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Deep Purple inFinite cover 200nb mehrfachwertungSoll es wirklich so sein, dass wir hier der letzte Longplayer einer der größten Legenden der Rockgeschichte vorliegen haben? Es ist zumindest so angekündigt, dazu eine "Long Goodbye"-Tour, die hoffentlich noch lange andauern wird. Viele Bands haben schon ihren Abschied angekündigt und ebenso viele sind wieder zurück gekommen, im Prinzip rockten sie alle bis ins Grab, weil sie gar nicht anders können. Dabei war das vorhergehende Album "Now What ?!" nach acht Jahren schon so etwas wie eine Sensation, da man DEEP PURPLE bereits im Eigencovermodus wähnte. Mit dem haben sie ihren Status und ihre Klasse noch einmal untermauert und so gut aufgespielt wie zuletzt auf "Slaves And Masters". Was vermag nun das programmatisch betitelte "Infinite" noch zu bringen, das zehnte Studiooutput seit der Reunion, womit man so viele auf die Waage bringt wie in der frühen Karrierephase?

Ähnlich wie beim direkten Vorläufer geht man zu Beginn nicht direkt in die Vollen, wie man es in der Hochphase tat. "Time For Bedlam" lebt von vielen Keyboardflächen über die Steve Morse ein paar feine Leadfills legt, was der Atmosphäre von "Simple Song" nahe kommt. Dass der gute Steve hier so sehr nach Ritchie Blackmore klingt wie nie zuvor in seinen mehr als zwanzig Dienstjahren, verwundert mich schon ein wenig, da es auch nicht das einzige Mal auf dem Dreher bleibt. Im Refrain gehen seine Saiten eine schön knackige Verbindung mit der Orgel von Don Airey ein, die auch ein paar Widerhaken auswirft. Dagegen kommt der melodische Chorus der ähnlich aufgebauten Single "All I Got Is You" glatter, kommerzieller daher, auch wenn sich in der Bridge Airey und Morse ansprechend duellieren.

Doch in der Folgezeit schmoren DEEP PUPRLE zu sehr im eigenen Saft, liefern zwar genau das, wofür man sie liebt, aber das hat man eben alles schon einmal besser gehört. Die "Hip Boots" haben sie schon öfter angezogen, orientieren sich darin eher zu den ursprünglichen Wurzeln des Rock, doch den altbekannten Harmonien entlocken sie keine neuen Aspekte. Groovig geht es in "One Night In Vegas" zu, in welcher das Piano aufspielen darf, und sich vor allem Ian Gillan wohl fühlt. Zwar sind die Kontraste zwischen den schweren Riffs und der eher locker rockenden Strophe von "Get Me Out Of Here" interessant gestaltet, doch am Ende bleibt wenig hängen. Und das noch schwerfälligere "On Top Of The World" wartet mit auf "Infinite" öfter verwendeten Spoken Word-Passagen auf, die aber wenig Sinn ergeben.

Hier fehlt einfach der letzte Mut, die ganz große Inspiration, die noch bei "Now What ?!" zu spüren war. Da ist keine Nummer wie "Above And Beyond", die in die Nähe von Siebziger-Prog rückt, die mal etwas riskiert, dazu fehlen auch die wirklich innovativen Ideen des Mannes an den Tasten, auch wenn er sehr präsent ist. Es klingt fast schon wie Ironie dass "Blood From A Stone" vom Vorgänger näher an der Tiefe der DOORS war, als es die Coverversion von "Roadhouse Blues" ist. Jene hört sich mit Mundharmonika und sehr prominenten Honky Tonk-Piano noch am wenigsten nach DEEP PURPLE an, wenn dann dürfte "Lazy" der Bezugspunkt sein, aber eben auch nicht nach Jim Morrison.
Irgendwie scheint der Formation der Pioniergeist abhanden gekommen sein, wo ist die Jazzband, die rein zufällig Hard Rock macht hinter dem Namen DEEP PURPLE. Da nutzen auch die coolen Bilder im Booklet nichts, welche die Musiker als Arktisexpedition zeigen, die eben genau den Forscherdrang symbolisieren sollen. Es spricht aber schon wieder für sich, dass die Herren während der Aufnahmen nicht frieren mussten, weil Jim Rakete sie im Hamburger Hafen ablichtete, und sich der Altmeister hinter der Linse exzessiv bei Photoshop bediente. Die Idee mit der Unendlichkeitsschleife und den Initialen das Bandnamens ist richtig cool, aber auch hier dürfte der Eisbrecher auf dem Cover nicht wirklich das Logo ins Schelf gestoßen haben.

Was bleibt neben dem Opener also auf der Habenseite, das über Standard hinaus reichen würde? Sicher das ruhige, atmosphärische "The Surprising" mit der akustischen Strophe und seinem klassisch angehauchten, Art Rock-affinen Mittelteil. Ebenso auf Atmosphäre wird im psychedelischen "Birds Of Prey" gesetzt, das wenigstens mit ein paar Tastenspielereien aufwartet. Ob die Namensähnlichkeit mit einem Klassiker von URIAH HEEP beabsichtigt ist, lässt sich nicht feststellen, die melodischen Leads in der Coda könnten aber problemlos aus der Feder ihrer Weggefährten stammen. Im richtig lässigen "Johnny´s Band" versucht man sich sogar am Stadionrock, was gut funktioniert und Erinnerungen an "Perfect Strangers" weckt. Wie der Rest der Truppe diesen Titel allerdings ihrem Frontmann schmackhaft machte, wird immer ihr Geheimnis blieben.

"Now What?!" wäre als Abschiedswerk sicherlich ein erwähnenswerteres gewesen. Doch deswegen muss man "Infinite" noch lange nicht als Enttäuschung abstempeln, die Legende liefert das, was man von ihr erwartet, das mag dem ein oder anderen sogar besser munden. Mir fehlt einfach die Tiefe, mit der vor vier Jahren jeder Ton zelebriert wurde. Vielleicht lag es daran, dass Bob Ezrin nicht immer alle Musiker um sich hatte, als die Scheibe eingespielt wurde, die Bandchemie dadurch nicht ganz so gut transportiert wurde. Oder an den verhältnismäßig knappen Songs die wenig Raum ließen, alle Ideen zu entfalten. Spaß macht das Ding trotzdem, für ihr Alter klingen die Herren noch frisch und die Hoffnung, dass ein "Smoke On The Water" tatsächlich unendlich sein wird, beruhigt doch ungemein. (Pfälzer)


Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 45:45 min
Label: EAR Music
Veröffentlichungstermin: 07.04.2017

Bewertung:

Pfaelzer7,0 7 / 10


Andreas 6,5 6,5 / 10

Anne6,5 6,5 / 10

Jochen7,0 7 / 10

Klaus 7,07 / 10

Maik7,0 7 / 10

Pascal7,0 7 / 10

Alex27,5 7,5 / 10


Deep Purple Infinite big

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