würde der jetzt mit einer Kirchenorgel von Falk Maria Schlegel klingen?“ Und das ist dann so ein Anknüpfungspunkt, da sagt man dann: „Das probieren wir einfach mal aus.“

Anne: Werden denn die Songs, die in der LP-Box sind, die nicht auf CD erschienen sind, irgendwann mal auf CD erscheinen? Oder wird’s die immer nur auf Vinyl geben?

Matthew: Das steht völlig in den Sternen.  Das kann gut sein, daß das irgendwann mal passiert, aber das entscheidet man dann, wenn entsprechende Projekte anstehen.

Anne: Wie kamt ihr denn auf die Idee zu „Sacrilege Symphony“ und wie kam das an bei den Fans?

Falk: Das kam gut an.

Matthew:  Die Idee gibt es eigentlich schon immer und sie liegt ja nahe, da wir ja sehr viel klassische Strukturen und klassische Melodien benutzen und eigentlich gab es glaub‘ ich seit dem ersten Album die Idee, daß es geil wäre mal irgendwann Songs orchestral umzuarbeiten. Letztlich hatten wir dann bei „Blood Of The Saints“ zum ersten Mal die Möglichkeit dazu, da wir den Dominic Joutsen kennengelernt haben, ein klassischer Komponist…

Falk: …aus Moskau…

Matthew: …der es wirklich auch ganz großartig schafft auch für ihn sehr stilfremde Musik - er hat von Metal und Rock überhaupt keine Ahung - in ein völlig anderes Genre zu übertragen und da ist auch so ein bißchen Egoismus dabei, muß ich sagen. Weil es auch für uns einfach super interessant ist. Du schickst die Grundnoten von Metalsongs zu jemand und du kriegst orchestrale Arrangements zurück.

Falk: Das finde ich, ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist für mich: es wird so viel veröffentlicht, und die Erstauflagen meistens als Doppel-CD. Und dann frag ich mich aber trotzdem als Fan „Warum muß ich die kaufen?“. Also muß ich als Band was hochwertiges anbieten und eben nicht irgendwas ungemastertes oder was weiß ich.

Matthew: Was man mittlerweile ja auch oft hat, ist dann die gleiche CD nur ohne Gesangsspuren.

interview powerwolf 20131005 05Falk: Ja, irgend so einen Scheiß, das braucht kein Mensch.

Matthew: Das ist der Punkt, wo man sich fragen muß: wie offensichtlich kann man denn Müll anbieten als Bonus-CD?

Falk: So, und das ist genau der Punkt, wenn du sowas anbietest, das kostet ja auch Geld. Das kostet Zeit und Energie, Das bedeutet, ich biete den Fans die Möglichkeit zu sagen, ok, ich kann jetzt wirklich eine hochwertige, limitierte Auflage kaufen, und hab irgendwie nicht nur so einen Staubfänger, das finde ich ganz wichtig, weil ich ärgere mich auch teilweise, wenn ich selber die CD kaufe und wenn ich guck, was ist die Bonus-CD, oder was ist die Limited Edition - unveröffentlichte unmastered-Tracks – das interessiert mich nicht. Entweder hat es was damit zu tun oder ich kauf im Grünewald für 14,99 die normale Jewelcase. Fertig.

Anne: Warum singt denn ausgerechnet Attila bei den Dingern nicht mit?

Falk: Wir hatten so viele Choraufnahmen (beide lachen)!

Matthew: Auf dem ersten Teil, damals bei „Blood Of The Saints“, hat Attila ja klassische Spuren eingesungen, beim neuen Teil war es aber so, daß die Choraufnahmen, die wir dieses Mal gemacht haben, einfach so super geklungen haben, daß wir gesagt haben, eigentlich ist es eine gute Idee, bei diesen orchestralen Versionen, die einfach mehr bieten als wenn da jetzt noch ein Schlagzeug ist und harte Gitarren, wenn wir da einfach mal dem Chor auch wirklich den Raum geben, den er verdient hat.

Anne: Und nach welchen Kriterien habt ihr die Songs ausgewählt, die ihr dann jetzt nochmal orchestral aufgepeppt habt?

Matthew: Das haben wir letztlich dem Dominic Joutsen überlassen. Er bekommt eine Reihe von Songs zu hören; wir treffen vielleicht eine Vorauswahl, und letztlich muß aber auch er irgendwie eine künstlerische Vision von dem entwickeln, was er da machen kann. Da kamen durchaus auch mal Situationen, wo er uns dann das Feedback gegeben hat: „Ich finde den Song gut, aber ich hab keinen Ansatz, da jetzt irgendwie was klassisches draus zu machen.“

Anne: Und ihr macht ja auch Coverartwork, T-Shirts usw., alles noch selbst. Was macht ihr nicht selbst?

Falk (lacht): Gute Frage.

Matthew: Das ist eine sehr gute Frage. Also ich muß einfach mal sagen, ich stimme meine Gitarren nicht mehr selbst und ich hab auch keine Ahnung mehr, wie mein Verstärker verkabelt ist...

Falk: Stimmt. Stimmt. Was ich nicht selbst mache, ist der Aufbau bei Livesituationen und ich fahre den Nightliner nicht.

Matthew: Weil man auch einfach sehen muß, daß wir bei einer Tour wie dieser hier eine relativ große Produktion auf der Bühne stehen haben, und das sind einfach Dinge, wo du als Band irgendwann sagen mußt: „Ok, wir  müssen uns auf die Show konzentrieren, wir können nicht noch die Logistik drum herum machen.“

Falk: Aber die ganze Vorbereitung, die Logistik, die Show zu planen, die Umsetzung von A bis Z, von der Autogrammkarte bis zum T-Shirt, das läuft alles über uns und ich höre ja - ich sag‘ das jetzt einfach mal im Interview - ich höre öfter in Saarbrücken „Hätten wir ein Label und 'ne Plattenfirma und 'ne Agentur, dann wären wir auch so erfolgreich!“ und dann könnte ich grade kotzen. Weil nämlich wenn's dann hart wird und was zu arbeiten ist, und zwar jeden Tag, nicht wenn ich grade Bock hab, dann ist alles zu schwierig und keiner in der Band macht ja was. Da muß ich auch einfach mal sagen, das, was man hier sieht, ist jeden Tag Arbeit. Und da nehme ich mir als Künstler oder als Musiker das Recht raus, auf Tour wirklich nichts zu machen als auf die Bühne zu gehen und zu spielen.

interview powerwolf 20131005 04Matthew: Man muß halt auch sagen, daß die Tatsache, daß wir sehr viel selbst machen, uns auch garantiert, daß letztlich das Resultat dieser ganzen Arbeit, die wir da eben investieren, auch dem entspricht, was wir wirklich wollen und wofür wir stehen können. Ich möchte einfach nicht auf Tour gehen und sehe zum ersten Mal das Tourshirt und denke mir „Da hat aber irgendein anonymer Labelmitarbeiter XY ein scheiß Shirt gelayoutet“, sondern ich will einfach wissen, ok, das Tourshirt haben wir selbst verbrochen.

Falk: Ja, wir haben das mal probiert, daß das jemand anderes macht, aber das was du (schaut Matthew an) designst, das ist einfach POWERWOLF.

Matthew: Letztendlich hat sich auch über die langen 10 Jahre, die es den Wolf jetzt schon gibt, ausgezahlt, daß wir halt einfach die Zügel selbst in der Hand haben und ziemlich stoisch unser Ding durchziehen und uns auch glaub ich nie haben verbiegen lassen von irgendwas.

Anne: Also würdet ihr sagen, daß ihr die absolute künstlerische Freiheit habt?

Matthew: Definitiv! Wir haben das schon immer so gemacht und es wird auch immer so sein. Weder Plattenfirma noch Management bekommt irgendeinen Song zu hören, bevor das Album komplett fertig ist. Wir lassen uns da Null reinreden. Damit muß auch jeder Partner können, der mit dem Wolf arbeitet – bisher klappt das auch.

Anne: Wollt ihr das auch in Zukunft so halten, oder glaubt ihr, daß irgendwann vielleicht mal ein Punkt kommen könnte, wo das zuviel wird? Wo ihr das einfach aus Zeitgründen nicht mehr schafft.

Matthew: Naja, das muß man natürlich sehen. Das Beispiel ist jetzt schon die Infrastruktur auf der Tour, bei der wir sehr viel abgeben. Und auch sonst muß man natürlich in Teilbereichen Dinge abgeben. Je größer das ganze wird, umso aufwendiger wird’s. Es gibt immer mehr Baustellen und man muß sich natürlich auf die konzentrieren, die wichtig sind. Aber da muß ich eben sagen, das sind genau diese künstlerischen Baustellen, sprich das Bühnendesign, das Merchdesign, etc., Dinge die uns immer sehr wichtig sein werden und an denen wir auch festhalten werden.

Anne: Und ihr wählt auch eure Vorbands selber aus, oder?

Matthew: Auch da führen wir hitzige Diskussionen. Definitiv. Natürlich muß man auch sehen: Vorbands auswählen klingt immer so als gäb's da ein großes Buffet an Bands und man sagt einfach „Hier und da und noch ein bißchen von dem Salat.“ Ist ja auch nicht ganz einfach. Du brauchst ja auch Bands, die zu dem Zeitpunkt, zu dem die Tour geplant ist, eben grade verfügbar sind.

Falk: Die müssen ein Album haben, das ist sehr wichtig.

Matthew: Es ist sehr aufwendig. Aber wir reden da auch von A bis Z mit, weil's uns einfach wichtig ist, daß das Line Up, das letztlich die Tour darstellt - es ist ja nicht nur so, daß der Headliner dieses ganze Event macht - der ganze Abend muß irgendwie stimmig sein und da reden wir schon ein gehöriges Wort mit.

Falk: Ich fand's jetzt bei der Tour interessant, dass es ein bißchen internationaler ist. Du hast 'ne Band aus den USA, 'ne Band aus Finnland, not only german Package, das finde ich eigentlich auch innerhalb eines Tourtrosses sehr interessant. Bringt so ein bißchen was Besonderes rein.

Matthew: Ja, man versteht nicht das ganze Gelaber den ganzen Tag. Das ist eigentlich ganz angenehm.


„Hier und da und noch ein bißchen von dem Salat.“

So geht das also mit den Vorbands...



Anne: Werdet ihr dann quasi die zweiten, deutschen BOLT THROWER?

Falk: BOLT THROWER?

Anne: Ja, die machen doch auch alles selbst.

Matthew: Ach so. BOLT THROWER ist eine Selfmadeband. Naja, der Vergleich ehrt zum einen, weil BOLT THROWER irgendwie ja auch eine sehr fannahe Band sind und eine Selfmadeband sind, andererseits muß ich sagen, ich glaube, der Wolf findet in einer anderen Dimension statt als BOLT THROWER. Insofern sind wir gezwungen, mehr abzugeben als eine doch relativ undergroundverwurzelte Band wie BOLT THROWER, die sehr gut irgendwie alles selbst in der Hand haben können. Aber der Vergleich ehrt und musikalisch muß ich natürlich auch mal sagen, mag ich diese Band schon immer sehr, auch dafür, daß die eben musikalisch ganz stoisch ihr Ding durchziehen. Insofern guter Vergleich.

Anne: Wie wäre es mal mit einer Wolfsnächtetour, bei der ihr nur Bands habt, die den Wolf im Namen tragen oder den Wolf in der Thematik, z.B. THE VISION BLEAK und ihr nur in Städten auftretet, die den Wolf im Namen tragen?

Matthew: Das ist natürlich ein Konzept, das wir schon sehr lange im Kopf haben...

Falk: Mit dem Wolf gibt es sowieso LEATHERWOLF, WOLF, …

Anne: …LONEWOLF...

Matthew: Es ging ja mal soweit, daß es folgendes Konzept gab: es gibt nur ein Backdrop und die entsprechenden Buchstaben werden abgeklebt. Also wenn dann die schwedischen WOLF uns supporten, dann wird eben das „Power“ abgeklebt und nachher einfach enthüllt. Wäre natürlich alles sehr lustig, aber auch da muß man natürlich sagen, z.B. die Schweden WOLF waren für diese Tour ein Wunschkandidat, leider hat es nicht geklappt aufgrund unterschiedlicher Zeitpläne. Wäre natürlich sehr lustig, wenn sich das mal ergibt. Letztes Mal hatten wir ja immerhin LONEWOLF dabei, vielleicht wird das irgendwann mal passieren, allerdings ist die Frage...

Falk: Welche Städte gibt’s denn mit Wolf?

Matthew: ...außer Wolfsburg gibt es da ja kaum was.

Anne: Doch, jede Menge. Ich schick euch 'ne Liste.

Matthew: Ja...

Falk: Vielleicht haben die keinen Club?

interview powerwolf 20131005 07Anne: Sogar Wolfersweiler, mein Nachbarort, hat eine Halle.

Matthew: Das weltbekannte Wolfersweiler!

Falk: Ich kenn auch bei Wolfach die Wolfsklause.

Matthew: Ja super. Wir sollten drüber nachdenken.

Anne: Einige eurer Fans, oder viele eurer Fans, verkleiden sich ja auch oder schminken sich oder verkleiden sich als irgendwelche Kirchenvertreter. Findet ihr das eher beängstigend oder findet ihr das cool?

Falk: Nee, das hat  - gestern hab' ich da noch mit jemandem drüber gesprochen – das hat so ein bißchen was KISSmäßiges. Weil KISS, ich will nicht sagen, das ist 'ne Band für die ganze Familie, aber sie hat durchaus das Potential, daß man ein älteres oder jüngeres Publikum vereinen kann und bei KISS war das irgendwie auch so ein Ding: wer kann am saubersten den Strich am Hals aufhören lassen. Und insofern finde ich das auch eher... ich find's eher schön, muß ich ehrlich sagen.

Matthew: Es zeigt letztlich die Leidenschaft. Das zeigt jetzt nicht, da kommen Leute einfach auf ein Konzert, „Es ist Samstagabend, was könnte man denn heute machen?“ „Naja, da ist ein Konzert, gehen wir mal hin“, sondern es zeigt, daß da Leute im Grunde genommen mit einer ähnlichen Leidenschaft bei der Sache sind wie wir das als Band sind und ich glaube, das ist auch der Ausdruck, der da irgendwie rüber kommt. Und unabhängig davon, ob ich jetzt das Makeup in dem Fall grade toll finde oder nicht, ist das eine gewisse – ja, es ist einfach eine Ehre, daß da Leute mit soviel Begeisterung dabei sind.

Falk: Und so Schminke kostet ja auch.

Matthew: Eben, das kostet ja auch.

Falk: Theaterschminke ist nicht billig.

Anne: So, jetzt die finale Frage:

Falk: Das ist bestimmt spannend...

Anne: Stimmt es eigentlich, daß ihr überhaupt nicht POWERWOLF heißt, sondern PO-WERWOLF und euch bei Vollmond Haare am Arsch wachsen?

Falk: Die Haare hab' ich eh schon am Arsch (lacht).

Matthew (lacht): Das mit den Haaren kann wohl keiner von uns leugnen – äh – vor allem der Roel nicht.

Falk: Nee, in Wirklichkeit hießen wir eigentlich WERWOLFPO und haben dann irgendwann aus Imagegründen das nochmal gedreht. Das kann man nämlich auch aus POWERWOLF machen.

Matthew: Ja, es hieß dann nee, das mit dem WERWOLFPO das klingt nicht, und das wird falsch verstanden und so und dann haben wir gesagt, naja gut...

interview powerwolf 20131005 06Falk: ...dann müssen wir in den sauren Apfel beißen…

Matthew: Das Logo gab's aber schon. Wir hatten kein Geld mehr, das Logo nochmal neu zu machen, da haben wir dann gesagt, dann müssen wir einfach Buchstaben umstellen und gucken, was passiert und da kam dann der Kraftwolf raus.

Falk: So isses.

Matthew: Wir haben uns dran gewöhnt.

Anne: Gut. Das war's.

Falk: Danke für das Interview.

Anne: Ja, danke ebenfalls!

Falk: Ganz schön lang...

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Pascal antwortete auf das Thema: #11411 10 Jahre 4 Monate her
Sehr unterhaltsam! :)
Bjoerns Avatar
Bjoern antwortete auf das Thema: #11381 10 Jahre 4 Monate her
Top-Interview, Anne! Sehr unterhaltsam, das :-D

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