Seine Umtriebigkeit treibt Jorn Lande immer weiter zu neuen Projekten und Höchstleistungen. Nachdem man nach „Traveller" eineinhalb Jahre nichts von ihm gehört hat, musste man sich doch tatsächlich Sorgen machen. Nun erscheint nur ein paar Monate nach dem vierten ALLEN/LANDE-Werk „The Great Divide" schon das nächste Studiooutput. Machte sich die Verpflichtung von Trond Holter auf dem letzten Album seiner Band positiv bemerkbar, so firmieren die Norweger aktuell mit anderen Musikern unter JORN LANDE & TROND HOLTER. Als bekannt wurde, dass die beiden an einem Konzeptalbum über Vlad Tepes, den Grafen der Walachei, besser bekannt unter Dracula schreiben würden, horchte die harte Szene auf. Dann ließen sie durchsickern, dass es sich bei „Dracula (Swing Of Death)" um eine Rockoper im Stile des Siebziger-Bombastrock á la MEAT LOAF handeln würde. Na, das kann was werden!
Dabei kommen einem die eröffnenden Akustiktöne in „Hands Of Your God" gar nicht so fremd vor, zu denen Lande düster-bedrohlich singt. Mit schweren Riffs nimmt die Intensität zu und lässt an BLACK SABBATH in der Dio-Phase denken. Schon bei diesem Intro stellt der Mann seine Stimmgewalt unter Beweis, mit der er so manche durchschnittliche Komposition gerettet hat. Waren die aber auf „Traveller" schon kaum zu finden, so läuft das neue Songschreibergespann hier erst zu Topform auf.
Kraftvoll biegt „Walking On Water" um die Ecke, die Gitarren braten, Jorn röhrt mit Inbrunst und die Melodien sind unglaublich flüssig. Im Refrain explodiert die Spannung komplett, dezente Keyboardfanfaren untermalen diese mitreißende Hymne. Das tönt zwar mehr nach Achtzigern und nach dem bisherigen Schaffen des Sängers, Querverweise auf die Siebziger findet man dann im Solo, wenn munter THIN LIZZY zitiert wird. Was Holter im Verlauf der Scheibe an Soli rausballert ist atemberaubend, bei „Queen Of The Dead" lässt er selbst einen Yngwie Malmsteen alt aussehen.
Der Titelsong öffnet dann erst richtig die bunte Bilderwelt. Ein dunkles, psychedelisch eingefärbtes Jazzpiano entführt den Hörer direkt in den Ballsaal der Hölle, wo ALICE COOPER schelmisch von seinem Thron grinst. Die noch größere Portion Glam serviert dann der unheimlich süffige Chorus, so eine Nummer hätte ich nie erwartet. Da kam nach der letzten ALLEN/LANDE der SAVATAGE-Bombast in „Masquerade Ball" nicht ganz so unerwartet. Doch die flirrenden Akustikgitarren, welche fast schon spanische Klassik anklingen lassen, setzen auch hier Maßstäbe.
„Save Me" beginnt ebenfalls sehr wuchtig, nimmt sich dann aber in der Strophe sehr zurück und mutiert zur atmosphärischen Powerballade. Wo es den Anschein hat, die Nummer würde nochmals richtig Fahrt aufnehmen, erklingt der beste Refrain, den ABBA nie geschrieben haben. Richtig gelesen, die schwedischen Pop-Giganten, denn hier glänzt zum ersten Mal die weibliche Stimme von Lena Flöitmoen Börresen in den Rollen von Mina und Lucy. Mit ihr liefert sich Jorn Lande ein paar tolle Duette, wie etwa beim theatralischen Abschluss „Under The Gun".
Richtig rocken JORN LANDE & TRON HOLTER dann in „River Of Tears", bei dessen Chorus die Dame auch wieder dabei ist. Zuvor pariert der Sänger ein paar knackige Riffattacken seines Partners, bis beide bei der eruptiven Bridge gemeinsam nach vorne preschen. Im epischen Mittelteil wird dann noch QUEEN zitiert, toller Satzgesang trifft auf interessante Breaks. Da ist die Scheibe ohnehin schon weit vom Hardrockstandard entfernt, dennoch packen sie viele überraschende Arrangements drauf. Warum eine Rockoper ein Instrumental benötigt, wissen zwar nur die zwei Macher, aber „True Love Through Blood" funktioniert mit klassischen Songstrukturen. Hier darf sich Holter noch einmal richtig austoben, ein ganzes Arsenal an Licks und Riffs aufbieten, in der Kategorie hat man seit DOKKENs „Mr. Scary" kaum was Besseres vernommen.
Die grandiosen Leistungen der Protagonisten wurden in dem von JORN bekannten druckvollen, meterdicken Sound eingefangen. Das dieser nicht unbedingt mit den Seventies-Anklängen korrespondiert, ist deren Vorteil, denn so klingen sie auf der Höhe der Zeit. Das Klanggewand hält zudem das stilistisch weit gefächerte Album zusammen, welches sehr kompakt, und nicht wie anzunehmen wäre ausladend, arrangiert ist. Damit generieren die besten Songs, die je aus Landes Feder kamen das bisherige Meisterwerk seines Schaffens.
Die schmissigen Kompositionen machen mir so viel Spaß wie schon lange keine Platte mehr. Dabei gelingt es "Dracula (Swing Of Death)" trotz des oberflächlichen erscheinenden Funfaktors das Kunststück, die Dramatik um die tragische Figur Vlad Tepes emotional greifbar zu machen. Würde ich nicht konsequent die Meinung vertreten, alle 10-Punkte-Scheiben seien geschrieben, könnte ich hier die Höchstnote zücken, darüber nachgedacht habe ich jedenfalls. Wenn die das Teil auf die Bühne bringen, wäre Jorn Lande sogar der verziehen, dass er es zu selten auf die Bühne schafft. (Pfälzer)
Bewertung: 9,5 / 10
Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 45:58 min
Label: Frontiers Records
Veröffentlichungstermin: 23.01.2015
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